Neuss. Trotz des massiven Konjunktureinbruchs sind die Insolvenzen in Deutschland weiter signifikant gesunken. So sank in diesem Jahr die Zahl der Unternehmensinsolvenzen deutlich um 13,4 Prozent auf 16.300 Fälle (2019: 18.830), teilt die Auskunftei Creditreform mit. Dies sei der niedrigste Stand seit der Einführung der Insolvenzordnung (InsO) im Jahr 1999.
Zur Abfederung der Folgen der Corona-Pandemie hatte die Bundesregierung zahlreiche Hilfs- und Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft beschlossen und die Insolvenzantragspflicht mehrere Monate lang ausgesetzt. „Im laufenden Jahr hat sich das Insolvenzgeschehen als Seismograph für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung vom wirklichen Zustand der deutschen Unternehmen entkoppelt“, kritisiert vor diesem Hintergrund Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Problematisch sei auch, dass durch die Staatshilfen sehr viele Unternehmen am Markt blieben, die unabhängig von der Corona-Krise eigentlich nicht mehr überlebensfähig seien, erklärt er.
Spürbar weniger Insolvenzen bei Kleinbetrieben
So gab es laut Creditreform in diesem Jahr insbesondere bei Kleinbetrieben durch die Aussetzung spürbar weniger Insolvenzmeldungen. „Insolvenzen sind ein wichtiger Mechanismus zum Schutz der Volkswirtschaft“, erklärt Hantzsch. „Unternehmen ohne tragbares Geschäftsmodell müssen vom Markt genommen oder von Grund auf saniert werden, damit die deutsche Wirtschaft als Ganzes auch nach Corona wettbewerbsfähig bleibt.“ Branchen wie Autoindustrie, Luftfahrt und Einzelhandel stünden ohnehin vor drastischen Umwälzungen. „Der Strukturwandel wird durch diese Maßnahmen teilweise verzögert.“
Überdurchschnittlich viele Pleiten bei größeren Unternehmen
Bei größeren Unternehmen dagegen hat die Corona-Krise den Zahlen von Creditreform zufolge zu einer überdurchschnittlich hohen Zahl an Insolvenzen geführt. So stieg die Zahl der Insolvenzverfahren in den Umsatzgrößenklassen 5 bis bis 25 Millionen Euro um 26,4 Prozent und in den Umsatzgrößenklassen 25 bis 50 Millionen Euro um 36,4 Prozent deutlich. Eine Verdopplung der Fallzahlen war sogar bei Unternehmen mit über 50 Millionen Euro Jahresumsatz zu verzeichnen. Gleichwohl dominieren nach wie vor laut Creditreform Kleinst- und Kleinunternehmen das Insolvenzgeschehen, wenn auch weniger stark als in den Vorjahren. Sei waren in acht von zehn insolventen Unternehmen höchstens fünf Personen beschäftigt.
Höhere Schäden für Gläubiger
Spürbar erhöht haben sich laut Creditrefom die Schäden für die Gläubiger von insolventen Unternehmen. Im Jahr 2020 summierten sich die offenen Forderungen auf schätzungsweise 34 Milliarden Euro – nach 23,5 Milliarden Euro im Vorjahr. Pro Insolvenzfall muss im Durchschnitt oraussichtlich die Rekordsumme von gut zwei Mio. Euro an Forderungsverlusten abgeschrieben werden. Von der Insolvenz betroffen waren insgesamt rund 332.000 Arbeitnehmer; eine deutlich höhere Zahl als im Vorjahr (2019: 218.000 Beschäftigte).
Insolvenzentwicklung in den einzelnen Branchen
Sowohl im Baugewerbe (minus 16,4 Prozent) als auch im Handel (minus 16,3 Prozent) verzeichnete Creditreform in diesem Jahr merkliche Rückgänge bei den Insolvenzen. Während im Baugewerbe die weiterhin gute Konjunkturlage dafür maßgeblich sein dürfte, dürften insbesondere im Handel die staatlichen Hilfsmaßnahmen für den deutlichen Rückgang verantwortlich sein. So muss laut Creditreform bei der Einordnung der aktuellen Insolvenzentwicklung berücksichtigt werden, dass Finanzspritzen und die Aussetzung der Insolvenzanzeigepflicht wohl auch „echten“ Pleitekandidaten das Überleben zunächst ermöglicht haben. Auch im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Dienstleistungssektor haben sich in diesem Jahr die Insolvenzzahlen verringert, wobei insgesamt gesehen der Anteil des Dienstleistungsgewerbes am Insolvenzgeschehen steige, heißt es.
Auch der Trend, wonach sich vermehrt größere Unternehmen für die Insolvenz und eine mögliche Sanierung entscheiden, spiegelt sich bei den Rechtsformen der insolventen Unternehmen wider. So entfielen 43,4 Prozent aller Insolvenzen in diesem Jahr auf die Rechtsform der GmbH (Vorjahr: 39,7 Prozent). Auch die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft UG (12,1 Prozent) habe ihren Anteil am Insolvenzgeschehen ausgeweitet, heißt es.
2021 dürfte Zahl der Insolvenzen wieder steigen
Für 2021 rechnet Creditreform insgesamt wieder mit steigenden Insolvenzzahlen. Nachdem die Insolvenzanzeigepflicht bei Zahlungsunfähigkeit (nicht aber Überschuldung) ab Oktober wieder in Kraft ist, dürften der Auskunftei zufolge die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und ein Ende der Eindämmungsmaßnahmen die Insolvenzen im kommenden Jahr insgesamt wieder steigen lassen. (eh)