Transparenz ist der Schlüssel

Die Laderampe wird zur Staatsangelegenheit: Nachdem die teilweise massiven Probleme an dieser Schnittstelle jahrelang auf Veranstaltungen und in Expertengremien diskutiert worden sind, hat nun das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) ein Handbuch zu dem Thema herausgebracht. Es basiert auf einer Studie der HWH Gesellschaft für Transport und Unternehmensberatung und zeigt anhand von Praxisbeispielen: Durch Organisation, Kommunikation und Einsatz moderner Technik lässt sich mancher Engpass entschärfen. Durchschnittsnote für ZMS Eines der Ergebnisse der Untersuchung verblüfft: Den Nutzen von Zeitfenstermanagementsystemen (ZMS) beurteilen die befragten Unternehmen eher zurückhaltend. Auf einer Skala von 1 bis 4 (bester Wert) erreichte der ZMS-Einsatz bezogen auf seinen Beitrag zur Lösung der Rampenprobleme den Durchschnittswert von 2,49. Industrieunternehmen sehen darin einen größeren Nutzen (2,73) als der Handel (2,45) und Logistikdienstleister (2,3). "Ein wesentlicher Vorteil der Nutzung von ZMS besteht darin, dass den Rampenbetreibern rechtzeitig Informationen darüber vorliegen, wie viele LKW zu welchen Tageszeiten an die Rampen anfahren", steht dazu im Handbuch. Folge: Sie könnten dafür sorgen, dass zu diesen Zeiten genügend Rampenpersonal und technische Hilfsmittel bereitstehen. "Die Hauptvorteile sind kürzere Warteund Durchlaufzeiten, das LKW-Aufkommen wird entzerrt und kann über den Tag und die Woche hinweg deutlich besser geplant werden", sagt Victor Meier, Geschäftsführer des IT-Anbieters Cargoclix, der selbst ZMS anbietet. Meier beruft sich auf eine eigene Umfrage unter 41 Unternehmen, der zufolge immerhin 90 Prozent aller Unternehmen und 82 Prozent der Spediteure kürzere Warte- und Durchlaufzeiten aufgrund des ZMS-Einsatzes registriert haben. Handelsmanager bestätigen das: "Die Einführung eines ZMS an den Verteilzentren der Kaiser's Tengelmann GmbH war eine grundlegende Voraussetzung, um Transparenz bezüglich der Wartezeiten herzustellen. Durch die Steuerung der Auslastung konnten die Wartezeiten der LKW deutlich reduziert werden", sagt Ulf Kunz, Logistikleiter bei dem Einzelhandelsunternehmen. Logistikdienstleister sehen den Einsatz von ZMS kritischer. "Man kann sagen, dass die ohnehin schon guten Rampen durch ZMS noch besser geworden sind. An den schlechten Rampen hat sich allerdings kaum etwas verbessert", sagt Angelika Hinsch, Bereichsleiterin Qualität und Produktion bei der Stückgutkooperation IDS. In die gleiche Richtung stößt Stefan Krautwurst-Leister, Bereichsleiter Sales bei Dachser Food Logistics. "Die verschiedenen Anbieter und Händler unterscheiden sich in ihrer Qualität. Einige sind intelligent mit Enterprise-Resource-Planning-Systemen (ERP) vernetzt und können laufend aktualisiert werden. Andere bieten das nicht und verursachen nur Aufwand", sagt Krautwurst-Leister. Die große Stärke der Systeme seien ein Plus an Transparenz bei richtiger Implementierung und Anwendung. "Die große Schwäche ist ihre mangelnde Flexibilität, die die speditionellen Abläufe erschwert", ergänzt der Dachser-Manager. Expressrampen sollen Abhilfe schaffen Da wird kaum ein Spediteur widersprechen. Die Zeitfenster sind eine zusätzliche Restriktion für die LKW-Disponenten - besonders in der Distribution von Stückgut. "Gerade im Sammelgut sind kurzfristige Aufträge üblich", bringt es Krautwurst-Leister auf den Punkt. Ein Zeitfenster zu bekommen, sei schwierig. Die Autoren der BMVI-Studie empfehlen nicht zuletzt aus diesem Grund die Einrichtung von Expressrampen, an denen Sammelgut-LKW und Spezialfälle schneller abgefertigt werden können. "Das wäre eine praktische Einrichtung", meint IDS-Frau Hinsch. Ein anderer Kritikpunkt an starren Zeitfenstern: Die schwierigen Verkehrsverhältnisse, gerade in Ballungszentren, machen die Einhaltung für die Fahrer schwierig. "Ein möglicher Lösungsansatz besteht darin, die Rampenfenster nicht zeitpunkt-, sondern zeitraumbezogen zu planen. Innerhalb dieser Zeitfenster können die LKW dann in der Reihenfolge ihrer Ankunft entladen werden", lautet ein Vorschlag der Studie. Dies würde auch den Disponenten mehr Freiheit lassen. Manchem Experten sträuben sich da aber die Haare: Theoretisch ließen sich über die Handelslogistik-Plattform Mercareon auch Zeitfenster mit dynamischer Ankunftszeit abbilden, sagt Mercareon-Geschäftsführer Leander Kling. Er verweist jedoch auf schlechte Erfahrungen. "Dynamische Ankunftszeiten lösen das Problem nicht wirklich und es kommt wieder zu Stoßzeiten: Entweder kommen dann alle LKW zu Beginn des dynamischen Zeitraums um 11 Uhr oder knapp vor Ende des Zeitraums um 12:45 Uhr - mit der Erwartungshaltung, bis 13 Uhr entladen zu sein", resümiert Kling. Seine Erfahrungen zeigen, dass Handelsunternehmen, die zum festen Zeitfenster zurückgekehrt sind, die Wartezeiten um bis zu 20 Prozent im Vergleich zur dynamischen Ankunftszeit verkürzen konnten. Dynamische Zeitfester sind zu wenig Etwas positiver äußert sich Cargoclix-Chef Meier. "Dynamische Zeitfenster sind kein Allheilmittel. Sie sind zum Beispiel sinnvoll, wenn sich der Rampenbetreiber in einem besonders staugefährdeten Gebiet wie einem Hafen befindet und die Transporteure fast keine Chance haben, eine Anlieferzeit auf die Minute einzuhalten", sagt er. Problematisch seien zu lang terminierte Zeitfenster; dynamische Zeitfenster seien auch dann nicht zu empfehlen, wenn es darum gehe, beispielsweise im Warenausgang eine bestimmte Lieferreihenfolge einzuhalten. Generell, da sind sich Hinsch und Krautwurst-Leister einig, bringen ZMS nichts, wenn die Rampen von vornherein schlecht organisiert sind und die Kapazitäten nicht für die abgefertigte Ware ausreichen. Für bis zu 40 Prozent der Anlieferungen seien an einigen Lägern einfach keine Zeitfenster vorhanden, kritisiert Krautwurst-Leister. In solchen Fällen gilt es für die Rampenbetreiber, erst einmal an anderen Stellen die Hausaufgaben zu erledigen. Belegloser Wareneingang spart Zeit Neben der Erweiterung der Anlieferzeiten zeigt das BMVI weitere Lösungen für das Rampenproblem auf, zum Beispiel den beleglosen Wareneingang: Der Lieferant schickt vorab alle erforderlichen Papiere elektronisch an den Empfänger. Der kann mit den administrativen Dingen schon anfangen, bevor das Fahrzeug ankommt. Das verkürzt die Aufenthaltszeit des LKW. Der DM-Drogeriemarkt und Kaiser's Tengelmann wenden ein solches Verfahren an. Einen Vorschlag macht auch Dachser-Manager Krautwurst-Leister: "Einer der größten Hebel ist für uns der zweistufige Wareneingang: Zunächst wird gemäß Frachtvertrag die Vollzähligkeit und Unversehrtheit der Sendung auf Packstück-Ebene geprüft und quittiert und der Fahrer kann wieder losfahren. Im zweiten Schritt wird geklärt, ob die bestellten Artikel korrekt und vollzählig sind." Lob ernten bei Logistikdienstleistern zudem Yard-Management-Konzepte. Diese wurden vor einigen Jahren in der Industrie entwickelt und sorgen dafür, dass die Ankunft des LKW und die Entladung entkoppelt werden. Der Fahrer stellt die Wechselbrücke oder den Trailer auf einem Stellplatz ab, nimmt einen leeren Behälter auf und fährt weiter zur nächsten Ladestelle. Ein Vorholteam bringt den Behälter dann zur Entladung, wenn Kapazitäten frei sind. Das klingt genial und steigert die Produktivität des LKW. Allerdings fallen bei der Industrie oder beim Handel Zusatzkosten für das Vorholteam und den Abstellplatz an. Unter dem Strich rechnen sich Yard-Management-Konzepte in vielen Fällen. Öffnungszeiten sind zu unflexibel Ein Konfliktherd sind die Öffnungszeiten der Rampen. Aus Kostengründen wollen Ver- und Entlader diese eher knapp halten. Die Spediteure wünschen sich lange Öffnungszeiten, um möglichst flexibel disponieren zu können. Ein Kompromiss könnte die im Handbuch vorgeschlagene Flexibilisierung sein: "Unsere Wareneingangsrampen sind üblicherweise von Montag bis Freitag zwischen 5 Uhr und 15.30 Uhr geöffnet", sagt Volker Graumann, Geschäftsleiter des Handelshofs Köln. In Feiertagswochen oder bei Sonderverkaufsaktionen würde der Wareneingang flexibel länger geöffnet - in der Regel von 4 bis 17 Uhr. Grundlage für solche Entscheidungen können übrigens Daten aus den ZMS werden: Mercareon plant ab Juli ein neues Auswertungsmodul und die dynamische Berechnung der Verladezeit, mit der sich die Länge von Zeitfenstern besser bestimmen lässt. Einig sind sich alle in der Studie und von der VerkehrsRundschau befragten Praktiker in einem Punkt: Wichtigster Baustein für eine funktionierende Rampe ist die Kommunikation: Spediteure möchten rechtzeitig über Änderungen der Öffnungszeiten und aktuelle Abfertigungsprobleme informiert werden. Verlader wünschen sich zeitnahe Informationen über Verspätungen. Vielleicht trägt dazu eine Anwendungsempfehlung der Standardisierungsorganisation GS1 bei, die noch in diesem Jahr herauskommen soll. An ihrer Entwicklung haben neben Industrie- und Handelslogistikern auch Speditionsunternehmen wie Dachser mitgewirkt. Top-10-Ranking Noten für die Lösungsansätze zu den Rampenproblemen Die Autoren der Studie "Schnittstelle Rampe - Lösungen zur Vermeidung von Wartezeiten" haben Lösungsansätze zusammengetragen, die die Abläufe an den Laderampen verbessern sollen und diese durch Praktiker bewerten lassen (Skala von 1 bis 4). Hier das Ranking der besten zehn Maßnahmen:1. Ausweitung der Rampenöffnungszeiten (3,13)2. Optimierung der gesamten Lieferkette, also aller Prozesse von der Bestellung bis zur Entladung (3,13)3. Einrichtung von Expressrampen für kleine Anlieferungen und Stückgutpartien (2,98)4. Belegloser Wareneingang: Vorabübermittlung der Ladungsdaten vom Versender zum Empfänger und somit Verkürzung der Abfertigungszeit (2,80)5. Optimierung durch LKW-Avisierung: Die Rampenmanager bekommen beispielsweise per Telematiksystem Nachrichten über Verspätungen und können umdisponieren (2,79)6. Optimierung der Infrastruktur: Schaffung von LKW-Stellplätzen in Rampennähe und Rangierflächen sowie Lagerflächen an Laderampen (2,69)7. Flexibles Zeitfenstermanagement: feste Zeitfenster für wiederkehrende Sendungen und Buchungen von flexiblen Zeitfenstern etwa von 10 bis 11 Uhr, innerhalb derer die LKW nach Reihenfolge des Eintreffens abgefertigt werden (2,68)8. Einführung von sozialen und technischen Mindeststandards für Rampenbetreiber (2,62)9. Verbesserung des Zugangs zu sanitären Einrichtungen vor Ort für LKW-Fahrer (2,52)10. Verwendung von Zeitfenstermanagementsystemen (2,49) hel Sofortmassnahmen Tipps für Problemrampen- Engpassanalyse: Worin liegen die Abfertigungsprobleme? Als Problemauslöser kommen mehrere Faktoren infrage: Zu geringe Zahl der Rampen, ausgeprägte Anliefer- und Abholpeaks, zu wenig Entladepersonal, Zeitverlust durch Nebenprozesse an der Rampe (Palettentausch). Jeder dieser Engpässe erfordert spezifische Gegenmaßnahmen.- Bedarfsgerechte Öffnungszeiten: Gerade wenn die Zahl der Rampen aus baulichen Gründen begrenzt ist, lassen sich zusätzliche Kapazitäten über die Öffnungszeiten schaffen. Durch Gespräche mit Lieferanten und Spediteuren ist sicherzustellen, dass diese genutzt werden.- Zeitfenstermanagement einführen: Dadurch lassen sich Spitzen glätten und die Planbarkeit des Einsatzes von Entladepersonal steigern. Allerdings funktioniert dies nur, wenn genügend Zeitfenster für den Umschlagsanfall zur Verfügung stehen. Relativ neu sind dynamische Zeitfenster. Statt eines starren Ankunftszeitpunktes wird ein Zeitfenster vorgegeben. Das federt kleinere Verspätungen ab - zum Beispiel aufgrund von Staus.- Nebenprozesse verlagern: Die Vorabsendung der Ladungsdaten und das Verlagern des Palettentausches weg von der Rampe beschleunigen die Abfertigung und schaffen zusätzliche Kapazitäten. Nicht akzeptabel ist es, wenn sich die LKW-Fahrer in eine weitere Schlange für den Palettentausch einreihen müssen - dann ist es besser, dem Fahrer einen Palettenschein mitzugeben.-. Kommunikation verbessern: Das gilt für Transportunternehmer und Rampenbetreiber gleichermaßen. Die Meldung von Verspätungen sollte selbstverständlich sein - ebenso die Avisierung von Verzögerungen an der Rampe.- Profis einsetzen: Auch das gilt für beide Seiten: Wer Fahrer schickt, die weder die notwendigen Sprach- und Prozesskenntnisse haben, darf sich als Transporteur nicht wundern, wenn es deutlich länger dauert. Auch höfliches und gut geschultes Rampenpersonal verbessert die Situation.- Expressrampen anbieten: Stundenlang auf das Entladen von ein bis zwei Paletten zu warten - das ist nicht zumutbar. Für Klein- und Sammelgutsendungen können Expressrampen geschaffen werden, die auch aus dem Zeitfenstermanagement herausgenommen werden können.- Handbuch lesen: Das Handbuch des Ministeriums und der Schlussbericht der Studie sind eine Lektüre wert. Es steht zum kostenlosen Download auf der Homepage des BMVI zur Verfügung. hel

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