Transfrigoroute-Branchendialog: Im Kreis drehen

In Kürze Die Transfrigoroute Deutschland nutzte ihre Mitglieder-versammlung Ende April für einen breit angelegten Branchendialog mit über 200 Teilnehmern. Bestimmendes Thema war die CO2-Reduzierung bei Zugmaschinen und Trailern. Will man die Stimmung der Logistik-branche aktuell in einem einzigen Satz zusammenfassen, so macht man das am besten mit einer Aussage von Manfred Schuckert, Leiter Emissionen und Sicherheit bei Daimler Truck: "Wir hatten gedacht, dass die Kommission etwas Vernünftiges vorlegt ...". Immer mehr geht die Lust verloren Auf keiner Veranstaltung vorher war so oft aus den Reihen der Zuhörer zu vernehmen, dass man keine Lust mehr hätte, angesichts der nahenden CO2-Maut und der damit verbundenen Belastungen. Dabei sei die Branche willens, die gesetzten Klimaziele zu realisieren -wenn denn die Rahmenbedingungen passen würden. Schuckert, seines Zeichens Leiter der Regulierungs- und Wasserstoff-Strategie bei Daimler Truck, spricht deshalb im Hinblick auf die von der EU gesetzten Anforderungen von einer "Regulierungsflut". "Wir müssen bis 2030 eine hohe fünfstellige Zahl an Null-Emissions-Fahrzeugen auf den Markt bringen, um die Klimaziele zu erreichen", so der Daimler-Experte. Schuckert rechnet vor, dass der Energiebedarf der aktuellen Dieselflotte auf dem Niveau der gesamten deutschen Stromproduktion läge - "allerdings sind E-Trucks natürlich effizienter", sagt er. Trotzdem sei es natürlich eine enorme Energiemenge, die man zusätzlich erzeugen müsste, um die deutschen und europäischen Lkw-Flotten elektrisch zu betreiben. Mit einem zu erwartenden Energiegefälle zwischen Nord und Süd begründet Schuckert auch die Notwendigkeit von Brennstoffzellen-Lkw. Es gäbe wohl nicht ausreichend Strom, um in Bayern oder Baden-Württemberg alle Lkw mit Batterien anzutreiben. Probleme bei Infrastruktur und Euro 7 Als großes Problem, das schnell gelöst werden muss, sieht Daimlers Vorausdenker den aktuellen Stand bei der Tank-und Ladeinfrastruktur. Hier kann er keinen Zusammenhang zwischen den Dekarbonisierungszielen der EU und dem Vorhandensein von Ladesäulen oder H2-Tankstellen erkennen. Eine weitere Herausforderung schafft die EU mit der Einführung von Euro 7. Hier fehle es laut Schuckert aktuell unter anderem an einer Sensorik, welche die extrem scharfen Grenzwerte überhaupt messen kann. Zudem würden unterschiedliche Betrachtungsweisen bei Zero-Emissions-Lkw zu unterschiedlichen Einschätzungen über mögliche CO2-Einsparungen führen. Schuckert ist sich sicher, dass es künftig nicht mehr den einen Antriebsstrang geben wird. "Nur die Kombination der Batterie-Elektrik und des wasserstoff-basierten Antriebsstrangs ermöglicht uns, die Zukunft der Logistik so sicherzustellen, dass vernünftige Kundenlösungen das Ergebnis sind." Das würde allerdings für die Branche heißen, dass bis 2030 rund 80 Prozent der neu zugelassenen Lkw Null-Emissions-Fahrzeuge sein müssen. Betrachtet man jedoch die aktuellen Szenarien - und davon spricht Schuckert nicht - sind vor Ende 2024 kaum batterieelektrisch betriebene Lkw serienreif, vor 2027 keine Brennstoffzellen-Lkw. Von fehlender Infrastruktur gar nicht erst zu sprechen. "Es ist ein langer Weg", sagt Schuckert am Ende seiner Betrachtungen. Verkehrsleistung der Straße wird zulegen In die von ihm geäußerten Bedenken passen auch die Ausführungen von Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Während die Binnenschifffahrt stagniere, betrage die prognostizierte Steigerung der Verkehrsleistung der Bahn bis ins Jahr 2050 etwa 33 Prozent, die des Straßenverkehrs 54 Prozent. Weil aber Massengüter - allen voran Kohle, Koks und Mineralölprodukte - künftig drastisch zurückgehen, wird sich der Modal-Split-Anteil der Straße laut Engelhardt auf 77,5 Prozent erhöhen, während der Anteil der Schiene auf 17,3 Prozent sinkt. Trotz der von der Politik immer wieder geübten Verteuerung des Straßengüterverkehrs war laut dem BGL-Chef nie eine Lenkungsfunktion in Richtung Schiene erkennbar. Ganz im Gegenteil: Die Verkehrsleistung der Straße sei von 1950 bis 2021 von rund 20 auf über 70 Prozent gestiegen. "Insofern ist eine Lenkungswirkung der geplanten Öko-Maut für mich mehr als fraglich", so Engelhardt im Branchentalk. Um E-Mobilität wirklich leben zu können, fehlen nach Erhebungen des BGL die so wichtigen Mega-Charging-Ladepunkte. Die vorhandenen knapp 7050 Pkw-Ladestationen mit 150 bis über 300 kW seien für Lkw nur bedingt geeignet. Die mangelhafte Verfügbarkeit der Fahrzeuge in Kombination mit fehlender Ladeinfrastruktur dürften auch die Gründe dafür sein, dass im Januar dieses Jahres gerade einmal 173 Lkw mit mautbefreiter Antriebstechnik registriert waren - bei insgesamt 800.000 (!) zugelassenen Lkw über 7,5 Tonnen. Engelhardt rechnete vor, dass Deutschland alleine für den Strombedarf des Straßengüterverkehrs über 55.000 Windkraft-Anlagen bauen müsste, für den gesamten Verkehrssektor knapp 188.000. Mit der von der EU als klimaneutral eingestuften Kernspaltung wären es 18 respektive 61 Kernkraftwerke, die man in Deutschland zusätzlich benötigen würde - wobei dort die Basis neuerdings ja bei Null liegt. Dem Argument, "Güter auf die Bahn" hält Engelhardt entgegen, dass nur etwa acht Prozent der von deutschen Lkw transportieren Waren weiter als 300 Kilometer unterwegs sind und dies die Grenze für einen Klimavorteil der Schiene sei. ATP, F-Gas und E-Trailer Die Aussichten, die Klimaziele im Straßengüterverkehr mit den aktuellen Plänen aus Berlin und Brüssel zu erreichen, sind also alles andere als rosig. Und das vor dem Hintergrund, dass Transport- und Logistikunternehmen hohes Interesse an der neuen Technik haben - insbesondere auch an E-Trailern (s. Kasten S. 27). Doch auch in diesem Fall gilt, dass die Hersteller mit ihrer Technik viel weiter sind, als es die Zulassungsregularien der EU erlauben. Dort ist ein Sattelauflieger ein antriebsloses Fahrzeug. Somit sind, Stand heute, auch keine antreibenden E-Achsen erlaubt. Das Thema Trailer und Transportkälte beschäftigte beim Branchendialog Andreas Schmid, Vorsitzender des Industrie-Ausschusses der Transfrigoroute Deutschland (TF). Laut Schmid ist die ausstehende 18. ATP-Veränderungsverordnung zur Durchführung beim Bundestag eingereicht. Abseits davon hat die TF in Zusammenarbeit mit dem Bundesverkehrsministerium und den ATP-Fachgruppen ein Glossar für die vereinfachte Übersetzung zukünftiger ATP-Texte, Erläuterungen und Begrifflichkeiten entwickelt. Leise Logistik Zum Thema F- (fluorierte) Gase berichtete Schmid, dass die Änderung der EU-Richtlinie 2019/1937 sowie die Aufhebung der EU-Richtlinie 517/2014 beschlossen ist, was speziell ab 2024 einer deutlichen Verschärfung gleichkommt. "Immerhin haben wir erreicht, dass die Transportkälte künftig eigenständig betrachtet wird." Aktuell steht eine einheitliche Definition von "geräuscharm" im Bereich der Logistik aus - ähnlich wie das PIEK-Verfahren in den Niederlanden. Dazu läuft aktuell ein Normungsverfahren in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW. Darf's noch mehr sein? Weitere Informationen zur Mitgliederversammlung der Transfrigoroute finden Sie auch auf unserem Profiportal VerkehrsRundschau plus. Dort sind Präsentationen von Trailer Dynamics, Schmitz Cargobull, ZF, Daikin, Frigoblock und Trane Technologies abgelegt, die diese beim Branchendialog Transportlogistik vorgestellt haben. www.verkehrsrundschau.de/plus/transfrigoroute E-Trailer und elektrische Transportkälte Trane Technologies prognostiziert, dass 2030 bis zu 50 Prozent aller Kühlgeräte elektrifiziert sind. Beispiele waren der E-Actros mit Frigoblock-Aggregat sowie "Axle Power", eine Kooperation von Frigoblock und BPW im Bereich Satteltiefkühler. (www.tranetechnologies.com/) Als relativ neuer Player im Markt der Transportkälte präsentierte sich Daikin, mit einem Produktportfolio vom kleinen Transporter (Zanotti) bis zum Sattel-Tiefkühlauflieger. (www.daikin.de). ZF zeigte beim Branchendialog den letzten Stand des voll vernetzten E-Trailers, der im nächsten Jahr als Prototyp verfügbar ist. (https://press.zf.com/press/de/media/media_20052.html) Schmitz Cargobull kombiniert ebenfalls eine elektrische Kältemaschine mit einer E-Achse und nennt den Trailer "FULLe". (www.cargobull.com/de/presse/2020/elektronische-mobilitaetskonzepte) Grosskopf zeigte "Ecooltec", eine neue, umweltfreundliche Transport- kälteanlage. (https://ecooltec.com/) Die Lösung von Krone heißt "Trailer Dynamics" und kombiniert E-Achse mit elektrischer Transportkälte-Anlage sowie sensorischer Echtzeit-Steuerung für Antriebsleistung im King-Pin. Das Ergebnis: eine signifikante Reduzierung des Dieselverbrauchs der Zugmaschine. (www.trailerdynamics.de) Statement: Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) e.V. Flüsterlogistik: Zauberformel für die Attraktivität der Innenstädte Geräuscharme, leise, stille oder Flüsterlogistik klingen wie Zauberformeln für die vielen Herausforderungen der Ver- und Entsorgung von Innenstädten. Denn die Potenziale und Chancen leiser Logistik sind weit umfangreicher, als es auf den ersten Blick vermuten lässt: Für die City-Logistik mit geräuschreduzierten, gegebenenfalls elektrisch angetriebenen Fahrzeugen, Nebenabtrieben und entsprechendem Equipment können im wahrsten Sinne des Wortes neue und leise Zeiten anbrechen, wenn Lieferfahrten anstatt wie bisher lediglich tagsüber, dann auch am frühen Morgen, am späten Abend oder sogar nachts durch-geführt werden können. Die Reduzierung der Lärm-Emissionen eliminiert dabei nicht nur einen wesentlichen Störfaktor im sensiblen innerstädtischen Miteinander - anerkanntermaßen ist Lärm eine Umweltbelastung und beeinträchtigt die Gesundheit von Menschen. Leise Warenverteilung schafft auch eine Entlastung der Verkehrsströme, eine positivere Wahrnehmung der Transportlogistik in der Öffentlichkeit sowie eine erheblich entspanntere Fahrsituation (weniger Staus und Parkplatz-Probleme). Was in anderen Ländern wie Spanien oder den Niederlanden bereits engagiert vorangetrieben wird, ist aus Sicht des BWVL und seiner Mitgliedsunternehmen als Verlader insbesondere mit Werkverkehr in Deutschland jedoch eher unterentwickelt. Dabei könnten sich Handel und Logistik durchaus mit einem Gütesiegel nach Vorbild des niederländischen PIEK-Zertifikats für die Versorgung der Innenstädte zu Nachtzeiten qualifizieren. Das Problem liegt im fehlenden regulatorische Rahmen. Die Handlungsverantwortlichen - insbesondere die Kommunen - sind gut beraten, Rahmenbedingungen für Flüsterlogistik zu schaffen - nicht nur im Wettbewerb mit dem Onlinehandel und den Angeboten auf der grünen Wiese! Mehr unter: www.bwvl.de

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