Tirol zieht die Zügel an

Markus Gschwendtner ist nicht gut auf die Tiroler und deren Maßnahmen zur Verringerung des Lkw-Transitverkehrs zu sprechen. Seit mehr als 60 Jahren fährt das Unternehmen Josef Gschwendtner über den Brenner nach Italien. 85 Prozent seines Geschäftes entfallen auf Italienverkehre. Vier Stunden statt sonst eine halbe "Wir sind gleich mehrfach betroffen", sagt der Geschäftsführer. Der Sitz des Unternehmens ist Kiefersfelden, also direkt an der Autobahn zum Brenner gelegen, wo sich die Lkw auf deutscher Seite kilometerlang stauen, wenn mal wieder eine Blockabfertigung ist. "Von Rosenheim aus benötigen die Fahrzeuge zu unserem Lager je nach Länge der Staus bis zu vier Stunden statt sonst gut eine halbe Stunde", klagt Gschwendtner. Zwar befindet sich der Unternehmenssitz von Gschwendtner direkt an der österreichischen Grenze. Doch seine Kunden sitzen nicht in unmittelbarer Nachbarschaft, so dass seine Lkw auch die A 93 ab Rosenheim nutzen und damit im Stau stehen. Josef Heiß, Geschäftsführer der Spedition BTK in Rosenheim, ist ebenfalls von der Blockabfertigung betroffen. Zwar fährt BTK nicht nach Italien, dafür beliefert der Dienstleister mit etwa 20 Fahrzeugen täglich Kunden in Österreich. "Wir versuchen, die Tage mit Blockabfertigungen so gut es geht zu vermeiden. Aber das geht natürlich nicht in Gänze", sagt Heiß. Er gibt zu bedenken, dass neben dem Zeitaufwand ein erhöhter Dispositionsaufwand anfällt. "Wir gehen davon aus, dass uns an so einem Tag Zusatzkosten pro Tour von 100 bis 150 Euro entstehen", schätzt Heiß. Die Kunden von BTK in Österreich seien zwar nicht begeistert, kennen aber die Problematik und würden immerhin zum Teil die Mehrkosten übernehmen. Gschwendtner hingegen hat nicht so viel Glück mit seinen Kunden. Auf den Mehrkosten bleibt er in der Regel sitzen. Er erhält als Reaktion vielmehr Aussagen wie: "Du kommst zu spät und dafür soll ich auch noch mehr bezahlen?" Die Blockabfertigungen sorgen nicht nur für zusätzlichen Aufwand: "Pro Fahrzeug sind es dann weniger Touren am Tag und damit weniger Einnahmen", beklagt er. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Das Land Tirol hat die Zahl der Tage mit Blockabfertigungen für das erste Halbjahr 2019 bekannt gegeben (siehe Kasten Seite 22). Mit 17 Tagen ist es ein Tag mehr als im ersten Halbjahr 2018. Vor allem der Mai und Juni drohen so richtig happig zu werden. Dann lässt die Polizei an 13 Werktagen maximal nur 300 Lkw pro Stunde Richtung Innsbruck passieren. Hinzu kommen in den Monaten zahlreiche Feiertage wie Pfingsten, Fronleichnam und Christi Himmelfahrt. Aus Sicht von Gschwendtner ist ein großes Problem, dass die Staus bei Blockabfertigungen "nicht kalkulierbar" sind. Es gebe Tage, da verursache die Maßnahme geringe Staus, wobei das die Ausnahme sei. Und an anderen Tagen stauen sich die Lkw mehr als 30 Kilometer bis zum Autobahndreieck Inntal auf die A 8 hinaus. Alternativen dazu gebe es nicht. Von Rosenheim über die Tauernautobahn nach Verona zu fahren sei "ökologisch und ökonomisch Unsinn". "Mag sein, dass es für Lkw aus dem Ruhrgebiet oder dem Norden andere Wege gibt, die sich lohnen: Für uns nicht", so der Unternehmer. Tiroler fordern eine Korridormaut Die Tiroler planen weitere Maßnahmen, um den Transitverkehr einzuschränken. Im Oktober 2018 hat der Tiroler Landtag einstimmig einen Dringlichkeitsantrag zu weiteren Verkehrsmaßnahmen zur Entlastung der Tiroler Bevölkerung angenommen. Darin wird neben den bereits beschlossenen Blockabfertigungen eine Korridormaut von München nach Verona gefordert. Außerdem sollen das sektorale Fahrverbot auf weitere Güterklassen ausgedehnt werden und die Ausnahmen für Euro-VI-Lkw entfallen. Letzteres ist auch für das Nachtfahrverbot geplant. Einzelheiten, wann diese Maßnahmen umgesetzt werden oder welche weiteren Gütergruppen unter das sektorale Fahrverbot fallen sollen, diese und weitere Fragen der VerkehrsRundschau ließ das Land Tirol leider unbeantwortet. Spediteur Heiß fordert von den Tirolern mehr Alternativen zum Schutz der Bevölkerung. "Ich vermisse auch Maßnahmen zur Förderung alternativer Antriebe wie gasbetriebene Lkw", wundert sich Heiß. Dass es dafür keine Infrastruktur gibt, sieht er nicht als eine unüberwindbare Hürde an. Entlang einer Transitstrecke entsprechende Tankstellen zu errichten, sei viel lohnender und einfacher als in der Fläche. "Das ist sicher keine Maßnahme, die sich kurzfristig umsetzen lässt. Aber langfristig wäre das hilfreich", sagt Heiß. Gschwendtner verweist auf eine andere Maßnahme, mit der sich der Verkehr in Tirol verringern ließe: "Warum erhöhen die Österreicher nicht die Mineralölsteuer?", fragt er. Nicht nur viele Pkw aus Oberbayern würden zum Tanken über die Grenze fahren. Auch für Transportunternehmen ist die Brennerroute ein Argument, weil man in Österreich günstig tanken könne. Zudem müsse man sich bei einer Korridormaut mit Italien und Deutschland einigen, was er als problematisch ansieht. Gschwendtner wünscht sich von der EU und der deutschen Politik ein härteres Vorgehen gegen die Blockabfertigungen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Blockabfertigungen mit EU-Recht vereinbar sind", sagt der Unternehmer und zeigt kein Verständnis für die Tiroler Politik: "Wir wollen den freien Warenverkehr in Europa. Da sind die Maßnahmen Tirols doch keine Lösungen im 21. Jahrhundert." Doch eine Klage dagegen ist schwierig, solange sich die Kommission sperrt, wie der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) der VerkehrsRundschau erklärt (siehe Interview). Anders ist die Lage hingegen bei Verschärfungen des Nachtfahr- und des sektoralen Fahrverbots: "Ich halte die reine Begrenzung des Lkw-Verkehrs für nicht vereinbar mit dem EU-Recht, weil es im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auch andere Maßnahmen gibt", lautet dazu die Einschätzung von Ferber. Bislang sei, so der EU-Abgeordnete, beim sektoralen Fahrverbot immer Verlass auf die EU-Kommission gewesen. Die bestehenden Regelungen habe die Kommission akzeptiert, aber eine weitere Verschärfung sei von ihr immer abgelehnt worden. "Daher gehe ich davon aus, dass auch dieses Mal dieses Vorhaben der Tiroler zum Scheitern verurteilt ist," sagt Ferber. So würde dem Transportgewerbe zumindest diese Hürde erspart bleiben. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Alpentransit www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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