Berlin. Vertrauliche Tarifgespräche zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL sind am Wochenende gescheitert. Das teilte die Bahn am Montag in Berlin mit. Die GDL-Spitze habe die Gespräche „kurz vor Unterzeichnung einer Lösung” völlig überraschend platzen lassen, hieß es. Zuvor hätten beide Seiten ein neues Verfahren entwickelt. Dadurch sollte die GDL laut Bahn einen eigenständigen Tarifvertrag für Zugbegleiter erhalten. Gleichzeitig sollte die Regelung die Kollision von zwei unterschiedlichen Tarifverträgen für eine Berufsgruppe vermeiden.
Entscheidung über neue Streiks
Am heutigen Montag will die GDL laut „Bild”-Zeitung in ihren Gremien bis zum Nachmittag über weitere Streiks entscheiden. Die im Tarifkonflikt von der GDL ausgerufene Streikpause lief Sonntagnacht aus. Im Gespräch sei demnach ein Ausstand von bis zu 91 Stunden, schreibt „Bild”.
GDL tritt in Tarifkonkurrenz zur EVG
Die GDL will neben einem Lohnplus und kürzeren Arbeitszeiten für die Lokführer auch erreichen, dass sie für das gesamte Bordpersonal wie Zugbegleiter, Bordgastronomen und Disponenten mitverhandeln darf. Sie will damit gegen den Willen der Bahn in Tarifkonkurrenz zur größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG treten, deren Tarifverträge bislang die Zugbegleiter mit umfasst haben. Zuletzt hatten die Lokführer vom 17. bis 20. Oktober insgesamt 50 Stunden lang gestreikt - ausgerechnet am Wochenende und zum Start der Herbstferien in vielen Bundesländern.
Die EVG bot der Konkurrenz von der GDL erneut gemeinsame Verhandlungen an. „Kommt in die Verhandlungskommission und lasst uns gemeinsam mit der Bahn verhandeln. Davon profitieren alle unsere Mitglieder”, warb der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner im „Focus”.
Das Vorgehen der GDL schadet nach Ansicht von IG-Metall-Chef Detlef Wetzel den Gewerkschaften insgesamt. „Zuständigkeit zu reklamieren, obwohl einem die Mitglieder fehlen - das ist der Tod der Gewerkschaftsbewegung”, sagte Wetzel dem „Spiegel”. Er halte es für legitim, dass die GDL für Lokführer zuständig sei, weil sie dort die Mehrheit habe. „Aber wie die GDL in anderen Bereichen nicht die Mehrheit zu haben und sich trotzdem für zuständig zu erklären, das ist undemokratisch”, so der IG-Metall-Vorsitzende.
Bahn muss um Kunden bangen
Die Deutsche Bahn verliert bei den Lokführerstreiks Millionen und muss auch langfristig um Kunden bangen. So hatten Fernbusunternehmen von steigender Nachfrage berichtet. Im Güterverkehr hatten während der jüngsten Streiks Autohersteller Transporte auf LKW verlagert. „Durch die Streiks gab es mehr zu tun”, bestätigte der Hauptgeschäftsführer des Güterkraftverkehrsverbandes BGL, Karlheinz Schmidt.
„Wenn die Bahn sich auf längere Sicht als unzuverlässig erweist, wird die Industrie sicher Konsequenzen ziehen. Dann wäre es möglich, dass Transporte dauerhaft von der Schiene auf die Straße verlegt werden.” Eine Bahn-Sprecherin sagte der dpa dazu, es sei zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, um über Auswirkungen zu spekulieren. (dpa/sno)