Stückgutlogistik: Rein ins Licht

"In der öffentlichen Wahrnehmung führt die Stückgutlogistik eine Art Schattendasein", sagt Dirk Lohre, Professor für logistische Dienstleistungen an der Hochschule Heilbronn sowie Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums Forlogic in Frankfurt am Main. Gerade weil die Stückgutlogistik letztlich so geräusch- und reibungslos funktioniere, werde sie trotz ihrer hohen Bedeutung für die unterschiedlichsten Wirtschaftsbereiche auch in der Politik kaum wahrgenommen. Mehr Transparenz im System Sammelgut Mit der neuen Studie "Stückgutlogistik in Deutschland" von DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, Forlogic und der Hochschule Heilbronn will man deshalb nun laut Lohre einerseits Verständnis für die komplexen Abläufe der Stückgutspeditionen, aber auch für ihre ökologische und ökonomische Vorteilhaftigkeit wecken. Kernthemen der Untersuchung sind unter anderem die Prozesse, das Marktvolumen, die Herausforderungen und erste Einschätzungen zu künftigen Entwicklungen des logistischen Spezialsegments (siehe S. 34). Für die Studie wurden von Oktober 2019 bis November 2020 repräsentative Daten bei 149 Depots verschiedener Systemnetzbetreiber erhoben, Sendungsströme analysiert und Experteninterviews geführt. Ziel sei es gewesen, erklärt Lohre, die Zusammenhänge bewusst unter normalen Bedingungen zu erheben und generelle Herausforderungen und Entwicklungen an das Marktsegment darzustellen. Eine "Corona-Studie" als Momentaufnahme mit den Zahlen und Herausforderungen der Pandemie habe man explizit nicht gewollt. Die Studie berücksichtige aber Entwicklungen, die durch Corona einen Schub erhielten und sich wohl auch künftig halten werden. Bündelung sorgt für mehr Ökologie Was den Stückgutmarkt so besonders macht, erklärt Ingo Hodea, Leiter Stückgut- und Systemlogistik sowie Straßenverkehrsrecht beim DSLV, so: "In kaum einem anderen logistischen Teilsegment wird das ökonomische und ökologische Potenzial der Prozessorganisation deutlicher als in der Stückgutlogistik." So führe die Bündelung von heterogenen Sendungen nach Größe, Gewicht und Inhalt auf allen Ebenen der dreigliedrigen Transportketten in den Systemnetzen nicht nur zu einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Optimierung der System- und Fahrzeugauslastung, sondern etwa auch zu deutlich weniger Umweltbelastungen. Weitere Besonderheit sei die Marktstruktur. So wird das Stückgutgeschäft nach wie vor von mittelständischen Speditionskooperationen geprägt - abgesehen von wenigen Konzernlogistikern, die aufgrund ihrer Unternehmensgröße eigene Netze bilden. Analog wie die KEP-Branche stieg auch in der Stückgutlogistik das B2C-Geschäft während der Corona-Krise sprunghaft an - um plus 61 Prozent. 17 Prozent des Gesamtsendungsvolumens in der Stückgutlogistik gehen laut Studie mittlerweile an Endkunden (B2C). Im Gegensatz zur KEP-Branche bewegen die Stückgutspeditionen deutlich höhere Sendungsgewichte. So liegt laut Studie das durchschnittliche Bruttosendungsgewicht bei 325 Kilogramm und kann bis zu 2500 Kilogramm (in Spitzen bis 3000 Kilogramm) betragen. Dies mache folglich im Stückgutgeschäft, erläutert DSLV-Referent Hodea, den Einsatz größerer und schwererer Zustellfahrzeuge als in der KEP-Branche notwendig. So werden in den Abhol- und Zustelltouren überwiegend Fahrzeuge von zwölf bis 18 Tonnen eingesetzt. Alternative Lieferkonzepte wie die Einrichtung von Mikrodepots oder der Einsatz von Lastenfahrrädern würden angesichts der Sendungsgrößen ausscheiden und seien daher keine Lösung für kapazitätsbedingte, innerstädtische Lieferprobleme. Fachkräftemangel ist größtes Problem Das derzeit größte Problem in der Stückgutlogistik ist - wie überall in der Logistikbranche - laut Hodea der Personalmangel. Gut 111.000 kaufmännisch und gewerblich Beschäftigte arbeiten in Deutschland in der Systemlogistik. Angesichts der Wachstumsprognosen - 130 Millionen Sendungen jährlich sind nicht unwahrscheinlich - sei der Fachkräftebedarf also hoch. Gleichzeitig bleibe der Markt saisonal volatil. Auftragsspitzen ließen sich nur durch einen flexiblen Personaleinsatz abfedern. "Gleichrangig herausfordernd dürfte der Umstieg auf emissionsfreie Nutzfahrzeugtechnologien als Beitrag zur Klimaneutralität des Verkehrs werden", urteilt Hodea. Darüber hinaus müssten sich die Stückgutunternehmen der steigenden Verkehrsbelastung in den Städten (ihr Anteil an der Verkehrsleistung in den Städten liegt laut Studie bei rund fünf Prozent) und immer engeren Zeitfenstervorgaben der Versender und Empfänger stellen. Zudem führe erzwungenes Halten in zweiter Reihe in Städten zu zusätzlichen Behinderungen des Verkehrsflusses. "Der Lieferverkehr braucht deshalb dringend mehr ausgewiesene Be- und Entladezonen", fordert Hodea. Gute Chancen dank Digitalisierung Die gute Nachricht ist: Die Digitalisierung birgt für die Unternehmen laut Hodea deutlich mehr Chancen als Risiken. So wachse der Digitalisierungsgrad in der Stückgutlogistik kontinuierlich. Schon heute erfolge der Datenaustausch in den Netzen größtenteils mithilfe von Cloud-Technologien, die Sendungsabwicklung ist papierlos und Fahrzeuge sind über Bordsysteme digital vernetzt. Weitere Impulse erwarten die Systemlogistiker vor allem durch Big Data. In Kürze Verständnis in der Politik für die Prozesse in der Stückgutlogistik wecken, will eine neue Studie des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik in Zusammenarbeit mit Forlogic und der Hochschule Heilbronn. Kernthemen sind die Prozesse, das Marktvolumen, die Herausforderungen sowie Einschätzungen zu künftigen Entwicklungen des logistischen Spezialsegments. Definition Stückgutlogistik Was sich konkret hinter Stückgutlogistik verbirgt, definiert die neue DSLV-Studie wie folgt:"Im Rahmen der Stückgutlogistik (auch: Systemlogistik oder Sammelgutverkehr) werden in speditionell betriebenen Systemnetzen Sendungen verschiedener Versender in Rundläufen mit überwiegend mittelschweren Nahverkehrsfahrzeugen in definierten Regionen eingesammelt. Anschließend werden sie in Umschlagdepots und Hubs nach Verkehrsrelationen sortiert, konsolidiert und zu größeren Lkw-Ladungen gebündelt. Im Anschluss an den Hauptlauf über längere Strecken zwischen zwei Depots werden die Ladungen am Zielort im Empfangsdepot getrennt und die einzelnen Sendungen den Empfängern mit Nahverkehrsfahrzeugen zugestellt (dreigliedrige Transportkette). Die Hauptläufe zwischen den Umschlagdepots erfolgen meist nachts nach getakteten Fahrplänen mit großen Lkw-Einheiten. (. . .) Die Sendungsgrößen der überwiegend palettierten und verpackten Waren variieren von 30 Kilogramm bis 2500 Kilogramm (in Spitzen bis 3000 Kilogramm) und bewegen sich damit zwischen dem Kurier, Express und Paket (KEP)-Segment und dem Teilladungsverkehr. Das durchschnittliche Sendungsbruttogewicht liegt bei 325 Kilogramm. Komentar: VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa Kompliment! Zum ersten Mal haben die Macher der Studie „Stückgutlogistik in Deutschland“ das Segment der Stückgutlogistik in Deutschland vermessen. In akribischer Kleinarbeit haben sie im Zeitraum von Oktober 2019 bis November 2020 repräsentative Daten des Jahres 2019 bei 149 Depots verschiedener Systemnetzbetreiber erhoben, Sendungsströme analysiert und Experteninterviews geführt. Es ist höchste Zeit für eine solche Studie. Denn endlich wird gezeigt, was gerade gegenüber der Politik wichtig ist, was die Stückgutunternehmen tagtäglich für Industrie und Handel leisten. Selbst in Zeiten der Corona-Pandemie haben sie bewiesen: Die Ware kam trotz fallweise widrigster Rahmenbedingungen (Stichworte sind etwa pandemiebedingte Auflagen, abgerissene Lieferketten, Kapazitäten-Engpässe) nahezu immer sicher, zuverlässig und zu fairen Preisen an.

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