Stückgut: Wie teuer wird es?

Die Zahlen sind alarmierend und neuer Rekord: Um satte 45,86 Prozent sind in der Stückgutlogistik in der ersten Jahreshälfte 2022 im Schnitt die Treibstoffkosten gestiegen, um 10,27 Prozent die Sachkosten (etwa Paletten, Strom und Lkw) , um 3,84 Prozent die Personalkosten; lediglich die Mautkosten sind um 0,41 Prozent gesunken. Stückgutunternehmen sind im Dilemma Alles in allem sind die Sendungskosten in der Stückgutlogistik damit in den ersten sechs Monaten 2022 um 10,13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen - also nochmals stärker als in der zweiten Hälfte des Jahres 2021; da lag der Anstieg "lediglich" bei neun Prozent im Schnitt. Das zeigt der Kostenindex Sammelgutspedition, den der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik und Logistik-Professor Dirk Lohre von der Hochschule Heilbronn soeben veröffentlicht haben. Und in den vorliegenden Zahlen, so Lohre, seien noch nicht einmal die Personalkosten-Steigerungen enthalten, die die Stückgutspeditionen in der zweiten Jahreshälfte aufgrund der gestiegenen Inflation erwarten (siehe Kasten). Die spannende Frage ist also: Wie werden sich die Stückgutunternehmen positionieren? Werden sie ihre massiven Mehrkosten vollumfänglich an ihre Auftraggeber durchreichen? Oder hält sie die drohende Rezession, vor der Deutschland steht, davon ab? "Die Unternehmen sind da im Dilemma", weiß Marc Possekel, Geschäftsführer des Logistiknetzwerks Logcoop, aus Gesprächen mit Marktteilnehmern. Einerseits müssten die Spediteure jetzt einen satten Schluck aus der Pulle nehmen, formuliert er es, sprich die Preise deutlich anheben. Andererseits seien manche verhalten, weil sie um die Lage ihrer Kunden wissen, die fallweise schon in den Abgrund des Abschwungs blicken. "Fakt ist jedenfalls heute schon", sagt Possekel, "dass die Sendungsmengen unter Druck stehen." Ob dies dem Sommerloch geschuldet sei, oder aber ob dies schon der berühmte Knick nach unten sei, wisse noch keiner. Wie sich die Preise im Herbst gestalten, hängt also wesentlich davon ab, wie stark die Sendungen zurückgehen, meint er. "Sinken die Mengen ,nur' um fünf Prozent, steigen die Preise weiterhin. Sinken die Mengen deutlich stärker, setzt aufgrund des Wettbewerbsdrucks der Preisdruck im Stückgutmarkt wieder an." Raben: auf jeden Fall zweistellig Ewald Raben, CEO der Unternehmensgruppe Raben Group, weiß jedenfalls schon, was er tun wird. Er denkt sogar darüber nach, im deutschen Stückgutmarkt die Preise um elf bis 13 Prozent anzuheben. Auf jeden Fall zweistellig, betont Raben (siehe Interview Kasten). Auch ins Klagelied seiner Branchenkollegen will Raben nicht einstimmen: Das diesjährige Sommergeschäft sei zwar etwas schwächer gewesen als 2018 und 2019. "Das sind aber nicht erste Anzeichen einer Rezession", betont er, sondern liege daran, dass viele erstmals wieder in den Urlaub gefahren seien. "Ich halte es für gefährlich, wenn jetzt schon wieder viele von einem negativen Markttrend sprechen", warnt Raben. Zumal das Wachstum im deutschen Stückgutmarkt 2020 und 2021 überproportional hoch gewesen sei. Er spüre keine rückläufigen Auftragsvolumina, wenn er mit Kunden aus der Automobilindustrie oder der Lebensmittelbranche spreche. "Die Auftragsbücher sind voll - für die nächsten zwölf bis 18 Monate. Fallweise fehlen nur die Komponenten. Der Sammelgutmarkt wird also nicht kollabieren", ist er sich sicher, wenngleich er natürlich in Bewegung bleibe - vielleicht durch Übernahmen oder strategische Allianzen. Francesco de Lauso, Geschäftsführer der Stückgutkooperation CTL, ist da zumindest skeptisch. Er spricht aktuell sogar von "einem Totentanz des Stückgutmarktes", was die Sendungsvolumina angeht (minus drei/vier Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum) - zumindest im Monat August. Besonders das B2C-Volumen, das Geschäft an Endkunden, gehe deutlich zurück. Stand heute könne er aber nicht absehen, räumt de Lauso unumwunden ein, wie sich das im Herbst gestalte. "Kommt das Herbstgeschäft oder kommt es nicht?" Er befürchtet, dass die Materialund Energiekrise sowie Inflation weiter anhalten, vielleicht sogar bis ins Jahr 2024. Und so lange das so sei, würden die Hersteller weniger produzieren, mit entsprechend weniger Auftragsvolumen für die Spediteure. "Und das wird Einfluss auf die Preise haben", sagt de Lauso. Nichtsdestotrotz ist er sich sicher: "Die CTL-Partner gehen im Herbst in die Preisgespräche mit ihren Kunden mit der Zielsetzung von fünf bis zwölf Prozent (kundenabhängig) für das Jahr 2023." Das sei aktuell für jeden Spediteur ein Muss. Anders seien die aktuellen Mehrbelastungen einfach nicht zu schultern. "Eben aufgrund dieser Kostensteigerungen müssten wir - seriös gerechnet - im dritten Quartal unsere Preise im Stückgutgeschäft um mindestens zehn Prozent anheben", kündigt auch Reiner Kammels an, Geschäftsführer der Mäuler Gruppe in Remscheid, deren größtes Standbein die Gustav Mäuler Spedition ist und die im Sammelgutgeschäft eine Größe in etlichen Kooperationen ist. Ob er diese Preisanpassung aber mit breiter Brust fordern könne, bezweifelt er, auch wenn die Gustav Mäuler Spedition ein sehr partnerschaftliches Verhältnis zu Kunden habe. "Denn im Herbst werden die Bäume wohl nicht in den Himmel wachsen. Das Sendungsvolumen wird sich wohl eher rückläufig entwickeln." So gebe es derzeit viele Unwägbarkeiten wie etwa das abflauende Konsumverhalten, was sich schon in der Konsumgüterbranche beispielsweise bei Handelsgütern zeige. Aber auch die anhaltenden Material- und Bauteil-Engpässe würden die Entwicklung in der Automobilbranche und anderen Industrien dämpfen. Außerdem kämpfe die Stückgutbranche mit Kapazitäts- und Laderaumproblemen, insbesondere auf europäischen Relationen und im Bereich größerer Stückgüter. Dass das alles erste Vorboten einer nahenden Rezession in Deutschland sind, glaubt Jörn Peter Struck, Geschäftsführer der Cargoline, nicht. Wenngleich die mittelständische Stückgutkooperation im ersten Halbjahr 2022 rund fünf Prozent weniger Sendungsvolumen verzeichnet hat und er auch in der zweiten Jahreshälfte nicht mit großen Mengensteigerungen rechne. "Die Konsumlaune hat spürbar nachgelassen." Für die Speditionen sei dies aber erstmal gut, meint er, weil sie nun durchatmen könnten - für das anstehende Herbstgeschäft, das traditionell im Stückgutgeschäft für Mengen sorgt. Eine Herausforderung für die Cargoline-Partner sei indes, betont Struck, dass die Kosten mittlerweile vielerorts so rasant und stark steigen, dass sie ihre Preise nun mehrmals unterjährig anpassen müssten. Einmal im Jahr im Herbst - das sei Vergangenheit. Fest steht auch: "Die Stückgutpreise müssen in diesem Herbst zweistellig steigen. Sonst sind die Erträge der Speditionen durch die massiven Kostensteigerungen ganz schnell aufgezehrt." Mehr zum Thema finden Sie unter #Stückgut www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Kosten für die Abwicklung einer Sammelgutsendung sind im ersten Halbjahr 2022 massiv gestiegen. Das zeigt der aktuelle DSLV-Kostenindex für systemgeführte Sammelgutverkehre. Eigentlich müssten die Speditionen das preislich an ihre Verlader durchreichen. Doch ob das auch gelingt? Raben plant zwischen elf und 13 Prozent höhere Preise in Deutschland Interview mit Ewald Raben, CEO Raben Group Im Herbst stehen traditionell die Preisgespräche mit Kunden an. Um wie viel Prozent wollen Sie Ihre Preise anheben?Im Moment wird alles teurer - die Energie, egal ob Gas, Diesel oder auch Strom -, die Entgelte für Fahrer und sämtliche operative Angestellte, die Anschaffung von Fahrzeugen. Wir arbeiten zwar permanent daran, unsere Kosten zu minimieren. Aber diese massiven Mehrbelastungen können wir dadurch nicht auffangen. Deshalb werden wir unsere Preise in Deutschland zwischen elf und 13 Prozent anheben, in anderen Ländern vielleicht sogar noch stärker.Welche Kosten drücken Sie am stärksten?Sorgen bereiten uns derzeit vor allem die Energiekosten. Um wie viel Prozent unsere Energiekosten im Vergleich zum Vorjahrszeitraum gestiegen sind, ermitteln wir gerade. Das ist aber massiv. Wir haben 100 Standorte mit 1,4 Millionen Quadratmeter Lager- und Umschlagsflächen sowie 650 eigene Lkw und externe Frachtführer. Erschwerend kommt die extreme Unplanbarkeit der Energiekosten hinzu, weil sich diese ständig ändern und in jedem Land anders entwickeln.Wie wollen Sie Ihre Energiekosten senken?Wir haben, um nur ganz wenige aktuelle Maßnahmen zu nennen, mittlerweile in fast allen Lager- und Umschlagshallen auf LED-Beleuchtung umgestellt, planen in unseren neuen Logistikstandorten mit nachhaltigen und alternativen Energiekonzepten und werden - wo immer für unsere Mitarbeiter sinnvoll - die Temperatur um ein bis zwei Grad reduzieren. Das hilft ein gutes Stück. Aber alles können wir dadurch nicht kompensieren. Deshalb werden auch wir unsere Preise anpassen. Einen Energiefloater werden wir noch nicht einführen. Wir haben diesen zwar entwickelt, aber unsere Kunden wollen bislang die Energiekosten nicht separat ausgewiesen haben. eh Wie gefährlich sind die aktuellen Kostensteigerungen für die Speditionen? Die Abwicklungskosten einer Sammelgutsendung sind laut dem DSVL Kostenindex in der ersten Jahreshälfte 2022 im Schnitt um 10,13 Prozent gestiegen. Wie gefährlich ist das für Stückgutspeditionen, deren Margen in diesem Segment traditionell niedrig sind?Seit Beginn der Corona-Krise arbeiten die Stückgut-Netzwerke kapazitätsmäßig am Limit. Insofern ist es aktuell eine wirklich schwierige Situation, weil die jetzigen Kostensteigerungen in den Bereichen Energie, Personal bis hin zu Fahrzeugen kaum durch weitere Produktivitätsfortschritte kompensiert werden können.Was sollten die Speditionen daher jetzt tun?Das Pricing, sprich die Preisgestaltung, ist nicht mein Schwerpunkt, aber ich würde mir die Frage stellen, wer Kosten induziert. Da fällt mir sofort die Volatilität ein. Schwankungen nach unten, aber eben auch nach oben, erschweren die Kapazitätsplanung und verursachen Kosten. Laufzeitdefinierte Produkte verhindern ein zeitliches Bündeln. Zudem entstehen hierdurch auch höhere Kosten. Und die sollten eigentlich von denjenigen getragen werden, die sie verursachen. ehDirk Lohre, Professor für logistische Dienstleistungen an der Hochschule Heilbronn

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