Stuttgart. Die Südwest-SPD will sich auch nach dem Beschluss des Bundestags nicht mit der Pkw-Maut abfinden. Die grün-rote Landesregierung prüfe, ob durch eine Anrufung des Vermittlungsausschusses noch etwas erreicht werden könne, sagte der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und baden-württembergische Bundesratsminister Peter Friedrich am Samstag. Das Maut-Gesetz sei schlecht gemacht und schlecht für Baden-Württemberg. Mehrere Länder wollten vor allem Ausnahmen für Autobahn-Abschnitte in grenznahen Regionen erreichen.
Die Maut-Gesetze sind den Regierungsplänen zufolge im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Die Länderkammer kann die Umsetzung aber verzögern, wenn sie den Vermittlungsausschuss anruft. Auch Nordrhein-Westfalen und andere Bundesländer drohten bereits mit dem Vermittlungsausschuss.
Ein Armutszeugnis
„Die Herausnahme der Grenzregionen hat die CSU verweigert, und die CDU Baden-Württemberg hat dabei kleinlaut assistiert“, kritisierte der SPD-Politiker Friedrich. Die CDU im Bundesland habe sich nicht einmal mehr um Verbesserungen im Interesse des Landes bemüht, dies sei ein Armutszeugnis. „Keine Lösung für die Grenzregionen, Verwaltungskosten, die an den Ländern hängen bleiben und Verletzung des EU-Rechts rufen förmlich nach dem Vermittlungsausschuss.“
Für Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland soll nach jahrelangem Streit bald eine Pkw-Maut kassiert werden. Trotz offener Zweifel an den erhofften Einnahmen und der EU-Zulässigkeit beschloss der Bundestag das Wunschprojekt der CSU in der schwarz-roten Koalition.
Nachbarländer warten EU-Entscheidung ab
Aus Deutschlands Nachbarländern ist vorerst nicht mit rechtlichen Schritten zu rechnen. Auch scharfe Kritiker der Pläne wie die Niederlande wollen zunächst eine Einschätzung der EU-Kommission abwarten. Verkehrskommissarin Violeta Bulc will das am Freitag vom Bundestag verabschiedete Gesetz erst untersuchen, wenn es formal in Kraft tritt, wie ein Sprecher bekräftigte. Pkw-Fahrer aus dem Ausland sollen für Autobahnen zahlen. Starten soll die Maut 2016.
Die Regierung der Niederlande bedauerte die Bundestags-Entscheidung zur Einführung der Maut. Es sei aber noch nicht entschieden, ob sie deswegen vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen werde, sagte ein Sprecher. „Wir warten ein Urteil der EU-Kommission ab.“ Den Haag hat bei der Bundesregierung schwere Bedenken gegen die Maut erhoben.
Belgien plant keine Klage vor dem EuGH, wie eine Sprecherin des Verkehrsministeriums sagte. Luxemburg will die Einführung einer Pkw-Maut nach Worten eines Regierungssprechers „zu gegebenem Anlass studieren und gegebenenfalls kommentieren“. Premierminister Xavier Bettel hatte die Maut-Pläne kritisiert. Die Einführung, zudem nur für Ausländer, „widerspreche dem europäischen Gedanken“.
Bei der Regierung in Frankreich gibt es keine Entscheidung über eine mögliche Klage gegen die deutsche Pkw-Maut. Dem Nicht-EU-Mitglied Schweiz sind EU-rechtliche Fragen relativ egal. Ohnehin dürften sich wenige Eidgenossen von Einkaufstouren ins „Billigland“ Bundesrepublik abhalten lassen. Zudem könnten Schweizer im nahen Grenzland auf mautfreie Landstraßen ausweichen.
Österreich will alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen
Die Regierung in Österreich hat von Anfang an klar gemacht, dass die deutschen Pläne aus ihrer Sicht gegen EU-Recht verstoßen. Bei einer Einführung der Maut wäre die EU-Kommission in der Pflicht, dies zu überprüfen. Sollte sie nicht tätig werden, will Wien selbst alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.
In Tschechien hielt sich die Regierung mit Stellungnahmen zurück. Einzelne Politiker bedauerten die Pläne aber als „Schritt zurück in einem vereinten Europa“. In Polen gibt es vorerst Entscheidung über mögliche rechtliche Schritte.
Dänemark plant bisher keine Klage. Ob die Maut-Pläne gegen EU-Recht verstießen, solle eine Untersuchung auf europäischer Ebene klären, sagte eine Sprecherin des Verkehrsressorts der Deutschen Presse-Agentur. Minister Magnus Heunicke hatte kürzlich gesagt: „Natürlich muss man die Rechtsvorschriften der Europäischen Union einhalten.“ Die deutschen Pläne seien aber eine „rein nationale Frage“.
EU-Recht untersagt eine Benachteiligung wegen der Nationalität. Umstritten ist vor allem, dass nur Autofahrer aus Deutschland über eine geringere Kfz-Steuer für Mautzahlungen voll wieder entlastet werden sollen. (dpa/ks)