Sonderfall CO2-Ermittlung in Netzwerken

Sonderfall CO2-Ermittlung in Netzwerken Die Kohlendioxid-Ermittlung in Logistiknetzwerken ist deutlich schwerer als die CO2-Berechnung bei Einzelverkehren. Das Beispiel Paket- und Stückgutnetzwerke zeigt die wichtigsten Besonderheiten. Logistiknetzwerke weisen gegenüber Einzelfahrten zwei Besonderheiten auf: Standardisierte Sendungseinheiten wie Briefe, Pakete oder Paletten können nahezu jederzeit in das Transportsystem eingespeist werden. Und: Die Beförderung der Sendung erfolgt zu definierten Laufzeiten direkt bis zum Endempfänger in die verschiedensten Regionen eines Landes oder sogar eines Kontinents. Um diese Leistung erbringen zu können, kombinieren die Netzanbieter unterschiedliche Logistiksysteme miteinander. Dazu gehören zum Beispiel Sammel- und Verteilerverkehre mit kleineren Fahrzeugen, Hauptläufe mit größeren Fahrzeugen sowie Umschlag- und Sortierprozesse über Lagerstandorte. Für die Kohlendioxid-Berechnung von Netzwerken bedeutet dies, die Emissionen der eingesetzten Transport- und Umschlagmittel zu addieren. Dies erfolgt in der Regel auf Basis eines Geschäfts- oder Kalenderjahres. Durch die Division dieser Summe mit der im Jahr transportierten Anzahl der Sendungseinheiten lässt sich damit schnell ein Durchschnittswert für die Netzwerknutzung ermitteln (siehe Formel 1, Seite 46). Auf Basis dieser Rechnung beträgt die CO2-Emission für das Verschicken eines Paketes innerhalb Deutschlands mit der Deutschen Post 510 Gramm. Verlader, die diesen Wert in ihre Klimabilanz einfließen lassen, verursachen demnach aber für den Versand eines zehn Kilogramm schweren Pakets von Hamburg nach Köln ebensoso viele Emissionen wie für eine 1-kg-Sendung von Hamburg nach Bremen. Dies wirkt auf den ersten Blick ungerecht, wird von vielen Umwelt-instituten jedoch anerkannt, da dadurch alle Nutzer nicht nur die CO2-Emissionen der direkten Beförderung, sondern auch die Emissionen des ständig verfügbaren Leistungsangebots des Netzwerkes tragen (siehe Interview unten). Außerdem spielen im Paketbereich die unterschiedlichen Gewichte keine so entscheidende Rolle, da sie sich in einem sehr engen Rahmen bis maximal 31,5 Kilogramm bewegen. Differenzierte Durchschnittswerte Da bei Stückgut die Gewichte viel stärker variieren (bis 2,5 t), differenziert DB Schenker seine CO2-Netzwerkwerte etwas stärker. Deutschlands größter Stückgutdienstleister ermittelt durchschnittliche CO2-Emissionen auf Basis von Tonnenkilometern – und das separat für die Vor-, Nach- und Hauptläufe sowie für Lager- und Umschlag (siehe Tabelle Seite 46 oben). Außerdem berücksichtigt die Bahn-Tochter die regionalen Unterschiede. Für jedes europäische Land wurden eigene Emissionswerte ermittelt. So kann der Transport einer 500 Kilogramm schweren Palette je nach Land ganz unterschiedliche CO2-Emissionen hervorrufen (siehe Beispielrechnung 1 bis 3, Seite 46). Derzeit nicht möglich ist der direkte Vergleich der CO2-Emissionen unterschiedlicher Netzwerkanbieter. Zum einen vari-ieren die angebotenden logistischen Leistungen (zum Beispiel Laufzeiten) stark voneinander. Noch entscheidender ist aber die Tatsache, dass derzeit kein Standard zur Messung der CO2-Emissionen in Logistiknetzwerken existiert. Jeder Netzwerkbetreiber misst etwas anders. Einziger Grundstandard ist das international verwendete Greenhouse Protocol (GHP), das die Messgrenzen der CO2-Bilanzierung in drei Gruppen definiert: Der so genannte „Scope 1“ umfasst dabei alle Emissionen, die direkt von einem Unternehmen verursacht werden – zum Beispiel der Dieselverbrauch der Fahrzeuge. In den Scope 2 fallen die Emissionen der Stromherstellung und mit Scope 3 werden alle Emissionen berücksichtigt, die bei der Erbringung von Dienstleistungen durch Dritte auftreten – zum Beispiel der CO2-Ausstoß durch LKW-Subunternehmer oder Luft- oder Seefrachtcarrier. Aber schon an dieser Stelle fangen die Unterschiede an. DB Schenker zählt die LKWSubunternehmer zum Scope 1, da diese in der Regel keine eigene Klimabilanz erstellen (die Grundidee der GHP-Scopes ist nämlich, dass jeder CO2-Ausstoß nur einmal in einer Klimabilanz auftaucht). Die Deutsche Post hingegen erfasst die Subunternehmen gemäß GHP mit Scope 3. CO2-Experten empfehlen deshalb Verladern, bei Logistikdienstleistern immer den Scope 1 bis einschließlich 3 abzufragen. Nur dann sind alle Emissionen erfasst. Unterschiedlich berücksichtigt werden von den Netzwerkbetreibern auch die so genannten Schlechtauslastungen der LKW-Subunternehmer. Während die Hauptfahrt des LKW-Unternehmers meist hohe gewichtsmäßige Auslastungen der Transportkapazität vorweist, kann es bei den Rückfahrten deutlich schlechter aussehen. Während einige Netzwerkbetreiber auch für die Subunternehmer die Auslastungsgrade des Gesamtnetzwerkes ansetzen, berücksichtigen andere wiederum bei den beauftragten LKW-Transporteuren nur die guten Auslastungsgrade der Hauptfahrt. Wer CO2-Kennzahlen unterschiedlicher Netzwerkbetreiber nebeneinander stellt, muss außerdem hinterfragen, ob die Emissionen der Kraftstoffproduktion mit eingeflossen sind. Die Deutsche Post berücksichtigt dies dem GHP folgend nicht. Einige Umweltexperten empfehlen hingegen schon, diese Emissionen der Vorproduktion mitzuberücksichtigen, da ansonsten ein Vergleich von zum Beispiel Dieselmotoren mit Biodiesel-, Erdgas- oder Elektroantrieben nicht möglich sei. DB Schenker teilt seinen Kunden immer beide Werte mit. Ebenso ermittelt die Bahn-Tochter für ihr Stückgutnetzwerk auch immer die CO2-Äquivalente (siehe Teil 1 der Serie). Die Berücksichtigung dieser CO2e-Emissionen schlägt beim Straßentransport zwar meistens nur mit zwei Prozent zu Buche. Bei zum Beispiel Kühllägern haben die Äquivalente hingegen ganz andere Auswirkungen. Durch den technisch normalen Verlust von Kühlmitteln werden Kohlenwasserstoffe freigesetzt, die den Wert der verursachten CO2-Äquivalente in der Klimabilanz ordentlich nach oben treiben. Wichtiger Tipp für die Klimabilanz Wer sich in diesen Tagen daranmacht, CO2-Emissionen für sein Netzwerk zu ermitteln, sollte immer die ungünstigere Annahme für die Ermittlung seiner Emissionswerte berücksichtigen. Das empfehlen erfahrene CO2-Experten. Denn: Derzeit laufen auf europäischer Ebene einige CO2-Normungsprozesse. Wer für seine Klimabilanz heute die etwas ungünstigeren Annahmen verwendet, kann mit etwas Glück nach Einführung der Norm die Werte seiner Klimabilanz auf einen Schlag verbessern – je nachdem, welche Vorgaben die Norm macht. Auf jeden Fall muss er nicht auf einmal höhere CO2-Emissionen rechtfertigen. ❙❚■ Andre Kranke Der Transport von Briefen, Paketen und Stückgut erfolgt meistens über standardisierte Logistiknetzwerke, die einen speziellen CO2-Footprint aufweisen „Emissionen der ständigen Verfügbarkeit sind auch zu tragen“ Im Gespräch mit Guido Sattler, Project Manager GoGreen, Technology & Innovation Management bei der Deutschen Post DHL, über die Ermittlung von CO2-Emissionen im Brief- und Paketnetz. Welche Besonderheiten existieren bei der CO2-Ermittlung in Logistiknetzwerken? Guido Sattler: Für den kompletten Transport aller Pakete und Briefe in Deutschland ist ein Netzwerk notwendig. Bei der Kalkulation der Kohlendioxid-Ausstöße dieses Systems muss man deshalb die Emissionen des gesamten Netzwerkes und nicht nur einzelner Transporte betrachten. Das bedeutet konkret, dass man beim Paketversand nicht nur den direkten Transport zwischen Absender und Empfänger, sondern das verzweigte System der Transport- und Sortiervorgänge einbezieht. Außerdem ist zu bedenken, dass unser Netzwerk den Kunden das ganze Jahr über in vollem Umfang zur Verfügung steht. Sie können an jedem Werktag Pakete ohne Voranmeldung in unser Netzwerk einspeisen, egal ob Sie etwas in den Ballungsraum Berlin oder auf die Nordseeinsel Amrum versenden wollen. Emissionen, die diese ständige Verfügbarkeit des Netzes verur-sacht, muss der Nutzer damit allerdings auch mittragen. Dies spiegelt sich in den CO2-Durchschnittswerten der Deutschen Post DHL für Brief- und Pakettransport wider. Wer aber Pakete nur regional versendet, trägt damit eine größere Emissionslast? Das ist richtig. Deshalb unterscheiden wir schon heute bei unseren durchschnittlichen Emissionswerten zwischen nationalen und europäischen Sendungen. Für die Zukunft denkbar wäre, flächenmäßig große Länder wie Deutschland in Teilregionen aufzugliedern und hierfür separate CO2-Werte zu veröffentlichen. Derzeit macht das aber keinen Sinn, da sich unsere Beförderungspreise innerhalb Deutschlands nicht unterscheiden. Welche Fehler werden bei der Interpretation von CO2-Netzwerkdaten gerne gemacht? Da es derzeit keine Norm gibt, wie CO2-Werte in Paketnetzwerken zu berechnen sind, ist ein Vergleich von CO2-Werten verschiedener Logistikdienstleister derzeit kaum möglich. Wer CO2-Werte zweier Paketdienstleister heute direkt nebeneinander stellt und eins zu eins miteinander vergleicht, bekommt kein verlässliches Ergebnis. In welchen Punkten unterscheiden sich die CO2-Messungen der Logistikdienstleister? Die Kernfrage bei der CO2-Kalkulation ist, wo man anfängt und wo man aufhört zu berechnen: Es ist entscheidend, ob einzelne Transporte oder komplette Netzwerke betrachtet werden. Welche Grenzen zieht die Deutsche Post bei der CO2-Erfassung? In unsere CO2-Durchschnittswerte für das Paketnetzwerk fließt der jährliche Kraftstoffverbrauch der Fahrzeugflotte sowie der Energieverbrauch der Sortierzentren ein. Die Gesamtsumme wird dann durch die Anzahl der Paketsendungen im Jahr geteilt, die in diesem Netzwerk transportiert worden sind. Mit diesem Verfahren berücksichtigen wir beispielsweise auch die Auslastungsgrade unserer Fahrzeuge. Berechnen Sie die Emissionen der Kraftstoffvorproduktion beim Diesel mit ein? Wir berechnen die direkten CO2-Emissionen, die beim Transport entstehen, da wir diese auch beeinflussen können. Die Emissionen in der Vorkette der Kraftstoffproduktion sind nicht enthalten. Ihr CO2-Netzwerkwert berücksichtigt auch die Emissionen ihrer Subunternehmen. Welchen Daten müssen diese Ihnen dazu liefern? Im Idealfall können unsere Subunternehmer uns mitteilen, wie viel Kraftstoff sie für einen Transportauftrag benötigt haben und welchen Anteil unser Transportgut am kompletten Transport beträgt. Wenn dies nicht möglich ist, möchten wir zumindest wissen, welche Fahrzeugtypen mit welchem Kraftstoff eingesetzt werden. ak Interview Guido Sattler CO2-Emissionen in Logistiknetzwerken Netzwerkart Brief (innerhalb Deutschlands)1 Paket (innerhalb Deutschlands)1 Paket (von Deutschland nach EU)2 Stückgut Vorlauf/Nachlauf (in Deutschland)3 Stückgut Hauptlauf (in Deutschland)3 CO2-Emission 30 Gramm je Brief 510 Gramm je Paket 1600 Gramm je Paket 157 Gramm je Tonnenkilometer 88 Gramm je Tonnenkilometer Veranstaltungs-Tipp: CO2-Emissionen in der Logistik konkret berechnen „CO2-Messung in der Transportlogistik“ – darum geht es in der gleichnamigen Fachkonferenz des Wochenmagazins VerkehrsRundschau am 3. Dezember 2009 in Düsseldorf. Die Besucher dieser eintägigen Veranstaltung erfahren, wie sich die Emissionen von Kohlendioxid (CO2) und anderen Treib-hausgasen (Kohlendioxid-Äquivalenten – kurz CO2e) konkret berechnen lassen. Der VerkehrsRundschau-Redaktion ist es gelungen, für jeden Verkehrsträger (LKW, Bahn, Binnenschiff, Seeschiff und Flugzeug) jeweils einen der Topexperten in Deutschland für die CO2-Berechnung als Referenten zu gewinnen. Außerdem werden im Rahmen der Veranstaltung bestehende und geplante nationale und internationale Normen vorgestellt. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wird außerdem die Frage diskutiert, welche Maßnahmen und Zertifikate zur CO2-Kompensation sinnvoll sind. Und kann es klimaneutrale Transporte geben? Das komplette Programm finden Sie unter www.verkehrsrundschau.de/events Beispielrechnung 1: Italien – England Transport im DB Schenker Landverkehrsnetz: Palette (500 kg, 1890 km) von Mailand (Italien) via Paris und Eurotunnel nach Northampton (England). Emissionen insgesamt: 86 kg CO2 (nur direkter Verkehr, Scope 1) und 105 kg CO2 (inklusive Kraftstoffgewinnung, Scope 1 bis 3). Daraus ergibt sich laut DB Schenker ein Wert von 81 Gramm CO2 je Tonnenkilometer (Scope 1) und 94 g CO2 pro tkm (Scope 1 bis 3). Bei jeder Teilstrecke wurden länderspezifische Emissionsfaktoren berücksichtigt – je nach Flotten- und Cargo-Mix, Gewichtsauslastung sowie je nach Hauptlauf oder Verteilerverkehr. Alle Leerfahrtenanteile im DB-Schenker- Netz wurden ebenfalls berücksichtigt. Beispielrechnung 2: Norwegen – Schweden Transport im DB Schenker Landverkehrsnetz: Palette (500 kg, 1050 km) von Bergen (Norwegen) nach Halmstad (Schweden). Emissionen: 35 kg CO2 (Scope 1) und 40 kg CO2 (Scope 1 bis 3). Für die genannte Strecke ergibt sich laut DB Schenker ein spezifischer Emissionswert von 66 g CO2 je tkm (Scope 1) beziehungsweise 76 g CO2 je tkm (Scope 1 bis 3). Die Verkehre im skandinavischen LKW-Transportnetzwerk sind grundsätzlich emissionsärmer, da Lastwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 60 Tonnen eingesetzt werden können. Außerdem ist der Auslastungsgrad in Nordeuropa laut DB Schenker mit bis zu 80 Prozent Gewichtsauslastung höher. Beispielrechnung 3: Außereuropäisch Transport im DB Schenker Landverkehrsnetz außerhalb Europas (zum Beispiel Argentinien, China, Indien, Südafrika, Thailand und USA). Die 500-kg-Palette würde in diesen Ländern auf vergleichbaren Strecken zwischen 75 und 90 g CO2 je tkm emittieren (Scope 1). CO2-Emissionen in Stückgutnetzwerken Formel 1: CO2 -Netzwerkwert = Σ CO2 -Emissionen g CO2 Anzahl Sendungseinheiten Einheit Sendungseinheiten zum Beispiel Brief, Paket oder Palette; Summen jeweils pro Jahr Quelle: VerkehrsRundschau Berechnung von CO2-Emissionen

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