Schenker hui, DB Cargo pfui

Die Pressekonferenz der Deutschen Bahn (DB) war kaum beendet, da ging im Deutschlandfunk die Frage des Moderators über den Äther: "Ist es nicht ein Treppenwitz, dass ausgerechnet die Lkw-Sparte die Bilanz der Deutschen Bahn gerettet hat?" Auch wenn der befragte Journalist darauf mit Ja antwortete - ganz so ist es nicht. Schon deshalb nicht, weil DB Schenker alles andere als eine reine Lkw-Sparte ist. Zum Gesamtgewinn von DB Schenker trägt der Landverkehr (also der Lkw) gerade mal zwölf Prozent bei. Den Löwenanteil zum Schenker-Ebit in Höhe von 1.186 Millionen (Mio.) Euro liefern mit fast 80 Prozent die See- und die Luftfracht ab (siehe Tabelle). Dieses Segment steht in keinerlei Konkurrenz zur Schiene. Aber richtig ist, dass die DB ohne die Sparte Schenker nicht in die schwarzen Zahlen gefahren wäre: 876 Mio. Euro hat das Ebit des Konzerns im ersten Halbjahr 2022 betragen. Ohne den Schenker-Gewinn hätte das Bahnunternehmen einen Verlust von 310 Mio. Euro erwirtschaftet. Aber immerhin, im ersten Halbjahr 2021 hatte das Minus der DB trotz eines starken Ergebnisses von Schenker 975 Mio. Euro betragen. Demgegenüber ist eine deutliche Verbesserung gelungen, wozu fast alle Sparten ihren Teil beigetragen haben - bis auf DB Cargo. Ebit verschlechtert sich um 46,6 Prozent Sieht man von dem Posten "Konsolidierung" ab, trägt DB Cargo bei den Finanzkennzahlen die rote Laterne im Konzern. Immerhin, der Umsatz im Schienengüterverkehr ist um 5,1 Prozent auf 2.631 Mio. Euro gestiegen. Doch alle anderen Sparten konnten höhere Umsatzzuwächse erzielen (Ausnahme der Posten "Konsolidierung", der im Folgenden ausgeklammert wird). Dass das Umsatzplus vor allem auf Preissteigerungen beruht, wird an den Verkehrszahlen deutlich. Bei der Güterverkehrsleistung gab es zwar ein Plus. Das fällt mit 1,2 Prozent auf 43.523 Mio. Tonnenkilometer jedoch überschaubar aus. Zudem teilte die DB mit, dass der Zuwachs vor allem auf die erstmalige Einbeziehung von DB Cargo Schweiz beruht, ohne dazu weitere Zahlen zu nennen. Die eigentliche Enttäuschung ist jedoch das finanzielle Ergebnis bei DB Cargo. Abgesehen von DB Energie konnten alle Sparten ihren Ebit verbessern. Bei DB Cargo hingegen verschlechterte sich das Ebit von minus 204 Mio. Euro auf minus 299 Mio. Euro - ein Einbruch um 46,6 Prozent. Das lag vor allem daran, dass die Kosten aus dem Ruder gelaufen sind. So stiegen die sonstigen betrieblichen Aufwendungen um 8,6 Prozent, unter anderem aufgrund gestiegener Anmietungen von Lokomotiven und Güterwagen. Die Anmietungen waren auch deshalb notwendig, weil aufgrund der vielen Baustellen im Netz (siehe VR 12/2022, Seite 14) die Abläufe durcheinandergerieten, Züge komplett gestrichen wurden oder mit Verspätung unterwegs waren und deshalb die Umläufe nicht mehr stimmten. Darunter hat die Pünktlichkeit gelitten. Sie ist von 70,8 Prozent im ersten Halbjahr 2021 auf 66,9 Prozent nochmals gesunken- ein Umstand, den auch DB-Chef Richard Lutz kritisierte. Bei dem eine Besserung angesichts der Baustellenproblematik jedoch nicht in Sicht ist. "Cargo hat im besonderen Maße unter der schwierigen operativen Situation im Netz mit mehr Umleiterzügen und mit längeren Strecken gelitten ", begründete Levin Holle, Vorstand Finanzen und Logistik bei der DB, das schlechte Abschneiden von DB Cargo. Deshalb sei die Verkehrsleistung auch schwächer gestiegen, "als wir uns das vorgestellt hätten", sagte Holle und deutete an, dass man mit den Ergebnissen von DB Cargo im Vorstand nicht zufrieden sei. Höhere Frachtraten "unvermeidlich" Vor dem Hintergrund stagnierender Mengen mehren sich die Zweifel, dass der Schienengüterverkehr das vorgegebene Ziel der Politik erreicht, bis 2030 auf einen Modal Split von 25 Prozent zu kommen. Auf die Frage der VR, ob die DB der Politik in dieser Frage nicht reinen Wein einschenken müsse, dass dieses Ziel kaum mehr erreichbar sei, blieb Holle unkonkret. Er bezeichnete eine Verlagerung von Verkehren als "extrem wichtig, um die Klimaziele zu erreichen. Wir werden die Verkehrsleistung steigern müssen", sagte der DB-Vorstand, weshalb die anvisierte Verbesserung des Schienennetzes für DB Cargo eine sehr wichtige Rolle spiele. Angesprochen auf das verschlechterte finanzielle Ergebnis bei DB Cargo und mögliche Maßnahmen zur Verbesserung, nannte Holle Anhebungen der Frachtraten als unvermeidlich. Zudem sei die Ursache für die Verschlechterung vor allem auf den Einzelwagenverkehr und eine rückläufige Förderung durch den Bund zurückzuführen. Hier seien Gespräche mit dem Eigentümer notwendig. Der hat - sonst ein Novum - direkt in Form eines Statements von Bundesverkehrsminister Volker Wissing auf die Ergebnisse der Halbjahresbilanz reagiert. Wissing beklagte, dass das System Bahn "leider jahrelang vernachlässigt" wurde. Als Folge fehle es an Kapazitäten und die Bahn könne ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Güter könnten nicht transportiert werden, Züge seien unpünktlich. "Damit ist jetzt Schluss. Jetzt gilt es, das Netz und den Betrieb wieder so aufzustellen, dass die Bahn den Anforderungen, welche die Wirtschaft an sie hat, wieder gerecht werden kann." Kritik der Bahnverbände Doch ob es tatsächlich so schnell geht, wie Wissing es andeutet oder zumindest gerne hätte, daran gibt es nicht nur aufgrund der Historie der Bahn Zweifel. Bahnverbände jedenfalls sparten nicht mit Kritik und forderten entschiedenere Maßnahmen als die aktuellen. Mehr zum Thema finden Sie unter #DeutscheBahn www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze DB Cargo schwächelt: Im ersten Halbjahr 2022 hat die Schienengüter-Verkehrssparte nochmals höhere Verluste angehäuft als im Vorjahreszeitraum. Die vielen Baustellen im Netz machen der DB-Tochter offenbar zu schaffen. Demgegenüber konnte DB Schenker mit Rekordzahlen glänzen. DB Schenker: Rekordergebnis mit Einschränkungen Der Vorstand für Finanzen und Logistik bei der DB war voll des Lobes für DB Schenker:"Unsere Logistik-Tochter DB Schenker lieferte erneut Rekordumsätze und Rekordergebnisse", sagte Levin Holle auf der Halbjahres-Pressekonferenz der DB.So erfolgreich wie nie zuvorDie Zahlen sprechen für sich: So ist es DB Schenker gelungen, das schon gute operative Ergebnis aus dem ersten Halbjahr 2021 nochmals zu verbessern, und zwar auf 1,2 Milliarden Euro. 2021 waren es 620 Millionen Euro gewesen, sodass sich das Ebit fast verdoppelt hat. "Das erste Halbjahr 2022 ist damit Schenkers erfolgreichstes in der 150-jährigen Unternehmensgeschichte", sagte Holle. Aber: Diese guten Zahlen hat DB Schenker einigen Sonderfaktoren zu verdanken, vor allem dem starken Anstieg der See- und Luftfrachtraten. Denn rein von der Menge her war das erste Halbjahr 2022 alles andere als erfolgreich: Das Luftfrachtvolumen sank um 5,4 Prozent, die Seefracht (ausgedrückt in 20-Fuß-Containern) war um 3,4 Prozent rückläufig und die Zahl der Sendungen im Landverkehr verringerte sich um 5,5 Prozent. Im Vergleich zu Kühne + Nagel und DSV schneidet DB Schenker nicht so gut ab. Im Landverkehr ist DSV deutlich profitabler. Auch bei See- und Luftfracht fallen die Ergebnisse von DSV und Kühne + Nagel besser aus. Und in der Kontraktlogistik hat ebenfalls DSV die Nase vorne. cd 1. Halbjahr 2022: Drei große Logistikkonzerne im Vergleich Landverkehr Kontraktlogistik Seefracht Luftfracht Gesamt Umsatz Ebit Umsatz Ebit Umsatz Ebit Umsatz Ebit Umsatz Ebit DB Schenker 3.846 140 1.616 101 8.683³⁾ 943³⁾ s. Seefracht³⁾ s. Seefracht³⁾ 14.162 1.186 DSV¹⁾ 2.824 143 1.658 207 5.901 1.530³⁾ 6.614 s. Seefracht³⁾ 16.639 1.874 Kühne + Nagel²⁾ 2.064 81 2.441 82 10.018 1.226 6.419 839 20.942 2.228 ¹⁾ Umrechnung von Dänischen Kronen in Euro (Kurs: 1 DKK= 0,134 Euro)²⁾ Umrechnung von Schweizer Franken in Euro (Kurs: 1 CHF= 1,015 Euro)³⁾ Umsatz- oder Ebit-Zahlen See-und Luftfracht gemeinsam Statement von Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) Transport per Bahn oder das Kamel durch das Nadelöhr Die Bahn ist als Thema so facettenreich, dass man ganze Bücher darüber schreiben könnte: die Trennung von Netz und Betrieb, die Rolle des Staats bei DB Cargo, Mängel im Netz, CO2-Vermeidung, fairer Wettbewerb zum Lkw etc. sind nur ein kleiner Teil der vielen Aspekte, die einem in den Sinn kommen. Die Erwartungshaltungen, die von der Politik stimuliert und von den Verladern, dem Werkverkehr und den Logistikdienstleistern gern praxisnah umgesetzt werden würden, bleiben nach Ansicht des BWVL jedoch bis auf Weiteres nur Wunsch und leider nicht Wirklichkeit. Die Attraktivität der Schiene hängt im Wesentlichen von der Planbarkeit und Verlässlichkeit der Transporte ab. Fakt ist, dass insbesondere die begrenzten Kapazitäten des Schienennetzes dem eine Grenze setzen und ein Risiko für Lieferketten bis hin zu Produktionsausfällen bedeuten. Dies durch bedarfsgerechten Ausbau zu ändern, wird viel Zeit in Anspruch nehmen, wieder einmal! Denn das, was kürzlich zur löblichen Chefsache erkoren wurde, war unlängst noch Inhalt des Masterplans Schienengüterverkehr: den Schienengüterverkehr zum Kernelement einer nachhaltigen Mobilitäts- und Transportstrategie auszubauen und den Marktanteil der Schiene zu steigern – und das war bereits vor fünf Jahren, nämlich 2017. Mittlerweile haben sich die Rahmenbedingungen noch einmal zum Negativen verändert. Denn der Griff ins Regal geht mittlerweile vielfach ins Leere. Mit anderen Worten: Fachkräftemangel bei Ingenieuren, Lokführern und andern Bahnmitarbeiter/- innen sowie die Ressourcenknappheit an allen Enden lassen die Chefsache zur Herkulesaufgabe erwachsen – für die Logistik eine schwierige Basis als Grundlage für wachsende Wirtschaftsleistungen. Mehr unter: www.bwvl.de Kritik am DB-Konzern:„Bereit für eine Generalsanierung“ Es ist nicht weiter verwunderlich, dass der Verband „Die Güterbahnen“ kritisch auf die Aussagen in der Halbjahres- Pressekonferenz reagiert – sind doch deren Mitglieder Konkurrenten von DB Cargo. Die plakativ formulierte Analyse der Bilanzzahlen von Peter Westenberger, Sprecher des Verbands, lautet: „Die Gesamt-Performance der DB ist genauso bereit für die Generalsanierung, wie es die DB-Infrastruktur nach den Worten des DB-Chefs ist.“ Zudem wirft er DB Cargo vor, „sich Ladung durch immer größere Defizite zu kaufen“ und damit ihr Halbjahres- Betriebsergebnis zu verschlechtern. Laut Mitteilung des Verbands sind die privaten Güterbahnen deutlich rentabler. Sie hätten 2020 eine durchschnittliche Umsatzrendite von 2,4 Prozent erwirtschaftet, während der Verlust von DB Cargo im gleichen Jahr 481 Millionen Euro betrug. cd

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