Sanierung in Eigenregie

In Kürze: Gesetzliche Anreize sollen Unternehmen seit März 2012 dazu bewegen, möglichst frühzeitig eine Insolvenz als Sanierungsoption ins Auge zu fassen. Rechtsexperten raten zum Eigenverwaltungsverfahren. Dabei läuft der Betrieb weiter, der Geschäftsführer bleibt im Amt und kann selbst über die Insolvenzmasse entscheiden. Zu viele Verbindlichkeiten, zu wenig Geld: Das Güterverkehrsgeschäft zählt zu den Branchen in Deutschland mit dem höchsten Insolvenzrisiko. Gemäß Statistiken sinkt die Zahl der zahlungsunfähigen Unternehmen hierzulande zwar stetig. Doch das konjunkturelle Umfeld hat sich zuletzt eingetrübt und das Wachstum der vergangenen zehn Jahre scheint vorerst vorüber zu sein. "Im Fall einer Wirtschaftskrise droht einigen Transport- und Logistikdienstleistern das Aus, die als Subunternehmer tätig sind", warnt Robert Buchalik, geschäftsführender Gesellschafter der Rechtsanwaltsgesellschaft Buchalik Brömmekamp. Vor allem kleine Speditionen versäumen es nach seiner Erfahrung, ihre Preise an die Betriebskosten anzupassen und ein sauberes Controlling durchzuführen. "Die merken mitunter gar nicht, dass sie Geld verlieren." Nach der letzten Lkw-Maut-Erhöhung und den gestiegenen Löhnen genüge oft bloß ein unerwartetes Ereignis - etwa ein ausbleibender Auftrag -, um sie in eine finanzielle Schieflage zu bringen. Unternehmen, die in einer schlechten Liquiditätslage stecken und trotzdem gute Aussichten auf eine Fortführung des Geschäftsbetriebs sehen, empfiehlt Buchalik ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Diese Variante des Insolvenzrechts zielt auf die Sanierung des Unternehmens statt auf eine Abwicklung. Geschäftsführung bleibt im Amt Ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bedeutet, dass das Management weiter die Verantwortung innehat, allerdings unter Begleitung eines gerichtlich bestellten externen Sachwalters. Unter seiner Aufsicht kann der Geschäftsführer des zahlungsunfähigen Unternehmens die Insolvenzmasse selbst verwalten und über sie verfügen. Ihm wird in der Regel ein Sanierungsgeschäftsführer zur Seite gestellt. Gemeinsames Ziel: Abläufe und Prozesse im Unternehmen optimieren und ein tragfähiges Konzept für die Zukunft erstellen. "Wer dabei offen kommuniziert, schafft Vertrauen und muss sich wenig Sorgen machen, dass Kunden oder Mitarbeiter abspringen", verspricht Buchalik. Bei einer Regelinsolvenz verliert das Management hingegen die Kontrolle, statt dessen übernimmt der Insolvenzverwalter die Regie. Sanierung verbessert die Liquidität Weitere Vorteile: Zwischen dem Insolvenzantrag und der -eröffnung muss ein Unternehmen keine Sozialabgaben und Umsatzsteuer zahlen. Sowohl im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens als auch des Regelinsolvenzverfahrens übernimmt die Arbeitsagentur für drei Monate die Löhne und Gehälter. "Das bringt erhebliche Liquiditätseffekte und somit Geld für einen Neustart", sagt Buchalik. Ungesicherte Altverbindlichkeiten - auch Pensionsverpflichtungen - würden nur mit der Insolvenzplanquote bedient. Der Rest der Forderungen gilt als erlassen. Die Kündigungsfristen sind bei allen Dauerschuldverhältnissen unabhängig von der Restlaufzeit auf drei Monate begrenzt. "Unternehmen können sich so von ungünstigen Leasing- und Mietverträgen, Darlehensverträgen sowie von verlustreichen Kundenaufträgen befreien", erklärt der Experte. Zudem lägen die Kosten einer Sanierung in Eigenregie unter denen einer Regelinsolvenz. Der Rechtsanwalt setzt allerdings eine gewisse Unternehmensgröße voraus. Wer weniger als 20 Mitarbeiter habe, sei für ein Eigenverwaltungsverfahren zu klein. "Die Zusatzliquidität durch Insolvenzgeld, nicht gezahlte Steuern und Sozialabgaben in der Regel sind zu gering, um die Ziele zu erreichen." Die Kosten für die intensive Betreuung des insolventen Unternehmens über ein halbes Jahr oder länger sollten gedeckt sein. Weitere Einschränkung: Stellt der Schuldner einen entsprechenden Antrag, dürfen keine Umstände bekannt sein, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. "Wenn sich ein Unternehmer strafbar gemacht hat, etwa wegen Betrugs, spricht das gegen ein Eigenverwaltungsverfahren", erklärt Buchalik. Er schätzt die Überlebenschancen hier dreimal höher ein als bei einem Regelinsolvenzverfahren. "Denn kein Insolvenzverwalter kennt den Markt, die Kunden und die Mitarbeiter so gut wie der Inhaber oder Geschäftsführer des Unternehmens", erklärt Buchalik. Weil das Management verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibe, gehe der Geschäftsbetrieb ohne Unterbrechung weiter. Am Ende des Verfahrens steht ein Sanierungsplan, der die Entschuldung des Unternehmens sowie die Befriedigung gesicherter und ungesicherter Gläubiger regelt. Diesem Plan müssen die Gläubiger mehrheitlich zustimmen. Tun sie dies, ist das insolvente Unternehmen während des Verfahrens vor Eingriffen geschützt. Mehr zum Thema finden Sie unter "Unternehmensführung" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Wann ist man verpflichtet, Insolvenz zu beantragen? Bei Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): Schuldner ist nicht in der Lage, die fälligen Zahlungspflichten durch die verfügbaren liquiden Finanzmittel zu erfüllen (Deckungslücke von zehn Prozent genügt) Dies ist zu unterscheiden von einer bloßen Zahlungsstockung, bei der die Liquiditätslücke binnen drei Wochen geschlossen werden kann (Liquiditätslücke unter zehn Prozent der fälligen Gesamtverbindlichkeiten) Bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO): Schuldner wird voraussichtlich nicht in der Lage sein, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen Es besteht keine Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO bei Vorliegen von drohender Zahlungsunfähigkeit Bei Überschuldung (§ 19 InsO): Vermögen des Schuldners deckt bestehende Verbindlichkeiten nicht- Fortführung ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (Nachweis durch Fortführungsprognose eines unabhängigen Dritten) Quelle: Buchalik Brömmekamp