Zu wenig Geld und Plan

Welche Investitionsstrategie braucht die Schiene? Diese Frage diskutierten vergangene Woche in Berlin der Direktor des Schweizer Bundesamts für Verkehr, Peter Füglistaler, deutsche Bundestagsabgeordnete, Staatssekretäre und Entscheider aus der Verkehrsbranche. Eingeladen hatte die deutsche Parlamentsgruppe Schienenverkehr. Das Publikum - darunter der halbe Verkehrsausschuss des Bundestages - wollte wissen, wie es den Schweizern gelungen ist, das beste Bahnsystem der Welt zu bauen. Gastredner Füglistaler begann seinen Vortrag mit zwei Zahlen: 14 Prozent des Schweizer Haushalts, also 10,4 Milliarden Franken (rund 9,1 Milliarden Euro), fließen jedes Jahr in die Straßen und Schienen. Das entspricht etwa der Hälfte dessen, was das deutsche Bundesverkehrsministerium für eine vielfach größere Fläche und Bevölkerung zur Verfügung hat. Zudem steckt die Schweiz mehr als die Hälfte davon in die Schiene. Drei Dekaden Vorsprung Konstanter Geldfluss, langfristige Planung, klare Priorität für die Bahn: Das ist die Zauberformel, die Füglistaler präsentierte. Einziger Mutmacher für seine Zuhörer: Auch die Schweiz habe mal ein ähnlich schlechtes Bahnsystem gehabt wie Deutschland und dennoch die Wende geschafft. In den 1990er-Jahren sei das gewesen. Die Schweiz ist Deutschland also drei Jahrzehnte voraus. Die anschließende Podiumsdiskussion machte wenig Hoffnung darauf, dass andere Länder Deutschland in puncto Schiene nicht weiter davoneilen. Denn eine richtige Strategie konnte niemand präsentieren. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesfinanzminister, Bettina Hagedorn, betonte, dass der Ausbau nicht am Geld scheitere, das der Bund seit 2013 bereitwillig gebe. Der kommende Haushalt der Bundesregierung sehe noch mehr Geld für die Schiene vor. Doch: "Die Verkehrsministerien waren in der Vergangenheit immer so aufgestellt, dass das Geld, das das Parlament zusätzlich gegeben hat, in den Bereich Straße gesteckt wurde", sagte die SPD-Politikerin und reichte den schwarzen Peter so an die CSU-Kollegen weiter. Zudem schaffe es die Bahn nicht, zusätzliche Haushaltsmittel zu verwenden. "Es ist Fakt, dass die Deutsche Bahn jedes Jahr wieder Ausgabenrückstände über 1,5 Milliarden Euro bildet", sagte Hagedorn. "In den letzten drei Jahren sind Ausgabenreste gesunken. Bis 2023, 2024 wollen wir sie ganz weghaben", konterte Frank Sennhenn, Vorstandschef der DB Netz. Die Bahn könne angesichts enorm langer Planungsvorläufe nun einmal nichts anfangen mit sprunghaft steigenden Budgets, die im Folgejahr wieder zusammengestrichen werden könnten. Zudem habe es Zeit gebraucht, die personellen Planungskapazitäten im Konzern hochzufahren, sagte er. Das meiste zur Verfügung stehende Geld geht für Erhalt und Ertüchtigung bestehender Strecken drauf. Der Netzausbau kommt hinzu. Wo aber die Prioritäten liegen, ist umstritten. So kommt die Rheintalbahn zwar voran, doch das Jahrzehnte-Projekt wird kaum für eine schnelle und spürbare Verbesserung im Güterschienenverkehr sorgen. Ähnlich steht es um die Investitionspläne für Knotenpunkte wie Frankfurt am Main: soll kommen, wird dauern. Viele kleine Störfaktoren im Netz Hagedorn und die Vize-Vorsitzende der Parlamentsgruppe Schienenverkehr, die Linke-Politikerin Sabine Leidig, plädierten dafür, sich weniger auf große Prestigeprojekte zu konzentrieren. Stattdessen verdienten die vielen kleinen Störfaktoren im täglichen Netzbetrieb mehr Aufmerksamkeit. Derselben Ansicht war Berit Börke, Vertriebsvorstand des Schienenlogistikunternehmens TX Logistik. Es brauche bessere Fahrpläne und Kommunikation sowie mehr Koordinationskapazitäten bei den Infrastrukturbetreibern. Sie war auch die einzige Diskussionsteilnehmerin, die dem Schweizer Modell eines Bahninfrastrukturfonds etwas abgewinnen konnte. Das Schlusswort kam Gastredner Füglistaler zu, der sich einer Empfehlung zur richtigen Investitionsstrategie enthielt. Vielleicht, weil sie allein nicht entscheidend ist auf dem Weg zu einem modernen Eisenbahnsystem in Deutschland, mahnte er: "Es ist zu wenig Geld im System. Ohne mehr Geld geht es wirklich nicht." PG Schiene-Vorsitzender Özdemir fordert drei MilliardenDie Geschäfte der Parlamentsgruppe (PG) Schienenverkehr im Bundestag führt das Deutsche Verkehrsforum. Vorsitzender ist seit April 2018 der Grünen-Politiker Cem Özdemir, der auch den Verkehrsausschuss im Bundestag leitet. Er forderte bei dem parlamentarischen Abend in Berlin jetzt drei Milliarden Euro jährlich für Aus- und Neubau vom Bund, damit die Schiene in Deutschland mit den ökonomischen und ökologischen Anforderungen weiterhin mithalten kann. ag

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