Antriebe der Zukunft

Es ist gerade viel Bewegung in der Transportbranche. Ja, natürlich auch die zahlreichen Güter, die befördert werden wollen. Aber mit Bewegung sind an dieser Stelle die Rahmenbedingungen gemeint, mit denen sich die Unternehmen befassen müssen. Hier sieht es derzeit nicht nach einem festen Raster aus, an dem sie sich orientieren können. Viel Bewegung, viel Unsicherheit Viel Bewegung bedeutet viele Möglichkeiten, damit aber auch eine große Unsicherheit: Wie geht es mit der Konjunktur weiter, die derzeit so stark von den Entscheidungen der Staatslenker mächtiger Nationen abhängt wie selten zuvor? Was sind die Antriebe der Zukunft im Straßengüterverkehr? Und wie verändert die Digitalisierung die Transportwelt? Exemplarisch nur drei Fragen, über die sich Manager und Geschäftsführer von Unternehmen aus der verladenden Wirtschaft und bei den Transportdienstleistern gerade den Kopf zerbrechen. Sicherlich hatte keiner der Teilnehmer am Dialogforum des BWVL (Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik) vergangene Woche in Berlin eine abschließende Antwort auf diese Frage erwartet. Aber in Zeiten großer Unsicherheiten ist das sicherlich ein entscheidender Grund, eine solche Veranstaltung zu besuchen: neue Erkenntnisse zu gewinnen, die für die Beantwortung der vielen Fragen hilfreich sind. Jochen Quick, der Präsident des BWVL, hatte bezüglich der konjunkturellen Entwicklung natürlich auch nicht die allwissende Glaskugel mit nach Berlin gebracht. Den rückläufigen Prognosen konnte er etwas Positives abgewinnen: "Vielleicht ist dies nach den Jahren der Hochkonjunktur aber auch eine Möglichkeit, einmal Luft zu holen." Anlass, in Panik auszubrechen, besteht seiner Ansicht jedenfalls nicht: "Nichtsdestotrotz ist die Auftragslage - da kann ich auch aus meinem beruflichen Alltag sprechen - noch gut." Als eines der "drängendsten Themen unserer Zeit" bezeichnete Quick das zunehmende Umweltbewusstsein und die damit verbundenen Konsequenzen für die Logistikwirtschaft. Um die Ziele eines reduzierten CO2-Ausstoßes im Verkehr zu erreichen, "bedarf es eines breit gefächerten Angebots an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben und der damit einhergehenden Infrastruktur". Die Politik sei gefordert, über Förderanreize hinaus - bundesweit - auch die Versorgungsinfrastruktur für alternative Kraftstoffe sicherzustellen. Doch was wird der Antrieb der Zukunft im Lkw-Verkehr? "Wir wissen es nicht, aber wir erwarten von den Herstellern, dass sie ein breites Angebot machen und dass die Fahrzeuge bezahlbar sind und irgendwann auch zu konkurrenzfähigen Preisen zu erhalten sind", sagte Steffen Bilger, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister. Bilger machte deutlich, dass auch der Straßengüterverkehr seinen Beitrag zum Klimaschutz liefern müssen wird. Hier besteht aktuell großer Druck aufgrund des Klimaschutzgesetzes, an dem die Bundesregierung derzeit fieberhaft arbeitet und dessen erster Vorschlag laut Bilger noch in diesem Jahr vorliegen soll. Offenbar hat man im Bundesverkehrsministerium bereits grobe Berechnungen gemacht, welchen Beitrag die einzelnen Akteure im Verkehrssektor zum CO2-Ziel leisten sollen: "Wir brauchen bis 2030 500.000 Nutzfahrzeuge - Lkw und Busse - mit alternativen Antrieben", sagte der CDU-Politiker. Wer sich den derzeitigen Verbreitungsgrad von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben ansieht, wird schnell merken: Das ist eine ambitionierte Zahl. Bilger verwies zwar auf Fortschritte wie auf den städtischen Verteilerverkehr: "Da passiert ja auch einiges." Aber: Die "große Herausforderung" sei die Einführung alternativer Antriebe bei den schweren Lkw und auf den langen Strecken (siehe auch Kasten). Lkw rückt zunehmend ins Blickfeld "Da setzen wir auf Wasserstoff, der in der Brennzelle erzeugt wird, auf den Gasantrieb und den Oberleitungs-Lkw", sagte Bilger. Wobei, so richtig überzeugt schien er vom Oberleitungs-Lkw nicht zu sein: "Ich finde es gut, dass man das mal ausprobiert." Hört sich ein wenig danach an, dass man dieser Technik zwar eine Chance gibt, aber nicht so richtig daran glaubt. Bilger gestand selbstkritisch ein, dass in der Vergangenheit vor allem der Pkw im Mittelpunkt stand, wenn es um zukünftige Antriebe ging. Das könne man auch am Elektromobilitätsgesetz erkennen, das bereits 2005 verabschiedet wurde. Hier zeichnet sich jetzt ein Strategiewechsel ab: "Wir müssen viel mehr über alternative Lkw-Antriebe reden", sagte der Staatssekretär. Deshalb hat das Verkehrsministerium bereits verschiedene Maßnahmen zur Förderung beschlossen: finanzielle wie die Mautbefreiung alternativer Antriebe oder die Förderungen des Kaufs solcher Lkw. Auch beim Aufbau einer entsprechenden Tankstelleninfrastruktur sei man schon weit, wobei Bilger zugestand, dass dies nicht für LNG-Tankstellen gilt: "Da gibt es derzeit vier, fünf. Das ist absolut unzureichend. Wir überlegen, wie wir das über eine Förderung verbessern können." Als einen weiteren Treiber zum Umstieg auf alternative Antriebe nannte Bilger die Vorgaben, die aus Brüssel gekommen sind. Bis 2030 müssen demnach die Flotten der Lkw-Hersteller 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen, sonst drohen empfindliche Geldbußen. "Wir haben diese Zahlen mit einer gewissen Skepsis begleitet, aber am Ende dem Vorschlag zugestimmt, weil es keine Alternative dazu gab", sagte Bilger. Doch allein sind diese finanziellen Maßnahmen laut Bilger nicht ausreichend, um den Wandel hinzubekommen: "Wir müssen kreativ sein und nach neuen Lösungen suchen. Da ist die Digitalisierung eine große Chance, die viel möglich macht." Dabei gehe es nicht nur um autonomes Fahren, Drohnen oder Zustellroboter. Bilger griff das Thema der Leerfahrten auf. "151 Millionen Leerfahrten gibt es jedes Jahr in Deutschland", kritisierte er. Da gebe es noch viel Potenzial, es besser zu machen. Da könne auch die Digitalisierung einen Beitrag liefern. "Digitalisierte Abläufe, vernetzte Verkehrsträger, optimierte Transportrouten: Mit all diesen Maßnahmen können wir diese Zahl deutlich senken und überflüssige Verkehre reduzieren." Ein Optimismus, den womöglich nicht jeder Logistiker so teilen dürfte, weil aufgrund von äußeren Faktoren wie fehlenden oder passenden Rückladungen für viele Transporte nicht die Möglichkeit besteht, das Fahrzeug auch auf der Rückfahrt auszulasten. IRU-Weltkongress 2020 in Berlin Zahlreiche Probleme also, die da auf die Branche zukommen. Auch wenn keine endgültigen Lösungen zu erwarten waren, konnte das BWVL-Forum aber Richtungen aufzeigen, wohin die Reise geht. Positive Randnotiz: Am Rande der Veranstaltung wurde bekannt, dass der Weltkongress der IRU (International Road Transport Union) vom 20. bis 21. Oktober 2020 in Berlin stattfindet. Aus Sicht von Bilger ein wichtiges Signal für Deutschland als "Logistikweltmeister", dass hierzulande auch solche Veranstaltungen ihren Platz haben. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier BWVL www.verkehrsrundschau.de/dossiers Trends beim Einsatz klimaschonender Antriebe Wasserstoff-Brennstoffzelle statt BatterieDie angepeilten drastischen CO2-Minderungen bis 2030 werfen die Frage auf, was denn nun der Lkw-Antrieb der Zukunft ist.Stefan Ruhland, Direktor Logistik-Management bei ALDI Süd, ließ keinen Zweifel daran, dass er Erdgasantriebe als wirtschaftliche und klimaschonende Alternative ansieht. Mit den vier im Flottentest befindlichen CNG-Fahrzeugkombinationen hätte man sehr gute Erfahrungen gemacht. Dem ebenfalls im Test befindlichen E-40-Tonner attestierte Ruhland zwar die "Strahlkraft eines Leuchtturmprojektes", das aber von den Gesamtkosten betrachtet nicht konkurrenzfähig sei. Ebenso wie er der Idee von MAN und Mercedes, 26-Tonner-E-Lkw zu testen, nichts abgewinnen kann:"Wir benötigen große Lkw. Denn wir wollen Belieferungen möglichst mit einer Tour erledigen." Interessant auch die Aussage des Logistik-Managers, dass ALDI ab sofort keine Verbrenner-getriebenen Kühlaggregate mehr kauft. Vielmehr gehe man den Weg über ein hydraulisch vom Zugfahrzeug angetriebenes Aggregat."Der Motor des Zugfahrzeugs arbeitet sauber und ökonomisch, der elektrische Antrieb am Aggregat ist leise und emissionsfrei."Dass Wasserstoff als Antrieb für Brennstoffzellen deutlich früher als erwartet zur Verfügung steht, erläuterte Jorgo Chatzimarkakis von Hydrogen Europe. Im Vergleich zu flüssigem Erdgas bestehe außerdem eine ausreichend flächendeckende Versorgung mit H2. Zudem besteht die Möglichkeit der lokalen Erzeugung. Chatzimarkakis wies darauf hin, dass sich China inzwischen aus der Batterie-Technologie zurückziehe und stärker in die Brennstoffzelle investiere. gg

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