Praktische Elektro-Kiste

Die Motivation, vom renommierten Hersteller von Getränkeaufbauten auch noch zum Hersteller eines Elektrofahrzeugs zu werden, erklärt Robert Orten ganz visionär: "Es ist keine Frage, ob die Elektromobilität für innerstädtische Logistik kommt, sondern nur wann. Und da wollen wir als innovationsorientierter Mittelständler vorne mit dabei sein." Beim "Electric City", kurz Elci, laufen bei Orten an der Mosel zumindest die Fäden der Entwicklung zusammen. Die mühselige Kleinarbeit, das langwierige Werben um Investoren und Partner, um eine Idee Wirklichkeit werden zu lassen, verschweigt der umtriebige Moselaner nicht. "Wir haben natürlich längst nicht die Möglichkeiten eines Automobilkonzerns. Mit denen wollen wir uns aber auch gar nicht messen." Ortens Ziel ist ein spezialisiertes, auf jeden einzelnen Kundenwunsch zugeschnittenes Fahrzeug. Das zeigt schon eines der ersten im Kundenauftrag umgesetzten Objekte, ein kleines 2-Zonen-Kühlfahrzeug, mit dem die Deutsche See in Bremerhaven frischen Fisch und Tiefkühlfisch an innerstädtische Kunden verteilen will. Ein weiterer Interessent kommt aus dem Paketbereich und fragt einen kleinen City-Verteiler an. "Sicher, der Elci ist ziemlich Basic und fordert Abstriche beim Komfort", weiß Orten. Zusätzlich fordert der Kunde alle möglichen Features von Klimatisierung bis zu komfortableren Sitzen - und alles soll preislich im Rahmen bleiben. "Mal sehen, ob wir das hinbekommen", sagt Orten-Entwickler Wilhelm Kemmnitz. Klar, dass man bei gehobenen Komfortansprüchen auch Abstriche bei der sehr ordentlichen Nutzlast machen muss: Normalerweise trägt das schmalspurige, nur 3,86 Meter kurze Fahrgestell 600 Kilo. #ä##Trotz Kühlaufbau packt der Mini 360 Kilo Sorgsam ausgefräst zeigt sich der Stahlprofilrahmen, gewichtsoptimiert der Aufbau. "Beim Kühlfahrzeug realisieren wir dank Leichtbaupaneelen noch 360 Kilo Nutzlast, obwohl allein die Kühlmaschine 70 Kilo wiegt und wir im vorderen Bereich Tiefkühlqualität bieten", erklärt Kemmnitz. Und fügt nicht ohne Stolz an, dass der Elci so gut isoliert sei, dass nach zehn Stunden voller, selbstredend elektrischer Kühlleistung aus dem Thermo-King-Aggregat auf minus zehn Grad gerade mal 20 Prozent aus den großzügig dimensionierten 21 kW/h Zebra-Batterien "verschwunden" sind. Im Ernstfall soll der gesamt 1485 Kilo schwere Elci über Nacht "vorgekühlt" auf die Lieferrunde gehen. Die laut Kemmnitz auch gegenüber Kälte recht unempfindlichen, 100 Prozent recyclebaren Sodium-Nickel-Chlorid-Speicher stammen vom etablierten Schweizer Hersteller Fiamm, die Elektronik liefert Brandt zu. "Auf eine stärkere Rekuperationsfunktion haben wir bewusst verzichtet, das treibt alles das Gewicht und erhöht die Komplexität", erklärt Kemmnitz. Und so bleibt der mittlerweile bei E-Autos freudig erwartete, kräftige Bremseffekt aus, wenn man im 15 kW starken Elci mit deutlich hörbarem Trambahn-Surren ("das wird noch leiser") bei der kleinen Tour durch Bernkastel-Kues vom "Gas" geht. Umso mehr sollte man ein Gefühl für die träge reagierende Bremse entwickeln - oder E-Mobil-gemäß vorausschauend fahren. Dann glänzt der per Haushaltssteckdose in acht Stunden aufladbare Elci mit Reichweiten von bis zu 150 Kilometern, sogar 200 Kilometer im Eco-Modus (maximal 40 km/h). Gefordert ist der Elci-Fahrer auch am Lenkrad: Servo-Unterstützung? Kostet alles Nutzlast. Also wird ehrlich, dafür mit bestem Gefühl für die Fahrbahn gekurbelt. Sportsgeist fordert auch der quasi nicht vorhandene Federungskomfort. Aber, was soll's, bei dem zugedachten Aktionsradius hat das nicht alleroberste Priorität. Dafür verwöhnt der Elci mit einem Wendekreis fast auf dem Fleck. Schmal wie er ist (1,37 Meter vorn), sorgt er auch in der engen Bernkastler Altstadt nicht für sonderlichen Aufruhr. Im Gegenteil, die kauzige Optik trägt dem Kleinsttransporter mit dem 3,2 Kubikmeter großen "Rucksack" jede Menge Sympathien ein. Der Koffer-Aufbau, der dank 2,2 Metern Ladelänge und 1,47 Metern Ladebreite locker zwei Euro-Paletten aufnimmt, ist übrigens per Gabelstapler wechselbar. "Bei Nachfrage könnten wir natürlich auch eine Art Wechselbrücke mit ausklappbaren Stützen realisieren", skizziert Kemmnitz. Was den Charme für die innerstädtische Verteilung natürlich weiter erhöhen würde. "Was kostet denn so ein Fahrzeug?" fragt ein älterer Herr, ganz augenscheinlich nicht in gewerblicher, sondern touristischer Absicht im pittoresken Moselstädtchen. Tja, gute Frage: "Wir wollen hart an der 30.000-Euro-Schallmauer bleiben für das Basismodell mit Trockenfrachtkoffer." Womit man auch bei einem weiteren heiklen Punkt wäre: "Wir als Mittelständler würden uns mehr Unterstützung von der Politik wünschen. Es genügt nicht, die Elektromobilität nur im Rahmen von Großkonzernen zu fördern, die ganz andere Möglichkeiten haben, zu entwickeln oder an Gelder heranzukommen. Oder überhaupt nur in Sonntagsreden", mahnt Robert Orten an. Lobend erwähnt er immerhin die Ansätze aus dem Dobrindt-Papier zur Elektromobilität. Er wünscht sich aber weitere Förderung wie etwa eine Ausnahme von der EEG-Umlage für E-Fahrzeuge oder den politisch forcierten Einsatz in kommunalen Fuhrparks. "In Frankreich bekommt man jedes Elektroauto mit 6000 Euro bezuschusst", verweist er ins nahe Nachbarland, in dem er seit Jahren eine enge Kooperation mit der Firma Libner/St. Maixent pflegt. Verteiler-LKW als mobile Elci-Basis Dort wurde er überhaupt auf die Elektromobilität aufmerksam. Libners originelles, seit Kurzem von Schenker/Frankreich erprobtes und staatlich gefördertes LKW+Elektrofahrzeug-Kombi-Konzept BIL (www.bil.libner.com) fußt allerdings auf Ortens Idee mit dem Elci. Verdrießen lässt er sich von all den germanischen Widrigkeiten aber nicht. Im Gegenteil: "Lassen Sie sich mal überraschen. Wir haben da so einen Prototypen am Laufen, ein umgerüsteter, elektrischer Verteiler-LKW", plaudert Orten aus dem Nähkästchen und schmunzelt. Er ist sich eben sicher, die Elektromobilität kommt. Und auch wenn er weiß, dass die E-Mobil-Branche eine, wie er sagt, "Blutspur" an Insolvenzen nach sich zieht (nach Modec und Smith geriet zuletzt auch Brandt in Schwierigkeiten): Orten will durchhalten.

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