Pokern um mehr Kohle

Pokern um mehr KohleNach langen Jahren des Stillhaltens haben viele Mitarbeiter die Nase voll und fordern wieder mehr Geld von ihrem Arbeitgeber. Wie Sie Ihre Beschäftigten bei der Stange halten und sich trotzdem bei den Gehaltsgesprächen erfolgreich durchsetzen.Chef – ich will mehr Geld." Auf diese Forderung müssen sich etliche Transport- und Speditionsbetriebe jetzt einstellen. Denn gerade Mitarbeiter in nicht leitenden Positionen haben sich in den vergangenen Jahren mit ihren Gehaltsforderungen stark zurückgehalten. Mit der Folge, dass "die Schere weiter auseinandergegangen ist", wie ein oberbayerischer Spediteur einräumt. "Die Mitarbeiter werden langsam unruhig."Auch die hohen Tarifabschlüsse, die manche Gewerkschaft in den letzten Monaten durchgesetzt hat, dürften so manchen Fahrer, Lagermitarbeiter und kaufmännischen Angestellten zum Gespräch mit der Geschäftsführung ermutigen. Gerade Unternehmen, die keiner Tarifgemeinschaft angehören, müssen sich nun auf Gehaltsgespräche einstellen. Denn mit einem Inflationsausgleich wird sich kaum ein Mitarbeiter abspeisen lassen. Zumal auch dieser bei drei Prozent liegt – nach den jüngsten Preiserhöhungen für Energie und Lebensmittel. Höhere Gehälter, mehr für den StaatAllerdings tun sich viele Transport- und Logistikbetriebe mit Lohn- und Gehaltserhöhungen angesichts ihrer schmalen Margen schwer. Was nicht verwundert, denn in absoluten Zahlen bleibt Arbeit in Deutschland teuer. Für eine Arbeitsstunde inklusive Nebenkosten zahlte ein Unternehmer hier zu Lande 2007 im Schnitt 29,10 Euro, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen. EU-weit lag Deutschland damit auf Platz 7 unter den EU-Ländern. Nur in Skandinavien, den Benelux-Ländern sowie Frankreich liegen die Lohnkosten noch höher – an der Spitze rangiert übrigens Dänemark mit Stundensätzen von 35 Euro. Andererseits stiegen in Deutschland 2007 die Arbeitskosten auch nur um ein Prozent. In der EU ist das der bei Weitem niedrigste Zuwachs.Mit ein Grund für die Zurückhaltung der Betriebe: Aufgrund des progressiven Steuersystems profitiert von höheren Gehältern nämlich vor allem einer – der Staat. "Will ein Mitarbeiter 100 Euro mehr netto, sind das 200 Euro brutto", rechnet der eingangs genannte Spediteur vor. "Inklusive Nebenkosten kostet mich dies unterm Strich 270 Euro im Monat mehr."Gegen pauschale Lohnerhöhungen für alle Mitarbeiter äußern allerdings immer mehr Arbeitsmarktkenner Bedenken. "Gehen Sie nicht nach der Rasenmähermethode vor, sondern bezahlen Sie nach Leistung", rät Markus Schäfer, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Advico in Stutt-gart. Wer das Unternehmen mit seiner Arbeit wirklich voranbringt, muss hingegen mehr bekommen als der Mitarbeiter, der nur Durchschnittliches leistet. Das kann, muss aber nicht eine Gehaltserhöhung sein. Eine sinnvolle Alternative sind leistungsabhängige Prämien, die bei Erreichen von festen Zielvorgaben bezahlt werden. "Vereinbaren Sie zum Beispiel beim Jahresgespräch mit Ihrem Logistikmitarbeiter, dass innerhalb eines festen Zeitraums bestimmte Fehlerquoten nicht überschritten werden dürfen oder Kundenreklamationen unter einer festgelegten Zahl bleiben müssen", rät Schäfer. Vergleichbare Limits zum Beispiel für beschädigte Sendungen oder überzogene Anliefer- beziehungsweise Abholtermine können auch für Fahrer vereinbart werden. Solche Benchmarks motivieren vor allem leistungswillige Mitarbeiter, die ohnehin zu den Stützen des Unternehmens zählen – die weniger Qualifizierten ziehen hingegen nicht unbedingt mit. "Ein Vorgesetzter muss diesen Kollegen glasklar sagen, dass sie die erforderliche Leistung nicht bringen", betont Sabine Fleck, Inhaberin von Fleck Consult in Eichenau bei München. Vor allem leitende Angestellte tun sich mit solchen Aussagen erfahrungsgemäß schwer. Warum das so ist, darüber rätselt Fleck. "Viele Vorgesetzte sind hervorragende Fachkräfte, aber mäßige Führungskräfte", sucht die Expertin nach einer Erklärung.Wer aber als Firmenchef Leistungsprämien einführen will, muss mit seinen Mitarbeitern ohnehin Klartext reden, weil solche Maßnahmen nur mit einem niedrigeren Fixgehalt Sinn machen. Von dessen Höhe hängen die Leistungsprämien ab. "Wird das Fixgehalt um zehn Prozent gesenkt, müssen mit Leistungsprämien Gehaltssteigerungen bis zu 20 Prozent möglich sein", nennt Fleck einen Richtwert. Letzten Endes ist dies indes eine Frage der Finanzierung. Individuelle Leistungsziele verhandelnEine Alternative zu Leistungsprämien sind Gewinnausschüttungen, die nur bei schwarzen Zahlen fällig werden. Aller-dings kann der Unternehmer auch bei dieser Variante nur dann zwischen einzelnen Mitarbeitern differenzieren, wenn vorher individuelle Leistungsziele ausge-macht wurden. Wenn weder Gehaltserhöhungen noch Leistungsprämien gezahlt werden kön-nen, rücken Incentives (Leistungsanreize) in den Mittelpunkt. Sie können bis zu ei-ner bestimmten Höhe jedem Mitarbeiter gewährt werden, ohne dass zusätzliche Steuern anfallen (s. Kasten auf Seite 41). So kann das Unternehmen inklusive Mehrwertsteuer seinen Mitarbeitern bis zu 44 Euro Extras im Monat steuerfrei gewähren. Beispiele sind:Zuschüsse zum öffentlichen Nahverkehr, Waren- oder Treibstoffgutscheine, Zuzahlung zu Gesundheitsprogrammen der Krankenkassenoder gar die Übernahme der Mitgliedsgebühren für das örtliche Fitnessstudio. Für manche Maßnahmen gilt dieses Limit sogar überhaupt nicht nicht. So kann jeder Arbeitgeber die Kindergartenkosten für den Nachwuchs seiner Arbeitnehmer in voller Höhe übernehmen und diese Ausgaben von der Steuer absetzen. Gleiches gilt für Weiterbildungsmaßnahmen. Kann der Mitarbeiter diese als Sprungbrett für eine besser bezahlte Position nutzen, hat er mit Zeitverzögerung auch die gewünschte Gehaltserhöhung erreicht. "Fragen Sie einfach Ihre Mitarbeiter, was diese wünschen, und entwickeln Sie anhand der Mehrheitsmeinung ein Angebot", macht die Beraterin Sabine Fleck den Unternehmern Mut.Gehaltsbandbreiten festlegenEgal ob der Firmenchef dem Mitarbeiter einen Gehaltszuschuss, eine Leistungs-prämie oder ein Incentive bewilligt – jede Zugabe muss sich innerhalb der festge-legten Bandbreiten bewegen. Auf ein fes-tes Gehaltsgefüge kann ein Betrieb schon deshalb nicht verzichten, weil viele Mitarbeiter zu unterschiedlichen Konditionen eingestellt werden. Wer von einem Konkurrenten abgeworben wird, einen befristeten Arbeitsvertrag abschließt oder in Zeiten großer Fachkräfteknappheit an-heuert, kann in der Regel ein höheres Gehalt aushandeln. Wenn ein Unternehmen in seinem Lohngefüge nicht nur die Position, sondern auch berufliche Erfah-rungen oder erhöhte Arbeitsplatzrisiken berücksichtigt, werden solche Unterschiede plausibel. "Dann fällt die Ablehnung von unbegründeten Gehaltsforderungen leichter", argumentiert Beraterin Fleck. Aber auch hier kommt es auf den Einzelfall an. Leistungsträger gezielt motivierenMeist müssen vor allem langjährige Mit-arbeiter, die schon als Auszubildende ins Unternehmen eingetreten sind, sich mit niedrigeren Gehältern zufriedengeben: Wenn deren Leistung einwandfrei ist, kommt der Unternehmer an einer finan-ziellen Gleichstellung mit Kollegen, die erst später in den Betrieb eingetreten sind, nicht vorbei. Andererseits werden echte Leistungsträger, die Initiative zeigen und keine Befehlsempfänger sind, nur bleiben, wenn sie überdurchschnittlich bezahlt werden. Manchmal hilft dabei auch ein Trick. "Schaffen Sie Hierarchien und ernennen Sie den Leistungsträger zum stellvertretenden Vorsitzenden", rät Markus Schäfer, Geschäftsführer von Advico in Stuttgart. "Das nimmt die künftige Entwicklung ohnehin nur vorweg. Wenn Führungspositionen in der Disposition, im Fuhrpark oder in der Lagerverwaltung frei werden, werden sie fast immer mit einem Leistungsträger aus dem eigenen Haus besetzt."❙❚■ Stefan Bottler, freier Journalist

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