Palettentausch

Palettentausch Palettentausch am Scheideweg Für Spediteure ist derPalettentausch schon lange ein Ärgernis: Schlechte Qualitäten und die Rennerei mit denPalettenscheinen nerven. Alternative Systeme machen dem Platzhirsch das Revier streitig. Eigentlich müsste das Jubiläum ein Grund zum Jubeln sein: Vor 50 Jahren beschlossen mehrere europäische Eisenbahnen, einen einheitlichen, frei tauschbaren Ladungsträger einzuführen. Heute ist er als Europalette bekannt – und aus der modernen Logistik nicht mehr wegzudenken. Doch ausgerechnet zum Jubiläum steckt die Palette in der Krise: Nutzer klagen über sinkende Qualität bei hohen Handlingkos-ten, geschlossene Pools greifen an, gleichzeitig entsteht neue Konkurrenz durch Ladungsträger aus Plastik. Nicht nur Spediteure stellen mittlerweile laut die Frage: Ist der Palettentausch noch zeitgemäß? Die European Pallett Association (Epal), Hüterin über den sogenannten weißen Pool der Europaletten, will sich die Feierstimmung nicht verderben lassen. „Es gab immer Diskussionen“, sagt Martin Leibrandt, Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Paletten, dem deutschen Nationalkomitee der Epal. „Aber allein im letzten Jahr sind 28 Millionen neue Paletten in den offenen Pool gekommen.“ Für ihn ein Zeichen dafür, dass der Palettentausch nicht ausgedient hat. Tatsächlich ist der Klassiker im Format 800 mal 1200 Millimeter immer noch der Platzhirsch: Über 350 Millionen Stück sind in Europa im Umlauf, rund 90 Millionen davon in Deutschland. Dennoch verstummt die Kritik nicht. „Der klassische Europalettenpool stößt aufgrund nicht trennscharfer Beurteilungsmaßstäbe der Palettenqualitäten an seine Grenzen“, kritisiert zum Beispiel Birgit Heitzer, Leiterin Logistik bei dem Einzelhandelskonzern Rewe Group. Die Lage bisher: Jeder Betrieb beurteilt die eingehenden Ladungsträger anders. Beim einen gibt es drei Qualitätsstufen, der andere definiert fünf, die sich unter anderem nach der Farbe des Holzes richten. Hier plant die Epal Verbesserungen. „Wir wollen die Qualitätskriterien überarbeiten“, kündigt Leibrandt an. Beim Dienstleister GS1 tagt derzeit eine Arbeitsgruppe, die ebenfalls einheitliche Qualitätskriterien festlegen will. Nach Auskunft des Projektleiters seien drei Stufen geplant. Das Hauptproblem in der Tauschpraxis dagegen bleibt: Der Spediteur liefert Ware auf tadellosen Ladungsträgern an und bekommt blau angelaufenes Altholz zurück – oder einen Palettenschein, sodass er wochenlang den Ladungsträgern hinterherlaufen muss. Das bringt den Transportunternehmer in eine Zwickmühle: Einerseits will er seinen Kunden nicht enttäuschen, andererseits hat er keine Handhabe gegen den Empfänger, da er mit ihm in keinem Vertragsverhältnis steht. Was bleibt, ist, die Paletten auf eigene Rechnung zu reparieren oder Ersatz zu beschaffen. „Der Verschleiß im System wird von den Transporteuren aufgefangen“, kritisiert Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Ruiniert durch Palettenkosten Wie teuer die Speditionen der Palettentausch wirklich kommt, hatte eine Studie des Fraunhofer IML ans Licht gebracht: Demnach tragen die Frachtführer mit 2,50 bis 3 Euro den Löwenanteil der Umlauf-kosten von 3,80 bis 5 Euro. Die Versender, etwa aus der Konsumgüterindustrie, zahlen nur 1,00 bis 1,40 Euro, die Empfänger noch weniger. Für Ersatz, Reparatur und Verwaltung von Paletten kommen bei einem mittelständischen Spediteur schnell sechsstellige Summen zusammen. „Es gibt Firmen, die daran zugrunde gegangen sind“, berichtet BGL-Chef Schmidt. So mancher Spediteur meldet eine Reparaturquote um die 40 Prozent, das heißt, vier von zehn Paletten, die zurückkommen, müssen aufgearbeitet oder ersetzt werden. Und Insider beobachten, dass die Qualität im offenen Pool noch weiter sinkt. Der Grund: Dienstleister wie Paki Logis-tics oder DPL kaufen von Handelsunternehmen angeblich derzeit im großen Stil qualitativ hochwertige Paletten ein, um sie ihren Kunden zur Verfügung zu stellen. Paki-Chef Christian Kühnhold will das nicht bestätigen und verweist darauf, dass der Europaletten-Pool von den Vereinbarungen zwischen den Parteien lebe. Theoretisch ließe sich das Problem der schlechten Rückläufer im Palettentausch leicht aus der Welt schaffen. Der Spediteur müsste vom Empfänger lediglich eine Tauschgebühr verlangen, die seine Handlingkosten deckt. Doch Marktkenner Schmidt vom BGL hält das für unrealistisch. „Die Macht des Handels ist viel zu groß.“ Sobald sich ein Spediteur den Palettentausch bezahlen lasse, würden die Handelsunternehmen einen anderen Dienstleister beauftragen, der dies nicht tut. „Es gibt immer Leute, die genau den einen Euro nicht haben wollen.“ Eine andere Möglichkeit bestünde darin, die Palette zusammen mit der Ladung zu verkaufen. In diesem Fall müsste jedoch ein Empfänger gefunden werden, der die Zusatzkosten akzeptiert. Hinzu kommt, dass der Spediteur den Preis der Ladungsträger stets der aktuellen Marktlage anpassen müsste. Doch die schwankt ständig, regional und erst recht über Ländergrenzen hinweg. Paki-Chef Kühnhold: „Das Fakturieren ist ein schwieriges und nicht einfach abbildbares Unterfangen.“ Zu den Paletten, die mit der Ladung verkauft werden sollen, gehört auch die World-Palette. Um diesen Ladungsträger, der von der deutschen Firma Falkenhahn hergestellt wird, gab es zuletzt viel Wirbel. Er unterscheidet sich bis auf Logo und Aufdruck nicht von der regulären Europalette. Deshalb wollte die Epal die aus ihrer Sicht irreführende Kopie gerichtlich verbieten lassen, scheiterte jedoch. Seitdem vermarktet Falkenhahn seinen Holzquader als Einwegpalette. Nach Ansicht von Marktkennern ist die Welt-Palette bislang nur wenig verbreitet. Die Angreifer aus Kunststoff Neue Konkurrenz könnte der Europalette durch Wettbewerber aus Kunststoff entstehen. Firmen wie Craemer versuchen schon länger, Europaletten aus Plastik auf dem Markt zu etablieren. Pilotversuche laufen vielversprechend. „Wir testen 18 Kilogramm schwere Kunststoffpaletten in einem geschlossenen Kreislauf“, berichtet ein Insider. „Unserer Erfahrung nach ist Kunststoff bei den Umlaufkosten güns-tiger oder schneidet zumindest gleichrangig mit Holz ab.“ Ein weiterer Vorteil: Plas-tikpaletten können zwar nicht repariert werden, halten in der Regel aber länger und können recycelt werden. Marktkenner beurteilen die Chancen von Alternativen aus Kunststoff unterschiedlich. „Aufgrund der steigenden Anforderungen in der Lager- und Kommissioniertechnik sowie generell höheren Anforderungen in bestimmten Distributionskreisläu-fen kann für den ein oder anderen Verwender eine Kunststoff-Europalette durchaus interessant sein“, meint Ekart Kuhn vom Beratungsunternehmen Ekupac. Paki-Boss Kühnhold dagegen sieht eher eingeschränkte Möglichkeiten. „Bei Europaletten ist Kunststoff wegen der millionenfachen Verbreitung insgesamt noch keine Alternative. Bei der Düsseldorfer Palette allerdings, die heute sehr hohe Reparaturquoten aufweist, könnte Kunststoff eine der denkbaren Optionen sein.“ Als Alternative zum weißen Pool agieren die Betreiber geschlossener Palettenpools. Chep etwa, bekannt durch seine blauen Ladungsträger, erzielte zuletzt im Palettengeschäft ein Umsatzplus von 5,2 Prozent. Zu den Firmen, die der Europalette den Rücken kehrten und jetzt ihre Ladungsträger von dem Kölner Dienstleister managen lassen, gehört auch Ketchuphersteller Heinz. Jens Plachetka, Geschäftsführer des Nahrungsmittelkonzerns begründet die Entscheidung vor allem mit Umweltargumenten: „Durch das Chep-Managementsystem entfallen teure Rückführungen der Ladungsträger und umweltbelastende LKW-Leerfahrten. Zudem wartet Chep seine Paletten regelmäßig und verwendet sie wieder.“ Logistikampel rettet Holzpalette Bleibt die Frage: Wird die geballte Konkurrenz der Europalette bald den Garaus machen? Sicher nicht. Auch in Zukunft wird es den Zug-um-Zug-Tausch, von Dienstleistern gemanagte Pools und geschlossene Systeme geben. „Aus unserer Sicht liegt in der individuell gestalteten Kombination aller drei Systeme die Zukunft“, sagt Heitzer von Rewe. Für die Europalette könnte dabei das Nachhaltigkeits-Argument sprechen. „Die Palette ist zeitgemäß – weil sie Ressourcen schont, und das wird immer wichtiger“, sagt Sönke Weerts, Unternehmensberater aus Bremen. Der ehemalige Chep-Manager erwartet, dass mittelfristig auf allen Produkten im Handel eine „Logistikampel“ abgedruckt sein wird, die dem Verbraucher anzeigt, wie umweltschonend die Logistikkette ist. Hersteller, die mit der nachhal-tig erzeugten Holzpalette tranportieren, könnten hier punkten, meint Weerts. ❙❚■ Constantin Gillies, freier Journalist Beladen gegen unbeladen: Der Palettentausch ist für Speditionen teuer und arbeitsintensiv Tauschsystem nicht mehr zeitgemäß Ali Aktug von der Spedition Emons sieht die Europalette kritisch und kann sich mit der Idee des Weiterverkaufs anfreunden. Wie schätzen Sie die Qualität im Europalettenpool derzeit ein? Ali Aktug: Die Qualität bei den Holzpaletten ist gleichbleibend schlecht, gleichzeitig steigen die Anforderungen der Verlader an die Qualität der Paletten permanent. Die wollen 1A-weiße Paletten. Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem beim Palettentausch? Das komplette System ist nicht mehr zeitgemäß. Die Administration im Stückgut über viele Schnittstellen hinweg kostet zu viel und der klassische Zug-um-Zug-Tausch passt nicht mehr: Entweder dem Empfänger fehlen Paletten zum Tauschen oder das anliefernde Fahrzeug hat keinen Platz oder keine Zeit. Durch die Systemverkehre im Stückgut gibt es heute zu viele Beteiligte, die alle verwalten. Wäre es eine Alternative, die Paletten mitzuverkaufen oder einen Dienstleister einzuschalten? Der Verkauf ist nach unserer Einschätzung die einzig richtige Verfahrensweise. Die tatsächlichen Kosten für eine Holzpalette stehen in keinem Vergleich mehr zu den Kosten, die das Tauschverfahren aufwirft. Das Einschalten eines Maklers dagegen hilft nur bedingt. Zudem bleibt der gesamte administrative Bereich inklusive Inventurrisiko in der Spedition. cg Interview Ali Aktug Die alternativen im Umgang mit Ladungsträgern Funktionsprinzip Sinnvoll, … Offener Pool Jeder Marktteilnehmer, der Ware auf einer Europalette anliefert, hat das Recht darauf, einen Ladungsträger in gleicher Qualität an der Entladestation mitzunehmen. Alternativ wird ein Palettenschein ausgestellt. wenn Ladungsträger, etwa im Stückgutgeschäft, an sehr viele verschiedeneEntladestellen geliefert werden. Geschlossener Pool Ein Dienstleister vermietet einen eigenen Ladungsträger, der nicht gegen Europaletten getauscht werden kann. Der Poolbetreiber stellt die Qualität sicherund kümmert sich um die Rückführung. wenn ständig hohe Mengen an Ladungsträgern in hoher Qualität benötigt werden, etwa im Lebensmittel-Einzelhandel oder bei Lieferungen ins Ausland, wo die Europalette nicht verbreitet ist (Beispiel: Großbritannien). Dienstleister für Europaletten Ein externes Unternehmen kümmert sich um die Versorgung mit Ladungsträgern. Es betreibt Annahmestationen und organisiert die Rückführung vonPaletten. wenn die Verkehre sehr unpaarig sind (mehr aus- als eingehende Lieferungen) und bei wenigen, immer gleichen Entladestellen. Auch wenn hohe Anforderungen beim Verwender an die Palettenqualität bestehen, etwa beim Einsatz in automatischen Hochregallagern, empfiehlt sich der Einsatz eines Dienstleisters. Weiterverkauf Die Palette wird als Teil der Verpackung betrachtet, weiterverkauft und entsprechend fakturiert. wenn der Palettenrücklauf nicht gesichert ist, zumBeispiel bei Transporten ins Ausland oder wenn der Kunde immer nur neue Paletten verlangt.

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