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Osteuropäische Lkw-Fahrer streiken an deutscher Autobahn: Ein Kommentar

20.04.2023 13:00 Uhr | Lesezeit: 3 min
Streik Lkw-Fahrer A5
Die osteuropäischen Lkw-Fahrer haben ihre Arbeit nieder gelegt, weil sie teilweise seit Wochen nicht mehr bezahlt wurden
© Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Seit gut drei Wochen streiken vor allem osteuropäische Lkw-Fahrer bei Gräfenhausen an der A5. Sie fordern ihren Lohn und bessere Kontrollen. Die VerkehrsRundschau hat sich ebenfalls mit dem Thema auseinander gesetzt. Chefredakteur Gerhard Grünig kommentiert das Geschehen an der Autobahn.

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Die Ereignisse auf der Raststätte Gräfenhausen erinnern in ihrem martialischen Auftritt an Krieg, einen polnischen Einmarsch. Eine Art Söldnertruppe, mobilisiert von einem polnischen Transportunternehmer, will Fahrern die wegen lange nicht bezahlter Löhne streiken, die Lkw abnehmen.

Die Eskalation auf der Raststätte Gräfenhausen am letzten Wochenende hat bundesweites Medienecho hervorgerufen. Dort haben zahlreiche Fahrer einer polnischen Spedition protestiert und ihre Lkw festgesetzt, weil sie vom Chef der Spedition seit Wochen keinen Lohn bekommen haben. Die Fahrer - meist aus ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken - nicht zu entlohnen, ist schon alleine eine Unverschämtheit. Dass der sogenannte Logistiker dann auch noch eine paramilitärische Truppe im Radpanzer losschickt, um die Fahrer einzuschüchtern und die Zugmaschinen zurückzuholen, setzt einem offensichtlichen Missstand die Krone auf.

Dank des schnellen Eingreifens der deutschen Polizei konnte eine weitere Eskalation verhindert werden. Der „Schlägertrupp“ zog nach diversen erkennungsdienstlichen Maßnahmen unverrichteter Dinge ab. Dem Vernehmen nach streiken die Fahrer weiter. Geld gab es bislang trotzdem nicht...

Natürlich liefen die Social Media-Kanäle bereits eine Stunden nach dem „Überfall“ über. Ein herbeigeeilter Verbandschef nutzte die Chance gnadenlos, um im Lokalfernsehen gegen Missstände, Lohndumping und die böse osteuropäische Konkurrenz zu wettern und noch Tage später füllten Bilder des Radpanzers und der uniformierten Schlägertrupps die Newsletter.

Aber mal ehrlich. Was der Unternehmer macht, ist eine Sauerei. Die betroffenen Fahrer sind, mit Verlaub, arme Sch...., auf deren Rücken ein Thema ausgetragen wird, welches im Grunde genommen ein gesamtgesellschaftliches Problem in Europa ist! Unsere Gesellschaft, zumindest Teile davon, finanziert ihren Wohlstand so. Geiz ist offenbar so geil, dass keiner bereit ist, für Retouren zu bezahlen oder für den Kühlschrank oder Fernseher zwei Euro mehr auszugeben. Wenn wir uns also darüber aufregen, dass ein „böser polnischer Logistiker“ seine Fahrer ausbeutet, sollten wir uns auch die Frage stellen: „Warum macht er das?“ Hat er denn von seinen Auftraggebern einen ordentlichen Salär für seine Transportdienstleistung bekommen?

Vielleicht steht ihm selbst das Wasser bis zum Hals. Denn, wer hat per se solche kriminelle Energie, einen paramilitärische Truppe in Marsch zu setzen, um im Nachbarland „Krieg zu führen“. Da muss einem das Wasser schon bis Oberkante Unterlippe stehen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Was der Mann und seine Truppe gemacht haben, ist NICHT tolerierbar. Aber er alleine ist nicht das Problem. Wir alle sind es! Und deshalb können auch nur wir gemeinsam die Lösung sein. Transport MUSS ordentlich bezahlt werden!

Ein Kommentar von Gerhard Grünig.

Leserbrief von Paul Burkart: „ Wenn man anständige Löhne zahlt, findet man auch Fahrer“

Das trifft für mich und mein Gewerbe nicht zu. Es meldet sich fast niemand. Sonntagsarbeit ist tabu, selbst wenn man dafür unter der Woche frei hat. Um den Job überdurchschnittlich zu bezahlen, fehlt auf der Erlösseite der Spielraum, weil dieser durch die politischen Auflagen sehr klein geworden ist. Auf meine Anfrage um eine Fuhrlohnerhöhung wegen der gestiegenen Lkw-Beschaffungskosten an einen meiner Verlader bekam ich die Antwort: „Er selbst kann die gestiegenen Energiekosten nicht mehr bezahlen“.

Mein Fazit: Unser Gewerbe macht die Politik mit der CO2-Bepreisung und der Autobahnmaut kaputt. Ich zahle mit nur drei Lkw ab 2024 rund 140.000 Euro Maut im Jahr. Aktuell 60.000, Euro mehr für Diesel. Diese 200.000 Euro, hauptsächlich staatlich verordneten Mehrkosten pro Jahr, nehmen mir jeden Spielraum für größere Fuhrlohnerhöhungen. Man muss schon froh sein, wenn man diese Kosten 1:1 weitergeben kann.

Hintergrundinformationen zum Thema: Lkw-Fahrer streiken an der A5

>> Lkw-Fahrer streiken auf Raststätte - sie fordern mehr Kontrollen

>> Fahrerstreik auf der A5: Spediteur erstattet Anzeige

>> Lkw-Fahrer streiken auf der A5: Ein Hintergrund-Interview

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KOMMENTARE


Michael Köhler

16.04.2023 - 12:06 Uhr

Für die Fahrer ist es eine schlimme Situation - seit Jahren... Es scheint sich nichts zu ändern. Auf der anderen Seite ein Beleg für kriminellen Erfindungsreichtum bei der Beschaffung von billigen Arbeitskräften. Die Beschaffungmaßnahmen rücken immer mehr noch Osten. Dabei fällt mir noch ein: es sind doch keine osteuropäischen Fahrer... Was machen Fahrer aus Drittstaaten hier? Arbeitnehmerfreizügigkeit gibt's doch nur in der EU oder hab ich da was verpasst?


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