Der Streik osteuropäischer und zentralasiatischer Lastwagenfahrer auf der südhessischen Raststätte Gräfenhausen war am Dienstag, 18. April, Thema einer Debatte im Europaparlament in Straßburg. Dabei ging es nicht nur um den Kampf der aus Georgien und Usbekistan stammenden Fahrer um ausstehenden Lohn, den sie bei einem polnischen Speditionsunternehmer durchsetzen wollen, sondern auch um verstärkte Kontrollen im Transportwesen und die Arbeitsbedingungen von Menschen aus Drittstaaten.
Die EU-Kommission stehe zu fairer Mobilität, betonte Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte. Es gebe keine unterschiedlichen Kategorien von Arbeitern, es gebe nur Arbeiter mit den gleichen Rechten, betonte er mit Blick auf Arbeitnehmer aus Ländern außerhalb der EU. Die Berichte aus Gräfenhausen nannte Schmit beunruhigend. „Es ist völlig inakzeptabel, dass heute in Europa, in der Europäischen Union, Arbeiter nicht ihr Gehalt erhalten.“ Gerade Arbeiter aus Drittländern seien besonders durch Ausbeutung gefährdet, da sie die geltenden Regeln oft nicht kennen, sagte der EU-Kommissar.
EU-Abgeordneter sieht ein Vollzugsdefizit
Der Europaabgeordnete Dennis Radtke (CDU) verwies auf geltendes europäisches Recht zu Arbeitsbedingungen. „Es gibt kein Regelungs-, sondern ein Vollzugsdefizit.“ Die Behörden dürften nicht wegschauen.
Die Europaabgeordnete Gaby Bischoff (SPD), die am Montag die streikenden Fahrer besucht hatte, betonte, Verhältnisse wie die der Fahrer in Gräfenhausen dürften in Europa nicht Teil der Normalität sein. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“, forderte sie. Die beste Gesetzgebung nütze nichts, wenn sie nicht auf nationaler Ebene umgesetzt werde.
„Es gibt Speditionen in der EU, die die Ausbeutung ihrer Fahrer zum Geschäftsmodell gemacht haben“, sagte die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke. Özlem Demirel von der Linken forderte, rechtliche Schlupflöcher zu schließen, die es Arbeitgebern ermöglichen, Arbeiter aus Drittländern zu prekären Bedingungen einzustellen.
Die polnische Europaabgeordnete Elzbieta Rafalska sagte zu den Arbeits- und Lebensbedingungen der georgischen und usbekischen Fahrer: „Wir wissen, was es heißt, auf dem Arbeitsmarkt schlecht behandelt zu werden. Wir sind diesen Weg selbst gegangen.“
Erste Lkw-Fahrer haben Geld erhalten
Im andauernden Streik in Gräfenhausen haben unterdessen die ersten Fahrer Geld erhalten. Sie wollen auf der Raststätte bleiben, bis alle den ausstehenden Lohn erhalten haben. Sie erhalten Unterstützung von Gewerkschaften, Kirchen und Privatleuten, auch ein Spendenkonto wurde eingerichtet.
Der Anwalt des polnischen Unternehmers äußerte sich am Dienstagabend in einer Stellungnahme zu dem Konflikt. Der Protest sei für das Unternehmen „völlig überraschend“ gekommen, hieß es darin. Die Löhne würden vertragsgemäß gezahlt und seien „auf dem Markt für Fahrerlöhne sehr konkurrenzfähig“. Das Unternehmen sei um eine gütliche Lösung des Streits bemüht.
„Angesichts der schwierigen Marktsituation für Transportdienstleistungen im Januar und Februar dieses Jahres haben wir in Absprache mit den Fahrern und mit deren ausdrücklicher Zustimmung Sparmaßnahmen durchgeführt, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern“, schrieb der Anwalt. „Wir gingen davon aus, dass unsere Fahrer die Maßnahmen kannten und mit diesem Programm einverstanden waren, um die Unternehmen auf dem Markt für Transportdienstleistungen zu halten.“ (tb/dpa)