München. Mit einem CO2-Ausstoß von nahezu Null könnten Oberleitungs-Lkw wertvoll bei den Bestrebungen sein, die Klimaziele zu erreichen. Doch noch scheinen die Infrastrukturkosten ein großer Hemmschuh zu sein, die Fahrzeuge, die hauptsächlich mit Strom aus Oberleitungen fahren, auf die Straße zu bringen.
Wolfgang Thoma, Geschäftsführer der Spedition Ansorge Logistik, hat sich schon vor drei Jahren mit dem System beschäftigt. Thoma fand es interessant für eine wenige Kilometer lange Strecke zwischen verschiedenen Lagerhallen seines Unternehmens. Doch wegen der hohen Infrastrukturkosten nahm er Abstand von dem E-Highway, den sein Unternehmen selbst hätte finanzieren müssen. Stattdessen kaufte er lieber einen Batterie-betriebenen Lkw.
VDA: Vorhaben wäre kostspielig und langwierig
Ähnlich die Reaktion beim Verband der Automobilhersteller (VDA) – zumindest hinsichtlich einer großflächigen Verbreitung des neuen Systems. „Fernverkehrs-Lkw sind europaweit unterwegs“, sagt Kay Lindemann, Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). „Wenn Transportunternehmer auf Oberleitungs-Lkw umsteigen sollen, bedürfte es also einer europaweiten Oberleitungsinfrastruktur entlang der Autobahnen.“ In Deutschland gehe es dabei um 13.000 Autobahnkilometer, um mehrere zehntausend in Europa. „Ein solches Vorhaben wäre extrem kostspielig und politisch langwierig“, so Lindemann. Aus heutiger Sicht erscheine es völlig unrealistisch, dass die EU-Mitgliedstaaten ein so umfassendes Verkehrsinfrastrukturprojekt in kurzer Zeit gemeinsam umsetzen könnten.
Bei der EU-Kommission hält man sich dagegen vor so deutlichen Prognosen zurück. Auf VR-Anfrage heißt es aus der Generaldirektion Mobilität und Verkehr, dass man über die Entwicklung des E-Highway als eine Möglichkeit der Elektrifizierung des Lkw-Verkehrs informiert sei. Doch genau wie andere Projekte mit anderen Ansätzen sei auch der E-Highway noch zu wenig ausgereift, um Entscheidungen für oder gegen gezielte Förderungen zu treffen. „Strikt“ gegen Oberleitungs-Lkw spricht sich Michael Cramer aus, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Europaparlament. „Das ist nur ein weiterer Versuch, den Straßenverkehr attraktiver zu machen“, sagt der Grünen-Politiker. Bei der Bahn habe man bereits ein Oberleitungs-System. Bevor man mit viel Geld ein zweites solches System baue, sollte man das bestehende verbessern. Doch in seinem Ausschuss und im Plenum des Europaparlaments sei das Thema Oberleitungs-Lkw noch nicht debattiert worden.
Siemens testet in Deutschland, Schweden und in den USA
Bei Oberleitungs-Lkw versorgen ausklappbare Stromabnehmer den Motor mit Energie. Verlässt der Lkw die mit der Oberleitung ausgestattete Straße, schaltet das Fahrzeug auf eine andere Energiequelle um: Batterie, Gas oder auch herkömmlicher Diesel. Seit 2010 forscht Siemens an den Fahrzeugen in Deutschland. Bisher nur auf eigens dafür gebauten Teststrecken in Groß Dölln, nördlich von Berlin und im Rahmen von zwei vom Bundesumweltministerium geförderten Projekten. Außerdem testest Siemens das System in den USA und in Schweden. (kw/ks)