Logistik mit Rückgrat: Die Erfolgsgeschichte der Spedition Nuss

Volker Nuss, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Nuss in Wörth am Rhein, ist eine Pfälzer Frohnatur, der stets nach vorne blickt, den nichts so schnell umhaut. Im Januar habe er aber eine Mail von der Pkw-Sparte von Mercedes-Benz erhalten, erzählt er im Gespräch mit der VerkehrsRundschau und seinem Co-Geschäftsführer Alexander Ditz an seinem Firmensitz. "Die Botschaft dieser E-Mail war so eindeutig", sagt Nuss, "dass ich erstmal sprachlos war." Unabhängig dank Kundenmix Zum 1. Februar 2025 erwarte man, zitiert Nuss aus der Mail seines langjährigen Kunden, eine Kostenreduktion aller Transportverträge um zehn Prozent (Gesamtfrachtrate). Über das Schreiben hatte die VR in der Ausgabe 5/2025 umfassend berichtet. Was Nuss an dem Vorgehen besonders geschockt habe: dass er nur drei Tage Zeit gehabt habe, dieses Angebot zu akzeptieren oder abzulehnen. "So geht man nicht mit langjährigen Geschäftspartnern um." Für ihn sei aber sofort klar gewesen: "Wir werden keinen Cent preislich nachgeben können." Schließlich habe man sich mit der Pkw-Sparte von Mercedes-Benz nach mehreren Ausschreibungsrunden und Online-Biddings auf bestimmte Konditionen verständigt und dies vertraglich mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren vereinbart. "Es gibt also bestehende Verträge." Nuss räumt aber auch ein: "Wir können dieses Angebot heute leichter ablehnen, weil wir mittlerweile über einen breiten Kundenmix verfügen und deshalb von keinem Kunden mehr abhängig sind." Das war in der Spedition Nuss aber nicht immer so. Vor mehr als 90 Jahren gründete Otto Nuss, der Großvater, das Unternehmen in Kandel und fuhr mit Pferdefuhrwerken Holz und Stückgüter für die Deutsche Reichsbahn. 1955, nach dem Tod seiner Mutter, stieg dann sein Sohn Günter Nuss in den Betrieb ein - mit gerade einmal 14 Jahren und sorgte dort für neuen Schwung: So rüstete er bereits in den 60er-Jahren die Nuss-Lkw mit Sprechfunk aus - damals eine Sensation. 1980, nach dem Herzinfarkt seines Vaters, wechselte Volker Nuss, der eine Industriekaufmanns-Ausbildung bei Mercedes-Benz absolviert hatte, mit 24 Jahren in die elterliche Spedition - mit damals zwölf Lkw und 15 Mitarbeitern. Ein großer Sprung Heute zählen zur Nuss Gruppe, die mittlerweile auf 180 Mitarbeiter angewachsen ist, eine Speditions-, eine Logistiksparte und eine Fahrzeugvermietung. Allein das Firmengelände am Sitz in Wörth ist überwältigend - über mehr als 40.000 Quadratmeter Lagerflächen verfügt das Unternehmen hier. Dazu kommen weitere 15.000 Quadratmeter in Kandel und Herxheim. Jüngster Coup war im November 2024 der Kauf des Firmengeländes des französischen Automobilzulieferers Forvia (vormals Faurecia) in Hagenbach, unweit von Wörth, mit insgesamt 46.000 Quadratmeter Grundstücksfläche und einer 11.000 Quadratmeter großen Lagerhalle - inklusive Erweiterungsoption. Ein großer Sprung. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Das war schon immer die Maxime von Volker Nuss. Als zum Beispiel im Jahr 1992 die Tarife und der Konzessionszwang fielen und viele Transporteure durch die neue Konkurrenz um ihre Existenz bangten, startete er im Fernverkehr durch: "Durch die Liberalisierung stand uns ja plötzlich ganz Deutschland offen. Wir konnten nun auch Transporte in unser Nachbarland Frankreich durchführen. Früher durften wir nur im Umkreis von 50 Kilometern um unseren Standort fahren, weil wir keine Konzession hatten", erzählt er. Diese neue Chance nutzte Nuss - mit Erfolg. "Das war die Phase, in der wir über Jahre hinweg jedes Jahr beim Umsatz um zehn bis 15 Prozent zugelegt haben. In der Spitze hatten wir bis zu 100 eigene Sattelzugmaschinen und 160 Trailer." Kein Wunder, dass der bisherige Standort Kandel trotz mehrmaliger Erweiterung bald aus allen Nähten platzte und Nuss 2005 nach Wörth zog. Auch hier bewies der Unternehmenschef Geschäftssinn. So sitzt die Nuss Gruppe in unmittelbarer Nähe zur A 5, A 6, A 65, B 9 und B 10. Die perfekte Lage. Zudem ist das Produktionswerk von Daimler Truck nur sechs Kilometer entfernt, für das Nuss seit über zehn Jahren unter anderem Just-in-Sequence (JIS)-Verkehre erbringt. Auch einer der größten deutschen Getränkeabfüller mit einer seiner Abfüllanlagen sowie eine Papierfabrik befinden sich in unmittelbarer Nähe - beides sind ebenfalls Kunden von Nuss. Der Strategiewechsel 2008 und 2009 kam dann die Euro- und Finanzkrise. "Quasi über Nacht brach das Transportgeschäft damals ein - auch bei uns", berichtet Nuss. "Zehn bis 15 Lkw standen bei uns auf dem Hof, weil es keine Aufträge gab." Dazu kam der anhaltende Wettbewerbs- und Preisdruck der Osteuropäer im Transportmarkt. Den Kopf in den Sand stecken oder gar aufgeben? Für Nuss gab es nur eine Option: nach vorne zu blicken und sich strategisch neu aufzustellen. "Das war der Punkt, an dem wir uns breiter Richtung Lagerlogistik aufstellten", erklärt er. "Wir gaben einen Teil unserer Lkw ab und setzten dafür erst mal mehrere Subunternehmer ein. Zum einen, weil wir dadurch flexibler waren, zum anderen, weil schon damals das leidige Thema mit dem Fahrermangel losging." Die Spedition Nuss in Wörth am Rhein Im Jahr 1934 gründete Otto Nuss, Großvater des heutigen Unternehmenschefs Volker Nuss, die Spedition Nuss in Kandel/Pfalz. 1980 stieg Volker Nuss in das elterliche Unternehmen ein - mit damals zwölf Lkw und 15 Mitarbeitern. Jede Menge Lagerflächen Heute umfasst das Unternehmen, das mittlerweile in Wörth sitzt, eine Speditions-, eine Logistiksparte und eine Fahrzeugvermietung und beschäftigt insgesamt 180 Mitarbeiter und 44 eigene Lkw. Allein in Wörth verfügt die Spedition über mehr als 40.000 m² Lagerflächen. Allesamt gut gefüllt - mit Artikeln wie Zulieferteilen für die Automobilindustrie, elektronische Geräte, Maschinen, Getränke und Papier. Dazu kommen weitere 15.000 m² Lagerflächen in Kandel und Herxheim. In 2024 erwarb Nuss das Forvia-Firmengelände in Hagenbach mit insgesamt 46.000 m² Grundstücksfläche und einer 11.000 m² großen Lagerhalle. Supply Chain aus einer Hand Heute versteht sich Nuss als Komplettanbieter. Selbst komplexe Projekte im Bereich der Kontraktlogistik könne das Unternehmen mittlerweile händeln, betont sein Co-Geschäftsführer Alexander Ditz. So montieren seit mehr als zehn Jahren 15 Mitarbeiter des Logistikcenter Nuss im Auftrag eines Zulieferers komplette Mittelkonsolen für den neuen Actros und beliefern diese just-in-sequence direkt ans Produktionsband ins benachbarte Daimler-Truck-Werk in Wörth. Auch die Türverlängerung der Fahrzeuge haben die Nuss-Mitarbeiter im Auftrag des Zulieferers übernommen. Und zwar produktionsgenau direkt bis ans Band von Daimler Truck - in der jeweils korrekten Farbe in verschiedenen Gestellen, berichtet Ditz stolz. Damit nicht genug: Für einen namhaften Produzenten von Radio- und Navigationsgeräten wickeln die Nuss-Mitarbeiter alle Retouren ab. Auch die Qualitätsprüfung an Solarmodulen aus Fernost führen sie für einen Lagerkunden durch. Den Eigenfuhrpark hat Nuss dagegen deutlich reduziert. Nur noch 44 eigene Sattelzugmaschinen mit 110 Trailern sowie 35 fest eingesetzte Subunternehmer-Fahrzeuge werden, vorwiegend im Teil- und Komplettladungsgeschäft täglich disponiert. "Und am liebsten würde ich mich ganz vom Transportgeschäft mit eigenen Lkw verabschieden", verrät der Unternehmenschef, "weil die Kosten so hoch und die Erlösmargen so niedrig sind." Er weiß aber auch: "Ganz ohne Transport funktioniert Logistik nicht." Sprich: Wann immer es brennt, kann er auf eigene Fahrzeuge zugreifen - wie unlängst, als ein Kunde kurzfristig zehn Lkw an einem Samstag benötigte. Auch anderen Kunden kommen seine Lkw zugute, unter anderem dem besagten Getränkeabfüller auf dem Nachbargelände. So werden jede Nacht 15 bis 20 Nuss-Trailer mit PET-Flaschen des Abfüllers vorgeladen und diese dann am Folgetag in diverse Regionallager eines Lebensmittel-Discounters in Süddeutschland transportiert. Über die Zukunftspläne von Nuss und seine Nachfolge Trotz der Wirtschaftskrise haben Sie das riesige Areal von Forvia in Hagebach gekauft. Warum? Unsere Unternehmensgruppe Nuss, ist sehr Automotive-lastig. Rund 50 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit der Automobilbranche. Das Areal in Hagebach eröffnet uns neue Perspektiven. Wir können dadurch neue Kunden aus den anderen Branchen wie etwa Maschinenbau, Handel und Lebensmittel akquirieren und sehen hier noch weiteres Wachstumspotenzial. Sie sind jetzt 56 Jahre alt und führen seit 30 Jahren die Spedition Nuss. Wissen Sie schon, wie es persönlich mit Ihnen weiter geht? Ich habe schon so viele Überstunden, dass ich jetzt schon - mit 56 Jahren - in Rente gehen könnte (lacht). So früh werde ich das wohl nicht tun. Der Plan ist aber, dass ich mit 60 Jahren "einen Gang zurückschalten werde". Der Übergabeprozess ist schon eingeleitet. Zum einen bleibt natürlich mein Geschäftsführer-Kollege Alexander Ditz an Bord. Er ist jetzt 45 Jahre alt. Zum anderen rückt dann, das ist mein Wunsch, die nächste Generation sukzessive nach. Wer wird das sein? Meine Neffen Christopher Sitter und Silas Bast arbeiten heute schon in den Unternehmen mit. Beide haben in verschiedenen Großfirmen ein duales Studium absolviert. Auch meine älteste Tochter hat vor Kurzem Ihr duales Studium bei einem großen Industriebetrieb erfolgreich abgeschlossen und ist dort nun im Personalbereich tätig. Mein 17-jähriger Sohn macht zurzeit sein Abitur und arbeitet heute schon in seiner Freizeit im Lager und unserer Werkstatt mit. Er will nach seinem Abitur ein duales Logistik- und Speditionsstudium beginnen.Wettbewerbsvorteil Lagerfläche Nuss kann aber auch mit einem anderen gewichtigen Vorteil punkten. Sein Unternehmen verfügt über genügend Lagerflächen, was insbesondere für große Auftraggeber wichtig ist, die für ihre Expansion viel Fläche brauchen. Ein echter Wettbewerbsvorteil, wie sich gerade in der Corona-Pandemie zeigte. "Unsere Hallen waren bis unters Dach voll, weil die Unternehmen wegen der gerissenen Lieferketten händeringend nach Lagerflächen suchten, um über Pufferlager ihre Versorgungssicherheit sicher zu stellen", erinnert er sich. Und Lagerflächen seien in der Südpfalz nach wie vor rar. "In unserer Region gibt es kaum mehr Grundstücksfläche", sagt Nuss. "Und bis neue Grundstücke ausgewiesen werden, dauert es viele Jahre." Als vergangenen November das 46.000 Quadratmeter große Areal von Forvia in Hagenbach zum Verkauf stand, fackelte er deshalb nicht lange und investierte. Während andere Firmenchefs in der Wirtschaftskrise momentan eher auf die Kostenbremse treten, gibt der Pfälzer Unternehmer mächtig Gas. Joint-Venture mit LLS Spedition Angst, das riesige neue Areal nicht füllen zu können, haben die beiden Nuss-Geschäftsführer nicht. "Wir machen zwar viel für die Automobilbranche, etwa für Daimler Truck, Volvo und MAN, aber auch für viele Zulieferer von anderen Wirtschaftszweigen. Wir haben aber auch viele andere Kunden aus der Lebensmittel-, Papier- und Maschinenbauindustrie. Wir haben also einen großen Kundenmix", betont Ditz, der das Nuss-Logistikcenter verantwortet. Weiterer Plus-Punkt sei das Joint-Venture, das das Logistikcenter Nuss mit der Pforzheimer See- und Luftfrachtspedition LLS geschlossen habe, die für Zulieferer und deren Lieferanten unter anderem Importverkehre via See- und Luftfracht inklusive Verzollung aus China und Fernost managt. "Wir können unseren Kunden dadurch die komplette Wertschöpfungskette aus einer Hand offerieren, unter anderem für Unternehmen wie Skoda und Ford", erklärt Ditz stolz. Was ihn auch freut: in dem neuen Nuss-Lager auf dem Forvia-Gelände werden heute schon bis zu 500 Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) gelagert und von dort aus produktionsgenau ans Band von Daimler Truck in Wörth geliefert - inklusive logistischer Mehrwertdienste wie etwa Auspacken, visuelle Kontrollen, Prüfung und "End-of-Line-Tests" der LFP-Batterien. "In der Spitze sollen es einmal einige tausend LFP-Batterien pro Jahr werden, die dann in etwa die Hälfte, vielleicht auch zwei Drittel unseres Lagers belegen werden", kündigt Ditz an. Noch sei es zwar nicht so weit, doch an Kundennachfrage mangele es nicht. "Um Waren von Kunden einzulagern, haben wir zusätzlich Lager in der Region angemietet. "So gesehen war für uns der Kauf des Forvia-Geländes ein echter Glücksfall. Sonst hätten wir die Nachfrage unserer Kunden nicht befriedigen können." Nur eines erbittert Nuss und Ditz - trotz ihres Erfolgs: "Früher haben wir als Transportdienstleister unsere Leistung zuverlässig erbracht und konnten mit unserem Kunden als Partner langfristig planen", schildert es Nuss und verweist auf das besagte Beispiel Mercedes-Benz. "Heute spielen bei Transportausschreibungen die über Jahre hinweg erbrachten Leistungen in den meisten Fällen keine Rolle mehr. Dem Einkäufer geht es nur noch um den günstigsten Preis." Ditz ergänzt: "Dieses Spiel können und werden wir nicht mitgehen. Die Kosten sind so stark gestiegen, dass wir den Verladern preislich gar nicht weiter entgegenkommen können", betont er. "Lieber lehnen wir einen Auftrag auch mal ab und konzentrieren uns auf solche Geschäfte, bei denen Qualität noch eine Rolle spielt und entsprechend preislich honoriert wird." Generationswechsel im Blick So viel Leistungsbewusstsein - gepaart mit einer Portion Selbstbewusstsein - zahlt sich offenbar aus. Während andere Unternehmer momentan über Umsatzrückgänge klagen, rechnet Nuss in diesem Jahr mit 15 Prozent mehr Umsatz. Auch die Pkw-Sparte von Mercedes-Benz arbeitet im Übrigen weiter mit Nuss, obwohl er auf die besagten Preis-Forderungen nicht eingegangen sei, verrät er am Ende des Gesprächs. Trotzdem steht für den geschäftsführenden Gesellschafter bereits fest: "Mit 60 Jahren ist Schluss. Dann höre ich auf. Dann darf die nächste Generation ran", kündigt er an und lacht.