Nur die Größe zählt

Sechs Jahre mit Überkapazitäten und mageren Margen gefolgt von sechs fetten Jahren: Das war der Zyklus, an den die Containerreeder gewöhnt waren. Doch mittlerweile ist es schon fast sieben Jahre her, seitdem die Branche über einen längeren Zeitraum hinweg schwarze Zahlen schrieb - und noch immer weht den Reedern der Wind scharf ins Gesicht. 2015: Keine Trendwende in Sicht Auch für 2015 gibt es keine Anzeichen, dass sich der Markt zum Positiven wendet. Mittlerweile gehen deshalb viele Schifffahrtsexperten davon aus, dass es die gewohnten Zyklen nicht mehr gibt. "Wir können nicht mehr von einer Krise sprechen. Die Branche steckt vielmehr in einem Strukturwandel", sagte Ottmar Gast, Sprecher der Geschäftsführung der Reederei Hamburg Süd, während der Jahresversammlung des Zentralverbandes der Deutschen Seehafenbetriebe. Seine Begründung: Einige Reedereien verdienten mittlerweile wieder gutes Geld, der Rest müsse sehen, wie er zurechtkomme. In der Tat schrieben beispielsweise die beiden Branchenriesen Maersk Line und CMA CGM im ersten Halbjahr 2014 gute Gewinne. Maersk liegt sogar bei einer Ebit-Marge von neun Prozent. Das Erfolgsrezept der Dänen klingt simpel: Möglichst große und moderne Containerschiffe einsetzen, sie mit allen Mitteln auslasten und so zu den niedrigsten Stellplatzkosten produzieren. "Unsere effektive Kapazität ist gegenüber dem zweiten Quartal 2012 um zwei Prozent gesunken, während unser Volumen um zehn Prozent gewachsen ist", sagt Jens-Ole Krenzien, Geschäftsführer von Maersk Deutschland. Und zum neuen Jahr macht Maersk einen weiteren Schritt, damit es so bleibt: Dann tritt die Kooperation des Weltmarktführers mit der Nummer zwei der Branche, MSC, in Kraft. Im Rahmen eines Vessel Sharing Agreements (VSA) stellen sich die beiden Großreedereien auf den Ost-West-Verkehren gegenseitig Stellplatzkapazitäten zur Verfügung und verbessern dadurch ihre Auslastung. 185 Schiffe mit einer Kapazität von 2,1 Millionen Standardcontainern (TEU) sind in das Abkommen einbezogen. Der Markt hat bereits reagiert. Die Nummer drei, CMA CGM, tat sich mit der arabischen UASC und der chinesischen CSCL zu den Ocean Three zusammen. UASC ist zwar nur die Nummer 18 im Markt, wird aber durch Neubauten seine Kapazitäten um 75 Prozent aufstocken. Unter den Neubauten sind sechs 18.800-TEU-Schiffe. China Shipping wartet auf fünf 19.100-TEU-Schiffe. Das sind derzeit die weltweit größten Containerschiffe. Und CMA CGM steuert sechs Containerriesen mit 17.800 TEU bei. Zusammen mit den bereits bestehenden Allianzen G6 (mit Hapag Lloyd) und CKYHE werden 2M und Ocean Three 98 Prozent der Containerstellplätze auf der Route zwischen Fernost und Europa stellen.Speditionen und Verladern könnte angesichts dieser Zusammenballung von Marktmacht angst und bange werden. Doch davon ist nichts zu spüren. "Wir erwarten keine negativen Auswirkungen. Es ist genügend Wettbewerb vorhanden", kommentiert Kurt-Jürgen Schimmelpfeng, Geschäftsführer des Komitees der Deutschen Seehafenspediteure (KDS). Schimmelpfeng weist darauf hin, dass es in einem Oligopol sogar zu heftigen Preiskämpfen kommen könnte. Ein solches Szenario erhofft sich der Spediteursvertreter jedoch nicht. "Das würde über kurz oder lang die Servicequalität beeinträchtigen", warnt Schimmelpfeng. "Die Speditionen benötigen jedoch guten Service zu günstigen Preisen." Werden Containertransporte teurer? Burkhard Lemper, Professor am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen, weist darauf hin, dass die Ratenbildung offiziell nicht Bestandteil der Kooperationen ist. Jede Reederei vermarkte ihre Stellplätze selbst. Trotzdem könne es im Durchschnitt zu einer leichten Anhebung der Raten kommen - oder zumindest zu einer langsameren Ratenerosion nach Anhebungen. Ein möglicher Vorteil sei zudem eine geringere Volatilität der Raten. Als Auswirkung der Effizienzgewinne der Reedereien könnte es außerdem zu einer Reduzierung der Abfahrten kommen. "Die gleiche Menge wird mit weniger Diensten bewegt", beschreibt Lemper. Ein wenig anders stellt sich die Situation in den Häfen dar. Durch den Einsatz immer größerer Schiffe sinkt die Zahl der Schiffsanläufe bei steigenden Mengen. Das führt zu immer höheren Spitzenbelastungen - und zu Stockungen bei der Abfertigung. Gleichzeitig sinkt tendenziell die Zahl der Häfen, die von den Großschiffen angelaufen werden. Der Wettbewerb um die Abfertigung der Containerriesen tobt bereits und dürfte in Nordwesteuropa noch schärfer werden, wenn im kommenden Jahr die Maasvlakte II in Rotterdam in Betrieb geht und London Gateway noch stärker in Schwung kommt. Profiteur der 2M-Kooperation wird der Jade-Weser-Port (JWP) sein, der einen zusätzlichen Mainliner-Anlauf aus Asien bekommt. Damit läuft 2M den JWP genauso oft an wie Hamburg. Bremerhaven ist nach dem vorläufigen Fahrplan in fünf Loops vertreten. Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch macht sich dennoch keine Sorgen, dass die Allianzbildung zulasten des Elbehafens gehen könnte. "Wir sehen das eher als Chance. Unserer Lage ist eindeutig ein Vorteil für Hamburg", sagte Horch auf Nachfrage der Verkehrs-Rundschau. Gute PR für Hamburg liefert China Shipping. Das Ocean-Three-Mitglied will womöglich schon im Januar erstmalig mit einem 19.000-TEU-Schiff nach Hamburg kommen. "Wir haben das bereits simuliert. Es funktioniert", sagt Jens Meier, Chef der Hamburg Port Authority (HPA). Welche Häfen Nutznießer und welche Verlierer der großen Allianzen sein werden, wird sich erst dann herausstellen, wenn alle Allianzen angelaufen und die bereits georderten Großschiffe in den Markt kommen. Hier sind die Karten noch nicht gemischt. Momentan hat 2M die größten Schiffe, gefolgt von G6. Schaut man jedoch in die Orderbücher, könnte Ocean Three in absehbarer Zeit ihren Rückstand wettmachen. Investitionen trotz Überkapazitäten Paradox: Die Investitionsprogramme der Reedereien laufen ungeachtet dessen, dass es bereits Überkapazitäten gibt, auf Hochtouren. So hat Maersk angekündigt, nach dreijähriger Atempause von 2015 an bis 2019 drei Milliarden Euro im Jahr zu investieren - größtenteils in neue Schiffe. Was auf die ganze Branche bezogen wie kollektiver Wahnsinn aussieht, ist für die einzelnen Reedereien jedoch durchaus sinnvoll. Auf der Kostenseite kann nur mithalten, wer über große Schiffe einerseits niedrige durchschnittliche Stellplatzkosten generiert und auf der anderen Seite durch technische Optimierung und geringe Reisegeschwindigkeiten Treibstoff einspart. Hierbei sind auf "Super Slow Steaming" optimierte Schiffsmotoren der neuen Generation den älteren Schiffsmotoren klar überlegen. Es wird also noch einige Zeit vergehen, bis das Wettrennen beendet ist und die alten Zyklen zurückkehren. Bis dahin zählt hauptsächlich Größe.

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