Notbremse

Notbremse KündigungKaum ein Unternehmer kann sich heute noch leistungsschwache Mitarbeiter leisten. Wenn Instrumente zur Mitarbeiterführung versagen, bleibt nur eines: die Trennung.In der Buchhaltung des Transport- und Logistikunternehmers L. arbeiten zwei Vollzeitkräfte. Sie haben etwa die gleichen Aufgaben und das gleiche Arbeitspensum. Während Frau K. ihre Arbeit sehr gewissenhaft und schnell erledigt, unterlaufen Frau P. häufig Fehler. Außerdem arbeitet sie sehr langsam, sodass ihre Kollegin oft Aufgaben von ihr mit übernimmt. Frau K. wird das auf Dauer zu viel. Sie teilt ihrem Chef mit, dass sie in Zukunft nicht mehr bereit ist, für Frau P. mitzuarbeiten. In der Folgezeit bleibt immer wieder Arbeit liegen und Frau P. überweist mehrfach zu viel Lohn an die Fahrer, weil sie sich verrechnet. Der Chef möchte sich gerne von Frau P. trennen und eine leistungsstärkere Mitarbeiterin einstellen. So wie Unternehmer L. geht es vielen Chefs. Nicht alle Angestellten leisten hervorragende Arbeit. Während man bei den Spitzenkräften von High Potentials spricht, werden die, die hinter dem Durchschnitt zurückbleiben, im Arbeitsrecht als so genannte Low Performer bezeichnet. Doch Unternehmer können nicht von allen Mitarbeitern Spitzenleistungen erwarten. Die Formel "20-70-10" besagt, dass es in einem Unternehmen nur etwa 20 Prozent Top-Leute gibt. 70 Prozent gehören zur breiten Masse. Nur zehn Prozent leisten wirklich schlechte Arbeit. Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer aber nicht zur Erbringung eines bestimmten Arbeitserfolges. "Die zu erbringende Leistung hängt immer auch von den individuellen Möglichkeiten des Arbeitnehmers ab", erklärt Rechtsanwalt Dr. Bernd Haas aus der Münchener Kanzlei Klein & Partner. "Er soll tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann." Die Leistungsdefizite können dabei in folgenden Bereichen liegen:Minderleistung: Die Arbeitsmenge, die der Mitarbeiter erbringt, ist unzureichend. Schlechtleistung: Die Qualität der geleisteten Arbeit ist unzureichend. Fehlleistung: Der Mitarbeiter erbringt eine falsche Leistung.Lohnkürzung ist nicht erlaubtIn der Praxis bereitet es oft erhebliche Schwierigkeiten, festzustellen, ob ein Mitarbeiter tatsächlich unter der Norm liegt. Es reicht nicht aus, dass der Betreffende hinter der Leistung seiner Kollegen zurückbleibt. Schließlich könnte es ja sein, dass er mit besonders leistungsstarken zusammenarbeitet. Maßstab ist deshalb das, was allgemein von einem vergleichbaren Mitarbeiter verlangt werden kann. Ob ein Mitarbeiter gute Leistungen erbringt, sollte der Chef bereits im Bewerbungsprozess oder der Probezeit herausfinden. Er muss klare Anforderungsprofile erstellen und die Mitarbeiter besonders sorgfältig auswählen. Dabei helfen etwa Assessment-Center und konkrete Einarbeitungspläne. Auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber die Leistung von Mitarbeitern positiv steuern, etwa mithilfe von Zielvereinbarungen. Regelmäßige Kritikgespräche geben dem Mitarbeiter ein Feedback. Arbeitgeber sollten hier allerdings aufpassen, den Mitarbeiter nicht zu diskriminieren. Auch eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz kann die Minderleistung manchmal beheben. Besonders motivierend wirken sich flexible Gehaltsbestandteile aus. So kann etwa das Grundgehalt etwas geringer gehalten werden. Erreicht der Mitarbeiter bestimmte Ziele, erhält er eine Prämie. Das Tarifgehalt darf dabei aber nicht unterschritten werden. Nicht erlaubt ist es, dem Mitarbeiter den Lohn zu kürzen. Anders als etwa im Kaufrecht gibt es beim Arbeitsvertrag nämlich keine Minderung. Kündigung oder AufhebungsvertragBleibt die Leistung des Mitarbeiters weiterhin unzufriedenstellend, kann der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Schritte einleiten. Will der Mitarbeiter nicht mehr leisten, obwohl er könnte, kann der Chef etwa aus verhaltensbedingten Gründen kündigen. "Wie bei allen verhaltensbedingten Kündigungen gibt es grundsätzlich keinen Toleranzwert", erklärt Rechtsanwalt Bernd Haas. Eine minimale Unterschreitung der vollen 100 Prozent der individuellen Leistung dürfe nicht ausreichen. Ein Richtwert könne aber im Bereich von etwa 20 Prozent angesiedelt werden, so der Arbeitsrechtsexperte. In jedem Fall muss der Mitarbeiter vorher abgemahnt worden sein (siehe Kasten auf S. 38). Für den Arbeitgeber ist es oft schwierig, zu beweisen, dass der Mitarbeiter willentlich und damit schuldhaft weniger leistet. Im Prozess hilft ihm die so genannte abgestufte Darlegungs- und Beweislast: Er muss zunächst nur darlegen, dass die messbaren objektiven Arbeitsergebnisse hinter denen anderer vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben. Dies gilt den Richtern als Indiz. Nur wenn der Arbeitnehmer plausibel bestreiten kann, dass er seine individuelle Leistungsfähigkeit voll ausschöpft, hat er eine Chance, diese Kündigung abzuwenden – manchmal liefert er damit allerdings eine Steilvorlage für eine personenbedingte Kündigung.Kann der Mitarbeiter nämlich nicht mehr leisten, obwohl er will, etwa weil er an seine intellektuellen Grenzen stößt oder krank ist, kann der Arbeitgeber personenbedingt kündigen. Allerdings muss die Minderleistung eine gewisse Erheblichkeit haben, "etwa 30 Prozent", sagt Rechtsanwalt Bernd Haas. Eine Abmahnung ist zwar nicht erforderlich. Es muss aber absehbar sein, dass der Mitarbeiter auch in Zukunft keine bessere Leistung erbringen wird (so genannte negative Zukunftsprognose). Der Anwalt empfiehlt daher dringend, dem Arbeitnehmer Schulungen oder Fortbildungen anzubieten. Hat der Chef das nicht getan, kann er nämlich nicht behaupten, der Mitarbeiter werde auch in Zukunft schlecht arbeiten. Vielleicht hätte Weiterbildung seine Leistungen ja verbessert?Gibt es im Betrieb einen Betriebsrat, muss er vor der Kündigung gehört werden. Der Unternehmer muss ihn dazu über alle Umstände der Kündigung informieren und ihm für eine Stellungnahme eine Woche Zeit geben. Versäumt er das, ist die Kündigung schon aus diesem Grund unwirksam. Wer sich ohne Betriebsrat und gerichtlichen Krach trennen will, kann einem schlecht arbeitendem Mitarbeiter einen Aufhebungsvertrag anbieten. Das hat den Vorteil, dass sich der Arbeitgeber nicht dem Risiko eines Kündigungsschutzprozesses aussetzt. Was dem Mitarbeiter als Abfindung anzubieten ist, hängt nicht nur von der Beschäftigungszeit ab, sondern auch von der individuellen Situation und den Chancen eines Prozesses. Auch Unternehmer L. hat sich auf diese Weise von Frau P. getrennt. Auf sein Abfindungsangebot von vier Monatsgehältern hat sie sich eingelassen. Inzwischen hat er eine motivierte Nachfolgerin gefunden, die alle Aufgaben gut bewältigt. Nur die Fahrer sind etwas enttäuscht. Denn der fälschlicherweise von Frau P. zu viel bezahlte Lohn hatte ihnen ganz gut gefallen. ❙❚■ Ina Reinsch, freie Journalistin

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