Neues Lieferkettengesetz- was nun?

Es war wohl einer der schlimmsten Industrie-Unfälle Asiens in der jüngsten Geschichte. Am 11. September 2012 fing die Textilfabrik Ali Enterprises im pakistanischen Karatschi Feuer. 259 Menschen starben damals, weil sie das Gebäude nicht mehr rechtzeitig verlassen konnten. Einer der Hauptauftraggeber der Fabrik zur Brandzeit war Textil-Discounter Kik mit Sitz in Bönen. Weil offenbar Fenster vergittert waren, Notausgänge fehlten und nicht hinreichend Treppen da waren, verklagten Angehörige von Toten und Verletzten das Unternehmen Kik und forderten Schadenersatz - mit der Begründung, die Textilkette sei für die mangelnden Brandschutzvorkehrungen mitverantwortlich gewesen. Ab 1. Januar: neue Sorgfaltspflichten Um solche Missstände in Zukunft früher zu identifizieren und dadurch vielleicht gar zu vermeiden, hat der deutsche Gesetzgeber im vergangenen Jahr ein neues Regelwerk verabschiedet. Die Rede ist vom neuen Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz (LkSG), das zum 1. Januar 2023 in Deutschland in Kraft tritt - zunächst ausschließlich für in Deutschland ansässige Unternehmen sowie Unternehmen mit einer Zweigniederlassung mit mindestens 3000 Mitarbeitern in Deutschland. Schon ein Jahr später sinkt die Schwelle dann auf 1000 Mitarbeiter. "Mit dem neuen Gesetz sollen zum Beispiel Kinderarbeit, Ausbeutung und Naturzerstörung bei der globalen Produktion von Waren eingedämmt werden", erklärt Ulrich Balke, Director Markets der KPMG AG in Hamburg (siehe S. 23). Um dies zu gewährleisten, sind einerseits die Auftraggeber selbst dazu verpflichtet, soziale und ökologische Mindeststandards einzuhalten. Zum anderen müssen sie nun Sorge dafür tragen, dass auch alle ihre Lieferanten sowie Transport-, Speditions- und Logistikdienstleister im In- und Ausland diese Mindeststandards in Zukunft einhalten. Und Verstöße dagegen werden teuer geahndet. "Das können Bußgelder sein mit bis zu zwei Prozent des jährlichen Konzernumsatzes, bei mehrmaligem Verstoß", weiß er. Überwacht und entsprechend kontrolliert werde die Einhaltung der neuen Pflichten im Übrigen vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn. Wichtig ist Balke in diesem Kontext aber vor allem eines: "Kleine und mittlere Transport-, Speditions- und Logistikbetriebe sollten sich jetzt schon mit dem Lieferkettengesetz auseinandersetzen, auch wenn sie mit ihrer Betriebsgröße deutlich unter die Meldegrenze des Gesetzes fallen." Denn ihre Auftraggeber würden von diesen schlichtweg die Einhaltung des neuen Regelwerks künftig fordern. Und an deren Vorgaben sollten sich Dienstleister halten, sonst sind sie eventuell aus dem Geschäft raus. Zumal die EU ebenfalls an einem EU-weiten Lieferkettengesetz arbeite, das unter Umständen schon für Betriebe ab 250 Mitarbeitern gelten könnte, also noch strenger gefasst ist als das deutsche Lieferkettengesetz. Fakt ist: Die Umsetzung der neuen Auflagen, die das Lieferkettengesetz fordert, wird nicht trivial, wie Balkes Ausführungen zeigen. So müssen Unternehmen ab 1. Januar 2023 in ihren Betrieben ein Risikomanagement etablieren. Außerdem müssen sie jedes Jahr eine Risikoanalyse erstellen, indem sie etwaige Verstöße, zum Beispiel gegen das Arbeits- und Umweltrecht, dokumentieren - im eigenen Geschäftsbereich, aber auch im Bereich ihrer unmittelbaren Zulieferer wie etwa Transport-, Speditions- und Logistikdienstleister. Jedes Jahr müssen sie zudem eine Grundsatzerklärung abgeben, in der sie Aufschluss darüber geben, wie sie etwa bestimmte Umwelt- und Arbeitsrechtsauflagen umsetzen. Ebenso müssen sie jährlich auflisten, mit welchen Präventivmaßnahmen sie Missstände ausschalten wollen. Auch ein entsprechendes Beschwerdeverfahren nach dem deutschen Hinweisgebergesetz müssen die Unternehmen implementieren. A und O bei alledem ist aber die offene Kommunikation zwischen den Beteiligten in der Lieferkette. Wenn zum Beispiel ein Transport- und Speditionsbetrieb Sorge habe, dass es in seiner Lieferkette, etwa in Bangladesch bei einem Hersteller Kinderarbeit gebe, sollte er dringend mit seinem Auftraggeber sprechen, rät Balke. Denn als Dienstleister könne er zwar nichts dagegen tun, könnte aber im schlimmsten Fall als Glied in der Lieferkette für solche Verstöße verantwortlich gemacht werden. "Lassen Sie sich deshalb als Dienstleister in diesem Fall dringend von Ihrem Auftraggeber aus dieser Haftung freizeichnen", mahnt er. Ein Szenario, das zeigt, welche immensen Risiken in Zukunft in Lieferketten schlummern - im Übrigen für alle Glieder -, vor allem in internationalen Supply Chains. Immerhin: "Alles das muss im ersten Jahr noch nicht von den Unternehmen perfekt umgesetzt sein", macht der Berater Unternehmern Mut. Die Betriebe sollten sich da mit ihren Auftraggebern besprechen. "Das Wichtigste ist, dass die Firmen jetzt überhaupt mit dem Thema anfangen." Und dafür reiche es für Transport- und Speditionsbetriebe im ersten Schritt schon, sagt er, die Auftraggeber in einem kurzen Schreiben zu informieren, dass sie sich mit dem Lieferkettengesetz auseinandersetzen und am besten im Einvernehmen mit ihnen die entsprechenden Maßnahmen in den nächsten Jahren einleiten und umsetzen wollen. Mehr Regulatorik für die Unternehmen Unabhängig davon sollten sich kleinere und mittlere Transport-, Speditions- und Logistikbetriebe schon einmal auf folgende Neuerung einstellen: "Schon in zwei, drei Jahren müssen Unternehmen einen sogenannten nicht finanziellen Jahresbericht erstellen und abgeben", weiß Balke. Ab welcher Umsatz- und Mitarbeiterzahl dies dann verpflichtend sein wird und mit welchen konkreten Inhalten, alles das werde noch in Brüssel diskutiert. Hintergrund dafür sei die Verordnung (EU) 2020/852 Taxonomie-Verordnung. In diesem Jahresbericht müssen sie darlegen, erläutert Balke, welche Maßnahmen sie in puncto Umwelt, soziales und verantwortliches Handeln als Arbeitgeber ergriffen haben, um zum Beispiel Korruption, Kinderarbeit, Sozialstandards im Betrieb oder aber auch Umweltverstöße zu vermeiden. "Das wird parallel zum Lieferkettengesetz sehr viel Regulatorik für die Unternehmen im Alltagsgeschäft nach sich ziehen - insbesondere im Mittelstand", befürchtet er. "Denn die Firmen werden da wirklich berichtspflichtig, d.h. sie müssen dann den Jahresbericht erstellen." Aber auch hier wird letztlich nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird, macht der KPMG-Berater Mut. "Wenn ich jetzt schon einmal ein gut funktionierendes Beispiel für nicht so große Unternehmen heraushebe, dann leistet der Logistikdienstleister Alpensped schon Beachtliches." Das Mannheimer Unternehmen beschäftige sich schon seit über zehn Jahren mit diesen Themen. Mit dem Vorteil, dass sich Alpensped dadurch von Mitbewerbern abhebe, aber auch seine Mitarbeiter und neue Kollegen begeistere, gerne für das Unternehmen zu arbeiten. "Wir ermitteln seit 2012 nach dem Berechnungsstandard DIN EN 16258 den ökologischen Fußabdruck (TCF) aller Transporte und weisen diesen auf jeder Rechnung aus", konkretisiert Christian Faggin, Geschäftsführer von Alpensped (siehe S. 24). Zusätzlich werde der Gesamtfußabdruck der Firma nach ISO 14064 gemessen und zertifiziert. Vor zwei Jahren habe Alpensped dann die Klimainitiative 50/50 gestartet. Mittlerweile erstellt das Unternehmen sogar alle drei Jahre einen Nachhaltigkeitsbericht, um seine Nachhaltigkeits-Bestrebungen gegenüber seinen Anspruchsgruppen zu dokumentieren. "Das macht schon viel Aufwand", sagt Faggin. "Es ist aber machbar." Letztlich zahle sich dies auch aus, weil einige Auftraggeber ihm dieses Engagement mittlerweile sogar preislich honorieren. Vor allem aber seien die Auswirkungen des Klimawandels mittlerweile weltweit spürbar. "Das geht alle an", unterstreicht Faggin, und jeder müsse seinen Beitrag für die Umwelt leisten. Gerade als Logistikdienstleister habe er hier eine besondere Verantwortung. Mehr zum Thema unter #GrueneLogistik www.verkehrsrundschau-plus.de In Kürze Von 1. Januar 2023 an müssen Unternehmen ab 3000 Mitarbeitern hierzulande ihre Lieferketten im Blick haben - unter anderem in Hinblick auf Menschenrechte und Umweltstandards. Grund ist das deutsche Lieferkettengesetz. Ab dem Jahr 2024 gilt das Regelwerk auch für Firmen ab 1000 Mitarbeitern. "Sich frühzeitig mit dem Gesetz auseinandersetzen" Das Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz (LkSG) tritt zum 1. Januar 2023 hierzulande in Kraft - zunächst ausschließlich für Firmen mit mindestens 3000 Mitarbeitern."Transport-, Speditions- und Logistikbetriebe sollten sich aber jetzt schon mit dem LkSG auseinandersetzen", rät Ulrich Balke, Director Markets bei KPMG, "auch wenn sie mit ihrer Betriebsgröße deutlich unter die Meldegrenze des Gesetzes fallen." Denn Auftraggeber würden von diesen die Einhaltung des neuen Regelwerks künftig fordern. Dazu einige Tipps von Balke:- Risikosituation analysieren und Risikomanagement einrichten- Eine Grundsatzerklärung sowie Leitlinien durch die Unternehmensleitung erstellen- Präventionsmaßnahmen prüfen und Abhilfemaßnahmen angehen- Beschwerde- beziehungsweise Hinweisgeberverfahren im Unternehmen einrichten eh "Für mich ist Klimaschutz eine Investition in die Zukunft" „Ich will dazu beitragen, dass auch künftige Generationen in einer intakten Umwelt glücklich leben und erfolgreich wirtschaften können. Für mich ist Klimaschutz deshalb eine Investition in die Zukunft“, sagt Christian Faggin. Für den Geschäftsführer des Speditions- und Logistikunternehmens Alpensped in Mannheim sind das nicht nur Lippenbekenntnisse. So arbeitet die Verwaltung von Alpensped schon seit 2011 klimaneutral –zertifiziert nach ISO 14064 (CCF = Unternehmens-Fußabdruck) und nach DIN EN 16258 (TCF = transportbezogener Fußabdruck). Seit 2015 kompensiert Alpensped zudem einen Teil seiner Transporte über Klimaschutzprojekte. Und seit zwei Jahren bindet der Mittelständler mit seiner Klimainitiative 50/50 auch Kunden in sein Engagement für Klimaschutz ein. Auf die Frage, ob sich dieses nachhaltige Engagement auch für Alpensped auszahlt, sagt Faggin: „Vor elf Jahren, als wir damit anfingen, haben mich manche als ökologischen Spinner abgetan.“ Heute dagegen seien einige Kunden sogar bereit, für nachhaltige Transporte mehr zu bezahlen. Sein nächstes Ziel hat er deshalb im Blick: Im Jahr 2030 soll Alpensped komplett klimaneutral sein. eh Online Online-Seminar Zum 1. Januar 2023 tritt das Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz in Deutschland in Kraft. Auf welche Neuerungen sich Unternehmen hier einstellen müssen und was Unternehmen dafür konkret tun müssen, zeigt ein Online-Seminar der VerkehrsRundschau am 6. September 2022. Weitere Informationen gibt es unter: www.verkehrsrundschau.de/events

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