Neue Pflichten, neue Chancen

Das Jahr 2015 wird ein Schlüsseljahr für die Good Distribution Practice (GDP)-Novelle", ist sich Nicola Spiggelkötter, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Knowledge & Support in Bad Harzburg, sicher. "2013 reagierten viele Pharmaunternehmen aufgeschreckt über die scheinbar viel zu strengen Vorschriften, 2014 beobachteten sie sorgfältig, wie andere Marktteilnehmer reagieren", so die Phamalogistik-Expertin. "Und im Jahr 2015 ist der Stillstand vorüber. Jetzt sortieren sich immer mehr Unternehmen und formulieren konkrete Forderungen an ihre Transportpartner", ist Spiggelkötter überzeugt. Außerdem wird nun endlich ausgelotet, wie viel Spielraum das GDP-Regelwerk für standardisierte Auditierungen tatsächlich eröffnet. So arbeitet seit Sommer 2014 ein Ausschuss des Deutschen Instituts für Normung (DIN) in Berlin an einem einheitlichem Verfahren (sogenanntes DIN Spec) für die Qualifizierung von Fahrzeugen. Voraussichtlich im Sommer 2015 wird das Gremium, dem Pharmakonzerne, Großhändler, Aufbautenhersteller, Qualifizierungsdienstleister und diverse Branchenverbände angehören, fertige Ergebnisse vorstellen. Viele Pharmalogistiker werden aufatmen. Jede Lösung, die die komplexen GDP-Auditierungen vereinfacht und beschleunigt, ist hochwillkommen. Jenseits dieses Regelwerks stehen jedoch neue Herausforderungen in der Pharmalogistik an, allerdings auch mit neuen Chancen für Dienstleister, die in diesem Segment ihr Service-Portfolio ausbauen wollen. So wollen viele Pharmakonzerne mit auditierten Dienstleistern neue Märkte außerhalb Europas erschließen und alternative Vertriebswege testen. Einige Pharmahersteller stellen mittlerweile aus Kostengründen besonders hochpreisige und temperatursensible Medikamente wie Blutgerinnungspräparate sogar am Großhandel vorbei direkt den Patienten zu. Hier sind also Dienstleister gesucht, die Medikamente an Privatkunden oder auch direkt in die Arztpraxis ausliefern. Und für Martin Egger, Logistikchef des Marburger Systemdienstleisters Pharmaserv, ist dies erst der Anfang. Denn die Pharmahersteller haben seiner Einschätzung nach erkannt, welches Outsourcing-Potenzial an Transport- und Lagerdienstleistungen ihnen die Regelwerke GDP und GMP eröffnen. Sprich: Sie integrieren die Logistikunternehmen immer tiefer in ihren Wertschöpfungsprozess. "Als Partner einer auditierten Supply Chain können die Dienstleister zum Beispiel auch Services wie Umpacken und Umetikettieren übernehmen", sagt der Branchenkenner. Als Vorreiter darf sich in diesem Punkt Frigo-Trans fühlen. Das Logistikunternehmen hat Ende 2014 ein neues Lager in Fußgönheim bei Ludwigshafen eröffnet. "Wir lagern hier nicht nur hochsensible Pharmaprodukte, sondern bündeln auch Aufträge und kommissionieren Teilladungen verschiedener Hersteller mit gleichen Temperaturanforderungen und Zielen", sagt Geschäftsführer Peter Norheimer. "Ein anderes Konzept sind tägliche Linienverkehre zwischen unserem Lager und Produktionsstätten von Pharmakunden, die ihre Produkte bei uns lagern und just in time abrufen." Wunsch nach preiswerten Lieferketten Aber auch bei der weiteren Erschließung von Überseemärkten geben die Hersteller Gas. Da das Gesundheitswesen in Afrika, Asien und Südamerika schneller als in Deutschland und Westeuropa wächst, haben sie bereits vor Jahren die interkontinentalen Exporte hochgefahren: Vor allem die großen Länder Brasilien, China und Indien gelten als vielversprechende Märkte, auch wenn ursprüngliche Wachstumsprognosen von 13 bis 16 Prozent mittlerweile nach unten korrigiert worden sind. Als Folge des verstärkten Wettbewerbs steigt auch der Kostendruck und damit der Wunsch nach preiswerten Lieferketten (Supply Chains), etwa durch den Umstieg von Luft- auf Seefracht. Zumal laut Egger Seefrachtcontainer auch in punkto Sendungsqualität überzeugen. Der Pharmserv-Logistikchef wörtlich: "Da diese bis zur Entladung durch den Empfänger nicht geöffnet werden, bieten sie vor allem für temperatursensible Produkte, die in besondere Umverpackungen gesteckt worden sind, einen außerordentlich hohen Schutz". Auch gegen das Eindringen von gefälschten Pharmaprodukten in Supply Chains schützen Container besser als andere Ladeinheiten. Und hier wartet die nächste Baustelle: Ab dem Jahr 2017, dann tritt das Ganze auch in Deutschland in Kraft, muss laut EU-Richtlinie 2011/83/EG jede Produktverpackung ein Sicherheitsmerkmal tragen, das die Echtheit des Arzneimittels bestätigt. Die EU-Kommission schreibt einen 2D-Barcode mit 20 Stellen vor. An Lösungen, wie auf Basis dieses Labels durchgehende Kontrollen entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Wirkstofflieferanten über Pharmahersteller und Großhändler bis zur Apotheke ermöglicht werden, arbeitet zum Beispiel aktuell SecurPharm in Frankfurt. Der von fünf Pharma-Verbänden gegründete Dienstleister hält nach mehreren Testläufen zusätzliche Seriennummern für Versandeinheiten auf Basis des internationalen Serial Shipping Container Codes (SSCC) für notwendig. Investitionen in neue Technologien Auf jeden Pharmalogistiker kommt damit weitere Arbeit zu, egal ob die Unternehmen nun Container, Paletten oder Pakete transportieren. "Die Branche muss sich auf besondere Monitoring-Aufgaben einstellen", urteilt Spiggelkötter. Über die Sendungsverfolgung (Track & Trace) hinaus kann anhand dieser SSCC-Codes kontrolliert werden, ob ausschließlich zugangsberechtigte Mitarbeiter mit dem Warenumschlag beschäftigt waren und an welchem Punkt der Supply Chain eine Versandeinheit beschädigt wurde. Gut möglich also, dass Transport- und Logistikbetriebe in Zukunft Versandeinheiten zu Kontrollzwecken öffnen und Verpackungen mit nicht einwandfreien Sicherheitsmerkmalen entnehmen müssen. "Wenn die Versandeinheit anschließend wieder geschlossen und weiterverschickt werden soll, benötigt sie einen neuen SSCC-Code", sagt Egger. An Investitionen in Technologien, die 2D-Barcodes identifizieren und SSCC-Codes generieren, kommt die Branche also ab 2017 nicht vorbei. Medikamenten-Fälschung Gesetzliche Neuerungen gegen Medikamenten-Fakes Der Handel mit gefälschten Medikamenten ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Allein am Frankfurter Flughafen werden jährlich über 11.000 Sendungen mit rund einer Million Arzneimittel-Fakes beschlagnahmt. Vor allem Krebspräparate und Antibiotika werden gefälscht. Der Europäische Binnenmarkt macht den Tätern das Geschäft einfach. Wenn die Fälschung die EU-Grenze passiert hat, kann sie in allen 28 Mitgliedsländern problemlos vertrieben werden. Zusätzlich gelangen über das Internet viele gefälschte Medikamente auf den Markt. 2014 zog Interpol 9,6 Millionen online vertriebene Fakes aus dem Verkehr.Die 2013 in Kraft getretene GDP-Novelle greift das Thema bereits auf und schreibt Maßnahmen gegen Arzneimittel-Fakes vor, ohne diese aber zu präzisieren. Diese Lücke will die EU-Richtlinie 2011/83/EG schließen, die im Jahr 2017 in Deutschland in Kraft tritt, indem sie Sicherheitsmerkmale für jede Verpackung verordnet. Für das Transportequipment macht die Richtlinie keine Vorschriften. Allerdings gibt es längst Kühlfahrzeuge, die maximale Zugangssicherheit entsprechend den TAPA-Sicherheitsstandards gewährleisten."Bei unseren Trailern fahren 30 Sekunden nach dem Schließen 2,5 Zentimeter dicke Voll-Edelstahlbolzen in das Chassis, die nur mit einem Code wieder geöffnet werden können", erzählt Klaus Kauer, Leiter Qualitätsmanagement von Frigo-Trans. "In der Zugmaschine gibt es zum Schutz der Fahrer einen Panikbutton und eine Gasschnüffelanlage." Gut möglich, dass solche Ausrüstungen ab 2017 Standard werden. bot

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