Brenner-Nordzulauf: Verkehrsausschuss diskutiert Planungsalternativen

Es war eigentlich eine humorvolle Vorbemerkung, die Sitzungsleiter Udo Schiefner (SPD) zu Beginn der Anhörung im Verkehrsausschuss vorbrachte: 2010 habe er im Rahmen einer Parlamentsreise die Baustelle zum Brenner-Basistunnel besucht. So lange beschäftige Deutschland das Thema schon, so der Politiker. Als kritische Gegenstimme könnte man anbringen, dass in der Zwischenzeit 80 Prozent der Tunnelröhren zwischen Innsbruck und dem Brenner erfolgreich ausgebuddelt wurden - auf deutscher Seite ist seither nichts Sichtbares passiert. Die Anhörung im Verkehrsausschuss hatte die CDU/CSU-Fraktion beantragt, die damit die Diskussion für ihren Antrag über Planungsalternativen innerhalb der geplanten Trasse anstoßen will. Zum Status quo: Geplant ist eine zweigleisige Neubaustrecke zwischen Grafing bei München und der Landesgrenze nach Österreich, die teilweise untertunnelt verlaufen soll und parallel zu einer zweigleisigen Bestandsstrecke verläuft. Die Änderungswünsche der Union beziehen sich auf zwei Details der aktuellen Planung: die Forderung nach einem Tunnel, der den Inn bei Rosenheim unterqueren soll, und der komplizierten Frage nach einer Verknüpfungsstelle kurz vor der Grenze nach Österreich. Rein in den Berg? Vor allem letzterer Punkt sorgte für unterschiedliche Meinungen unter den Sachverständigen. Die Verknüpfungsstelle soll die insgesamt vier Gleise verbinden. Problem: Der geplante Ort befindet sich in einem Tal bei Oberaudorf. "Bereits im Bestand ist der schmale Talstreifen in hohem Maße durch Infrastruktur belastet", gab der Rosenheimer Landrat Otto Lederer zu Protokoll. Denn in dem gerade mal 500 Meter breiten Gebiet befindet sich nicht nur der Inn, sondern auch noch eine Autobahn, mehrere Staatsstraßen, zwei Pipelines und eine Stromtrasse. Der Alternativvorschlag der CDU/CSU-Fraktion sieht nun vor, die Verknüpfungsstelle in den Berg namens Wildbarren zu verlegen. Dieses Vorhaben ist "sehr komplex", gab Felix Heizler vom Deutschen Zentrum für Schienenverkehrsforschung zu bedenken. Das Problem seien die hohen Sicherheitsansprüche an solch ein System. Es gebe kein vergleichbares Bauwerk in der EU oder der Schweiz, weshalb "deutliche zeitliche Verzögerungen" durch die Vorplanung und -untersuchung für solch eine Variante zu erwarten seien. Zudem gibt es keine Garantie dafür, dass die Prüfung auch ein positives Ergebnis hervorbringt. Lukas Iffländer, Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro-Bahn, sprach gar von einem "Lotteriespiel". Für die Bergbau-Variante sprach sich der ehemalige Gesellschafter und Geschäftsführer eines Ingenieurbüros, Wolfgang Rauscher, aus, der auch als Berater einiger Inntal-Gemeinden tätig ist. Sein Vorschlag: Man könnte das Projekt bis zu einer gewissen Tiefe vorplanen und dann sehen, ob es durchsetzungsfähig sei. Er selbst hält den Bau der Verknüpfungsstelle im Berg technisch und aus Sicht der Sicherheit für machbar. Besuch aus Österreich Erfahrungen aus der Nachbarschaft brachte der Tiroler Landesrat für Verkehr, René Zumtobel, mit, der von den Fortschritten in Österreich berichtete. Alle vier Verknüpfungsstellen des Nordzulaufes habe man dort oberirdisch gebaut - eben, um komplizierten Prüfverfahren aus dem Weg zu gehen. Zumtobel wünscht sich, dass der Bundestag im kommenden Frühjahr endlich sein "Go" für den Nordzulauf gibt. Bei weiteren Verzögerungen müsse auch Tirol handeln - zu Deutsch: kein Ende der Blockabfertigungen. Auch die Frage nach einer Untertunnelung des Inns bei Rosenheim spaltet die Gemüter: "Ein Tunnel ist nicht immer eine Lösung für alle Probleme", sagte etwa Christine Völzow, die Geschäftsführerin der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Auch sie wünscht sich eine schnelle Entscheidung. Die Unterführung des Inns - so fürchten es einige Stimmen in der Sitzung - hätte ebenfalls eine längere Planungszeit sowie deutliche höhere Kosten zur Folge. Problem ist unter anderem, dass unter dem Inn ein Seeton-Gebiet liegt, das als komplizierter Baugrund gilt. Interessanterweise gab es in der Sitzung kaum Forderungen zu einem anderen Punkt: Nämlich, den zweigleisigen Neubau ganz abzublasen. Dies wollten mehrere Bürgerinitiativen aus dem Großraum Rosenheim erreichen - eine entsprechende Petition aus dem Jahr 2019 wurde allerdings inzwischen vom zuständigen Ausschuss des Bundestages abgelehnt. Die Gegner sagen auch heute noch, dass eine Ertüchtigung der Bestandsstrecke ausreichend sei. Das fordert auch der bayerische Landtagsabgeordnete Andreas Winhart (AfD), wobei er gleich eine komplette Neuplanung des Projektes "Nordzulauf" vorschlägt. Auch wenn bei der Frage nach dem Neubau zumindest temporär Ruhe oder gar weitgehende Einigkeit herrscht, ist beim Nordzulauf noch lange nicht das letzte Wort gesprochen. So rechnen jetzt schon einige Stimmen mit Klagen, die nicht vermeidbar seien. Der Bundestag soll Anfang 2025 über das Vorhaben entscheiden. Vor den 2040er-Jahren rechnet keiner mit einer Eröffnung. Das ist übrigens ohne Tunnel und unterirdischer Verknüpfungsstelle kalkuliert.

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