Mit Qualität auf Nummer sicher

Auf seine über 70 Mitarbeiter kann sich Oliver Hüer verlassen. Als der Chef des Münsteraner Transport- und Logistikunternehmens im Frühjahr per Inserat neue Fahrer suchte und das "familiäre Arbeitsklima" im Betrieb hervorhob, haben über ein Dutzend Kollegen auf Facebook diese Aussage unterstützt. "In diesem Unternehmen ist einfach alles top", schwärmt ein Fahrer. Bescheinigte einwandfreie Leistung Jetzt hat die Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen (DQS), Frankfurt/Main, diese Aussage bestätigt und dem westfälischen Transportbetrieb einwandfreie Leistungen in jeder Hinsicht bescheinigt. Als erstes Branchenunternehmen erhielt Hüer Transport und Logistik den neuen Qualitätsstandard "Qualified Carrier" (QC) mit dem Zusatz "Excellence". Über 95 Prozent der möglichen Punkte gaben die DQS-Auditoren dem Mittelständler. Anhand von 40 Kriterien prüften sie, wie Hüer die Zukunft des Unternehmens plant, eine wirtschaftliche Betriebsführung sicherstellt, gesetzliche Versicherungs- und Sozialstandards einhält oder die Mitarbeiter zur Weiterbildung motiviert. "Vor allem die Nachweise über unseren Umgang mit dem Personal kosteten Zeit", erzählt Hüer. Jetzt freut er sich über Reaktionen von Geschäftspartnern, die ihm gerade für diesen Punkt Anerkennung zollen. Auch Frachtenbörsen fragen Frachtführer immer häufiger nach einer Zertifizierung. Aktuelles Beispiel ist das spanische Unternehmen Wtransnet, das im Mai seine neue "Premium-Frachtenbörse" Qualis Logistics auf der Transport Logistic in München vorgestellt hat. Die Spanier setzen für die Teilnahme an ihrer Frachtenbörse ausdrücklich die Zertifizierung nach DIN ISO 9001:2015, QC oder sechs weiteren Qualitätsnormen voraus. "Wir wollen unsere ohnehin schon hohen Qualitätsanforderungen auf ein neues Niveau bringen", sagt die Wtransnet-Mitbegründerin und internationale Vertriebschefin Anna Esteve. Vor allem kleinere und mittlere Transportbetriebe, die in anspruchsvollen Nischenmärkten arbeiten und bisher aufgrund der Regulierungen vieler Frachtenbörsen für bestimmte Transportgüter keine Spot-Aufträge gewinnen konnten, will Wtransnet so als Qualis-Teilnehmer gewinnen. Da aber diese Firmen aufgrund des hohen Aufwands oft die Zertifizierung nach DIN ISO 9001 scheuen, haben die Spanier mit DQS eine Kooperation geschlossen. Mit QC haben die Frankfurter ein Gütesiegel entwickelt, das sich auf frachtführerrelevante Inhalte rund um Fahrzeuge und Fuhrpark konzentriert. Qualis Logstics soll im Sommer 2017 starten. Ein Transportbetrieb wie Hüer passt genau in das Anforderungsprofil der neuen Plattform. Hüer Transport und Logistik hat sich unter anderem mit Gefahrgut- und anspruchsvollen Spezialtransporten einen Namen gemacht. Das Unternehmen fährt zum Beispiel für den Gashersteller und -händler Westfalen bis auf 269 Grad Celsius gekühltes Helium in Tiefrahmenkofferfahrzeugen. "Eine Zertifizierung nach DIN ISO 9001 planen wir jedoch weiterhin nicht", betont Firmenchef Hüer. Akzeptierte Sicherheitsstandards Außer DIN ISO 9001 und QC akzeptiert Wtransnet auch die Sicherheitsstandards des internationalen Verbands Tapa und Sicherheitsmanagementsystem ISO 28000 als Eintrittskarte für Qualis. Beide Gütesiegel sollen vor allem Lieferketten krisenfest machen. Auch Unternehmen, die Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (AEO) sind, den für die Pharmalogistik unverzichtbaren Good-Distribution-Practice-Leitfaden erfüllen oder nach der Qualitätsnorm SQAS der europäischen Chemieindustrie arbeiten, können an der neue "Premium-Frachtenbörse" (Esteve) teilnehmen. Ebenso wird der "Trusted Carrier" des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) akzeptiert, wie Wtransnet auf dem Logistikkongress SIL 2017 Anfang Juni in Barcelona mitteilte. Wenige Wochen zuvor hatten DQS und BGL die gegenseitige Anerkennung ihrer Qualitätslabels vereinbart. Unternehmen, die als "Trusted Carrier" anerkannt sind, können sich also zu Sonderkonditionen als "Qualified Carrier" zertifizieren lassen. Und Unternehmen, die dieses Qualitätslabel bereits haben, werden als "Trusted Carrier" anerkannt, wenn der BGL ihre Daten aufgenommen hat. "Bei Verfehlungen eines Trusted Carrier kann ein unabhängiger Beschwerdeausschuss sofort Sanktionen bis hin zum Ausschluss aussprechen", weist Roger Schwarz, Abteilungsleiter Technik des BGL sowie Geschäftsführer von Transfrigoroute Deutschland, auf einen wichtigen Unterschied hin. Das QC-Label, das für drei Jahre vergeben wird, verliert hingegen ein Betrieb in der Regel nur dann, wenn er eine neuerliche Zertifizierung nicht schafft. Verschärfte Marktanforderungen Grundsätzlich reagiert Wtransnet mit Qualis auf verschärfte Anforderungen des Markts. Ab 2018 muss jeder Betrieb, der sich nach ISO 9001 zertifiziert hat, die 2015 novellierten Kriterien dieser Norm erfüllen. Vor allem ganzheitliches Risk Management ist dann gefragt. Verlader und Speditionen, die an Supply Chains teilnehmen, müssen die gesamte Wertschöpfungskette in die Risikobetrachtung einbeziehen und können schon deshalb ausschließlich mit zertifizierten Transportfirmen zusammenarbeiten. "Mit Qualis werden sie solche Betriebe sofort finden, wenn die vorhandenen Partner nicht verfügbar sind", verspricht Esteve. Schwarze Schafe fernhalten Nicht zuletzt will Wtransnet damit auch gegenüber neuen Wettbewerbern punkten, etwa Internetplattformen wie Cargonexx, InstaFreight, Load Fox und Saloodo, die mit durchgehend digitalisierten Services tagesaktuelle Transportpreise und einfaches Handling versprechen. Vor allem die Anfang 2017 gestartete DHL-Plattform Saloodo könnte sich schnell gegenüber etablierten Frachtenbörsen zum Konkurrenten auf Augenhöhe entwickeln. Über 2300 Transportbetriebe haben sich auf diesem Portal bislang angemeldet. Als Frachtführer akzeptiert Saloodo ausschließlich Betriebe, die dem "Supplier Code of Conduct" des Mutterkonzerns beitreten. Ein Schwerpunkt sind faire Arbeitsbedingungen. So sichert der Unterzeichner dafür unter anderem zu, dass er alle Gesetze und Branchenstandards in puncto Arbeitszeit, Löhnen und weiteren Arbeitgeberleistungen einhält. Viele DHL-Inhalte sind auch Gegenstand der QC-Zertifizierung. Aber auch alle marktbekannten Börsen haben während der letzten Jahre ihre Anstrengungen verschärft, Frachtführer mit nicht einwandfreien Leistungen von ihren Plattformen fernzuhalten. Die meisten Portale akzeptieren ohnehin nur Teilnehmer, die mindestens sechs bis zwölf Monate im Markt sind. Existenzgründer und andere Bewerber, die sich finanziell auf dünnem Eis bewegen oder mit schlechten Fahrzeug-Equipment auffallen, sind ausgeschlossen. Zudem wollen die Börsen Handelsregister(HR)-Auszüge, Versicherungsnachweise und andere wichtige Dokumente sehen, schalten mindestens eine Auskunftei für Bonitätsauskünfte ein und holen sich weitere Informationen bei Geschäftspartnern, Behörden und Domain-Verwaltungen wie Denic ein. Große Anbieter entwickelten zusätzlich Indizes, die die aktuelle Liquidität und Leistungsfähigkeit anhand von Kundenbewertungen und anderen Tools bewerten. "Hohe Sicherheits- und Qualitätsanforderungen sind für jedes Unternehmen wichtige Erfolgsfaktoren", ermuntert Gunnar Gburek, Leiter Business Affairs von Timo-Com, die Teilnehmer zu weiteren Anstrengungen. Dem Qualis-Beispiel, Zertifizierungen verbindlich vorzuschreiben, will TimoCom aber nicht folgen. "Wir empfehlen jedoch, die eigenen Strukturen und Dienstleistungen auf mögliche Sicherheitsund Qualitätslücken zu überprüfen oder dafür einen professionellen Partner einzuschalten", rät Gburek. Auch Trans.eu will Gütesiegel nicht zum K.o.-Kriterium für eine Teilnahme machen. Die Frachtenbörse wappnet sich mit einem neuen Transportmanagementsystem gegen aufstrebende Konkurrenten. Über FireTMS können Teilnehmer Ladungen auf TimoCom und Trans.eu platzieren oder aber suchen. Ohnehin unterliegen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen einem ständigen Wandel. "Heute wollen viele Kunden wissen, welche Sprachkenntnisse die Fahrer ihrer Frachtführer haben", sagt Anton Behringer, Geschäftsführer von LkwOnline, in Hinblick auf die vielen ausländischen Transporteure im Markt. Für ein QC-Zertifikat von DQS muss der Antragsteller daher nachweisen, dass alle Anweisungen, Dokumente und Handbücher in Sprachen vorliegen, die die Fahrer verstehen. "Das ist ein K.o.-Kriterium", betont DQS-Projektleiter Bernd Bruhns. Mehr zu dem Thema im Dossier Compliance www.verkehrsrundschau.de/dossiers Rechtssichere Transportlogistik Wie Unternehmer ihre Lieferkette absichern können Eine reibungslose Lieferkette funktioniert nur, wenn sich jedes Glied in der Kette - Auftraggeber, Spediteur, Frachtführer oder Werkverkehrsbetreiber aufeinander in der Zusammenarbeit verlassen kann. Sonst kann ein Unternehmer schneller in der Haftung sein, als ihm lieb ist. Fumo Solutions aus Dornstadt bietet daher seit 2009 das Qualitätslabel "Compliant Carrier" (vormals "Fuhrpark-Check" - die Redaktion). Fumo Solutions gehört zu Springer Fachmedien, in dem auch die VerkehrsRundschau erscheint. Mit über 300 Prüfkriterien aus Erlaubnis- und Vertragsrecht, Fuhrparktechnik, Ladungssicherung, Sozialvorschriften, Qualität und Organisation prüft und zertifiziert Fumo Solutions in einem Vor-Ort-Audit die Rechtskonformität der jeweiligen Organisation. Ab Juli 2017 gibt es das gesamte Zertifizierungskonzept auch online über den "Fumo Auditor", mit dem sich eine Firma selbst prüfen kann. Zudem bietet Fumo Solutions eine Webplattform, auf der alle am Transport beteiligten Akteure über die Tools "Fumo Profile" und "Fumo Cockpit" vernetzt sind. Der Auftraggeber kann sich so über den Rechtsicherheits-Status des jeweiligen Transport-Partners informieren. Für VerkehrsRundschau-Abonnenten ist das Tool "Fumo Profile" im Abo-Preis enthalten. Zudem gibt es eine Kooperation zwischen Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL)/Trusted Carrier und Fumo Solutions - mit den entsprechenden Vorteilen für alle Beteiligten. Infos unter www.verkehrsrundschau-plus.de/fumo/ueber-fumo. eh Praxis-Beispiel Plietker Transportlogistik ist jetzt QC-zertifiziert Ohne die hartnäckigen Nachfragen der Frachtenbörsen wäre die Plietker Transportlogistik GmbH, Gronau, heute nicht QC-zertifiziert. Das gibt Marco Kottig, Fuhrparkchef und stellvertretender Geschäftsführer, unumwunden zu."Die Auditoren von DQS legten einen besonderen Schwerpunkt auf unseren Umgang mit unseren 70 Mitarbeitern, darunter 60 Fahrern", berichtet Kottig."Außerdem hinterfragten sie unsere Dokumentationslösungen beispielsweise über Führerscheinkontrollen: Hier mussten wir nachbessern." Plietker arbeitete bislang ausschließlich mit TimoCom zusammen. Eine Kooperation mit der neuen Plattform Qualis, die eine QC-Zertifizierung voraussetzt, zieht das westfälische Unternehmen in Erwägung."Solche Portale öffnen den Markt für anspruchsvolle Spotmärkte", betont Kottig. Für einen Großkunden transportieren die 34 Lkw-Züge Lebensmittelfolien: An solche Verkehre werden laut Kottig besondere hygienische Anforderungen gestellt. bot

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