Berlin. Microsoft zieht als erstes großes Unternehmen Geschäft aus Deutschland unter Hinweis auf die vielen Patentverfahren vor deutschen Gerichten ab. Die europäische Distributionszentrale werde in die Niederlande umziehen, gab der Windows-Konzern am Montag bekannt. Bislang nutzt Microsoft dafür den Logistikdienstleister Arvato, der zum Bertelsmann-Konzern gehört. An dessen Standort in Nordrhein-Westfalen werden diverse Microsoft-Produkte von Software bis zu Xbox-Konsolen umgeschlagen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA sind knapp 100 Arbeitsplätze von der Abwanderung in die Niederlande betroffen.
Microsoft begründete die Entscheidung ausdrücklich mit dem Patentkonflikt mit dem Handy-Hersteller Motorola. Microsoft sei mit den Diensten von Arvato sehr zufrieden. Aber das Risiko, dass als Folge eines verlorenen Patentverfahrens Produkte in Deutschland festgehalten würden, sei zu groß.
Microsoft ist mit Motorola in Deutschland in mehrere Verfahren vor Gerichten verwickelt. Unter anderem wirft eine Motorola-Tochter dem Windows-Konzern die Verletzung von Patenten für den Videokompressions-Standard "H.264" vor. Das Kodierungssystem kommt in Programmen und Geräten von Microsoft zum Einsatz. Konkret nimmt die zu Motorola gehörende Firma General Instrument Corporation wegen zwei Patenten das Betriebssystem Windows 7, die Xbox 360, den Browser Internet Explorer 9 und den Windows Media Player ins Visier. Ein Urteil in dem Verfahren am Landgericht Mannheim wird für den 17. April erwartet.
In Deutschland häufen sich mittlerweile die Patentkonflikte in der Technologiebranche
Deutschland ist in den vergangenen Monaten zu einem zentralen Schauplatz der Patentkonflikte in der Technologiebranche geworden. Es laufen diverse Prozesse in Mannheim, München und Düsseldorf zwischen großen Unternehmen wie Apple, Samsung, Microsoft, Motorola oder HTC. In Deutschland sei die Rechtsprechung rund um Industriestandard-Patente „so einseitig zu Gunsten der Patentinhaber wie in keinem vergleichbaren Land“, sagte der Münchner Patentexperte Florian Müller. „Das lässt zwar bei deutschen Gerichten und Kanzleien die Kassen klingeln, schadet aber unter dem Strich dem Wirtschaftsstandort Deutschland.“
Patentverfahren in den Niederlanden haben gezeigt, dass die Gerichte dort nicht so schnell zu Verkaufsverboten greifen wie in Deutschland. Auch andere Unternehmen wie etwa Samsung oder Sony haben in den Niederlanden große Logistikstandorte in Hafennähe. (dpa/bw)