Mehr Transparenz im KV

Mit dieser Antwort wollte sich Spediteur Wolfgang Thoma nicht zufriedengeben. "Da sind Sie mir geschickt ausgewichen", hielt der Geschäftsführer der Spedition Ansorge Steffen Bilger, dem parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, vor. Thoma hatte Bilger auf der Podiumsdiskussion im Rahmen des "Tages des Kombinierten Verkehrs" (KV) gefragt, warum Fahrgäste bei Verspätungen der Bahn ein Recht auf eine Entschädigung hätten, Unternehmen im Schienengüterverkehr hingegen leer ausgingen, wenn Züge unpünktlich sind. Und im gleichen Atemzug wollte Thoma wissen, wie es denn mit Entschädigungen aussieht, die die Wirtschaft und Spediteure zu tragen hatten angesichts der Vollsperrung der Rheintalstrecke aufgrund des Einsturzes eines Tunnels bei Rastatt im Jahr 2017. Bilger erwiderte, dass es im Falle Rastatts aufwendig sei, die Schadenhöhe zu ermitteln und angesichts der hohen Summe die Experten gründlich vorgehen. Letztlich sei dies eine Frage, die nicht das Bundesverkehrsministerium selbst beantworten könne, sondern nur die dafür zuständigen Fachleute. Der Kampf mit den Verspätungen Doch zum Thema "Entschädigungen im Schienengüterverkehr" sagte Bilger nichts. Also fasste Thoma nochmals nach: Warum nicht auch hier Entschädigungen? Man konnte förmlich sehen, wie es in Bilgers Gehirn ratterte. Dann kam als Antwort, dass Zahlungen an Personen etwas anderes seien als Zahlungen an Unternehmen und es nicht Aufgabe der Politik sei, Entschädigungsleistungen im Schienengüterverkehr festzulegen. Thoma guckte verdutzt ob der Aussage. Aber ihm wurde bewusst, dass Bilger das Thema unangenehm war, und er hakte nicht weiter nach. In der Tat, im Personenverkehr gibt es seitens der EU Vorgaben, wie Fahrgäste zu entschädigen sind, wenn Züge unpünktlich fahren. Im Schienengüterverkehr gibt es eine solche Regelung nicht. Sie ist insofern umstritten, weil vor allem die Bahnen darin einen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zum Straßengüterverkehr sehen, wo es eine solche gesetzliche Regelung nicht gibt. Würde man die jetzt im Schienengüterverkehr einführen, befürchten die Bahnen einen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zum Straßengüterverkehr. Das wäre sicher auch nicht im Sinne von Bilger und dem Bundesverkehrsministerium. Denn das Ministerium sieht ganz offenbar Nachholbedarf bei den Leistungen im KV. Deshalb kündigte der Staatssekretär auf der Tagung die Gründung eines Aktionsbündnisses zum KV an. "Wir berufen dieses Bündnis ein mit dem Ziel, alle relevanten Akteure an einen Tisch zu bekommen, um mit ihnen zu besprechen, was zu tun ist, um den KV zu stärken", sagte Bilger. Als ein Beispiel nannte er die Abläufe in den Terminals. "Wir müssen zu einer Verbesserung der betrieblichen Abläufe kommen. Dabei wird die Digitalisierung ein wichtiges Hilfsmittel sein", so der CDU-Politiker. Bilger verwies darauf, dass sein Haus in der Vergangenheit schon viel für intermodale Transporte getan habe. "Der KV hat eine große Bedeutung für uns", sagte Bilger. Nur unter Einbindung der Schiene sei es möglich, das Güterverkehrswachstum zu bewältigen. Derzeit werde das Innovationsprogramm Logistik 2030 erstellt. Auch darin werde der KV eine wichtige Rolle spielen. "Zudem wollen wir den KV mehr in die Öffentlichkeit rücken, damit er mehr Aufmerksamkeit bekommt", kündigte der Staatssekretär an. Durchblick mit Railway.tools Auf dem "Tag des KV", den der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), die Allianz pro Schiene und DB Netz gemeinsam veranstalteten, wurde auch das Portal Railway.tools vorgestellt, das die drei Veranstalter gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Dieses Tool soll für mehr Transparenz im europäischen KV sorgen und so vor allem Neulingen und kleineren oder mittelgroßen Unternehmen den Einstieg in den KV und die Ausweitung ihres Geschäftes erleichtern. In dem Tool sind 770 Terminals in Europa erfasst. Marion Brückmann, Leiterin Marketing und Vertrieb bei der DB Netz, sprach von einer "fast vollständigen Abdeckung" im Markt. Über 900 Verbindungen lassen sich in dem System anzeigen. Zudem sollen dort auch Angebote für den Vor- und Nachlauf zu finden sein. "Bislang machen jedoch erst neun Speditionen mit, die die erste und letzte Meile abdecken", sagte Brückmann und forderte die Speditionen auf, ihre Angebote in dem Tool einzustellen. Brückmann kündigte an, das Tool auch zu einer Buchungsplattform weiterzuentwickeln. Bei den meisten Zuhörern stieß Railway. tools auf viel Lob. Doch gab es auch Kritik: Die angebotenen Relationen seien nur theoretischer Natur. Solange die angegebenen Verbindungen so stark abweichen von den realen Abfahrts- und Ankunftszeiten, könne man mit den Angaben als Nutzer nur wenig anfangen, bemängelte Thoma. "Nur Transparenz ist zu wenig: Man muss auch etwas über die Qualität der angegebenen Routen wissen", forderte der Spediteur, der mit seinem Unternehmen seit mehr als zwei Jahrzehnten im KV tätig ist. Ein solches Ranking von guten und schlechten Relationen sei die Nagelprobe für diese Plattform. Armin Riedl, Geschäftsführer des Operateurs Kombiverkehr, mahnte an, dass gerade bei den internationalen Verbindungen die Daten aktuell sein müssten. "Die Frage ist doch: Stimmt das auch, was im Fahrplan steht." Gerade bei den Baustellen im Ausland würde es immer wieder Änderungen geben, die berücksichtigt werden müssten. Zudem vermisst er Angaben zum Lichtraumprofil. "Viele Spediteure fahren Sattelauflieger mit vier Meter Eckhöhe. Für diese Einheiten sind längst nicht alle Strecken im KV geeignet", sagte Riedl. Einigkeit bestand darin, dass dieses neue Angebot zwar Transparenz schafft, aber nicht die eigentlichen Probleme im KV löst. Zum einen fehlen Kapazitäten. Zwar gibt es Gelder für Neu- und Ausbauten, beispielsweise für die Rheintalbahn als wichtiges Verbindungsstück zwischen dem Gotthard-Basistunnel und dem Ruhrgebiet. "Die Planungsverfahren bei Neubauten oder Erweiterungen dauern aber viel zu lange", bekannte Bilger selbstkritisch. Bürgerbeteiligungen seien zwar wichtig, aber würden die Realisierungszeiten in die Länge ziehen. Linderung erhofft er sich von dem neuen Planungsbeschleunigungsgesetz, das im letzten Jahr verabschiedet wurde. Mirko Pahl, Chef des Bahnunternehmens TX Logistik, zeigte kein Verständnis, dass nicht schon längst die Voraussetzungen geschaffen sind, längere Züge in Deutschland und Europa zu fahren. Das würde deutlich mehr bringen und wäre nicht so teuer wie der Bau von neuen Strecken. "Schon vor Jahren haben wir zwischen Padborg und Maschen einen 850-Meter-Zug fahren lassen. Doch seitdem ist nichts passiert. Das ist enttäuschend", sagte der TX-Logistik-Chef. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Railcargo www.verkehrsrundschau.de/dossiers Spedition Engemann & Co. fährt Stückgut Eine Nische im KVAndre Ventker macht etwas, was nur ganz wenige tun: Er fährt mit seinem Unternehmen Engemann & Co. in Hilden, dessen Geschäftsführer er ist, Stückgut - und zwar per Bahn im KV, nicht mit Lkw. Auf der Schiene sind derzeit fast ausschließlich Komplettladungen pro Transporteinheit auf dem Zug."Wir haben hier eine Nische entdeckt und transportieren Stückgüter für die chemische Industrie", sagt Ventker. Doch mit der Leistung der Bahnen ist auch er nicht ganz zufrieden. Und trotzdem, für ihn führt kein Weg an der Schiene vorbei. Dafür gibt es mehrere Gründe. Neben dem sich weiter verschärfenden Fahrermangel gehören ökologische Gründe dazu:"Wenn es gut läuft, nutzt die Chemieindustrie den umweltfreundlichen Transport als Marketinginstrument." Er sieht zum KV auch angesichts der Engpässe auf der Straße kaum eine Alternative. Doch nicht immer stimmen die Rahmenbedingungen. "Wenn es ein Terminal in Düsseldorf geben würde, könnten wir die doppelte Menge auf die Bahn verladen", sagt Ventker. So muss er lange Vor- und Nachlaufstrecken zu den Terminals zum Beispiel nach Köln einkalkulieren.Trotzdem nimmt für Ventker der KV an Bedeutung zu. Auch, weil die Auftragsmengen immer stärker schwanken, um die 50 Prozent von einer zur anderen Woche. Schwache Wochen kann er dann im KV besser abfangen, da dort die Fahrerlöhne eine geringere Rolle spielen. cd

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