Mehr als nur Junioren

Der Raum ist fast voll. Freie Plätze sind rar. An der Atmosphäre liegt es sicher nicht, dass gut 20 Unternehmer nach Gersthofen bei Augsburg gekommen sind. Denn hier ist der Charme der 70er-Jahre zu spüren: Braune Vertäfelung mit in die Jahre gekommenen Holztischen und Stühlen. Nebenan trainieren die Judoka des TSV Gersthofen, getrennt nur durch eine Schiebewand. Wenn dort jemand aufs Kreuz gelegt wird, sind die Schreie lauter als die Stimme des jeweiligen Redners im Tagungsraum, wo der Juniorenkreis Schwaben des Landesverbandes Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) zusammengekommen ist. Den Unternehmen den Rücken stärken In dem Juniorenkreis soll keiner aufs Kreuz gelegt werden. Im Gegenteil, man ist auch deshalb hier, um sich gegenseitig den Rücken zu stärken: Gegen den Unbill der Politik, die dem Transportgewerbe ein Mindestlohngesetz aufgezwungen hat. Gegen den demografischen Wandel, der so manchem Unternehmen die Mitarbeiter wegzieht wie ein guter Judoka das Standbein seines Gegenüber, bis es dann schneller als man denkt rums macht. Tilmann Mager, Geschäftsführer für Oberbayern und Schwaben im LBT und in dieser Rolle beim Verband für den Juniorenkreis verantwortlich, ist zufrieden mit der Resonanz. "Das ist eine ordentliche Teilnehmerzahl", sagt er. Da es in der Region Schwaben weniger Mitglieder gibt als in anderen Bezirken des LBT, kommen auch weniger Unternehmer zum Juniorenkreis als beispielsweise in Oberbayern. Die Zusammensetzung ist bunt gemischt, in mehrfacher Hinsicht: Hier parliert der Unternehmer mit fünf Fahrzeugen mit dem Fuhrparkleiter, der über 50 Einheiten unter seinen Fittichen hat. Hier sitzt die Seniorchefin der Firma A neben dem Juniorchef der Firma B. Gemeinsam redet man über Gott und die (Transport-)Welt. Zugegeben, einen Juniorenkreis stellt man sich vielleicht anders vor. Gestylte Yuppies mit Gel in den Haaren trifft man hier jedenfalls nicht an. Es macht eher einen im positiven Sinne bodenständigen Eindruck. Eine Atmosphäre, in der es nicht so sehr darauf ankommt, wer du bist oder auch wie alt du bist. "Wir schmeißen hier niemanden heraus, nur weil er ein bestimmtes Alter überschritten hat", sagt Mager zu den zahlreichen älteren Teilnehmern. Letztlich könnten die Jungen ja auch von der Erfahrung der Älteren profitieren. Ursprünglich sind die Juniorenkreise gegründet worden, um eine Plattform für den Nachwuchs zu schaffen, wo sich die Jungen austauschen können, nicht zuletzt mit der Absicht, die Unternehmen im Verband zu binden. Denn gerade aus der jungen Generation werden immer wieder Vorbehalte laut gegen die Verbände. "Alte Männer, die sich mit der Politik streiten, und am Ende kommt doch nichts heraus", so ein gern gehörtes (Vor-)Urteil. Geraten dann junge Menschen ohne Vorwarnung in die offizielle (Jahres-)Tagung, auf denen die Tagesordnung in typisch deutscher Manier haarklein abgefrühstückt wird, dann ist eine solche Verbandsveranstaltung für den unbedarften Nachwuchs in etwa so schmackhaft wie ein drei Tage altes Brötchen - und dann sehen sich die Junioren damit in ihren Vorurteilen bestätigt. Württemberg spricht Nachwuchs an Auch andere Landesverbände des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) haben Juniorenkreise, in denen der Nachwuchs gehegt und gepflegt wird. Bei der Umfrage der Verkehrs-Rundschau (siehe Übersicht Seite 22) haben leider nicht alle Landesverbände geantwortet. In einigen Landesverbänden wie dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) gibt es einen "Jungunternehmerkreis" (auf diese Bezeichnung legt Geschäftsführer Gerhard Ibrügger im Namen seiner Mitglieder Wert, unter ihnen eine Reihe junger Unternehmer, die bereits volle oder fast volle Verantwortung für den Betrieb tragen). Doch aufgrund einer Neuorganisation der Nachwuchssparte hat der GVN von einer Teilnahme an der Umfrage abgesehen. Andere Landesverbände wiederum sind einfach zu klein, sodass es schwierig ist, ausreichend Teilnehmer für ein solches regelmäßiges Treffen zu finden. In dem Verband des Württembergischen Verkehrsgewerbe (VWV) hat sich der Juniorenkreis etabliert. Seit 1996 gibt es die Nachwuchssparte. Rolf Hamprecht, Geschäftsführer der Spedition Heinrich Hamprecht, war von Anfang an dabei. "Ziel war es damals auch, sich mal abseits der Jahrestreffen auszutauschen", sagt der Unternehmer, der mittlerweile der Präsident des VWV ist. Neben dem Austausch untereinander sieht er in diesen Treffen auch eine Möglichkeit, das "Wir-Gefühl" zu stärken beziehungsweise es überhaupt zu entwickeln: "Sowohl gegenüber der Politik wie aber auch gegenüber dem Auftraggeber: Standhaft zu bleiben und nicht bei jeder Kleinigkeit einzuknicken", sagt Hamprecht, der auch heute noch zu den Juniorenkreisen geht. Die Anwerbung von jungen Unternehmern sei in den letzten Jahren schwierig gewesen. Auch deshalb, weil nicht wenige seit Jahrzehnten zu den Treffen kommen und als Neuling es manchmal nicht einfach sei, Fuß zu fassen. Das will er jedoch ändern und künftig ein stärkeres Augenmerk auf die Anwerbung und Integration junger Unternehmer legen. Wie in Württemberg sind auch im Juniorenkreis Schwaben einige Unternehmer schon seit Jahren Stammgäste. Sicher auch deshalb, weil die informellen Treffen ein ganz anderes Format haben als die Verbandstagungen: Locker, bei Pommes mit Schnitzel und einem Bier, lässt es sich leichter diskutieren. "Hier sind nicht nur Freundschaften entstanden, hier werden auch mal Geschäfte miteinander gemacht", sagt Reinhold Fisel, Geschäftsführer der Fisel Recycling + Transport in Dillingen. 19 Jahre war Fisel Sprecher des Juniorenkreises Schwaben im LBT. In dieser Funktion ist es heute sein letzter Tag. Nicht, weil es ihm keinen Spaß mehr macht, im Gegenteil. Sondern zum einen, weil er jetzt dem Präsidium des LBT angehört und damit Aufgaben zu erfüllen hat, die ihn zeitlich mehr beanspruchen. Zum anderen will der 47-jährige Fisel Platz machen für den Nachwuchs. Barbara Sießmair (25), Juniorchefin der Anton Sießmair Spedition und Handel in Aichach, stellt sich zur Wahl - und gewinnt einstimmig. Fisel sieht im Austausch zwischen Verbandsgeschäftsstelle und Unternehmer sowie unter den Unternehmern selbst weitere Gründe, warum es im LBT gleich vier in der Regel gut besuchte Juniorenkreise gibt. In Gersthofen bringt Geschäftsführer Mager die Zuhörer auf den neuesten Stand zum Mindestlohn. Ein weiteres Thema ist der Fahrermangel. Guido Frommholz, Geschäftsführer des SVG Aus- und Weiterbildungsinstituts Bayern (Awiba), stellt ein Umschulungsprogramm zur Gewinnung von Fahrern vor. Die dafür notwendige finanzielle Unterstützung durch staatliche Institutionen erhält er jedoch nur, wenn sich genügend Unternehmen finden, die Interesse signalisieren. Doch in Gersthofen herrscht Zurückhaltung, was Frommholz erstaunt. Hatten doch auf der Juniorenkreistagung in Oberbayern deutlich mehr Unternehmen Interesse an der Übernahme von Fahrern signalisiert. Ein Indiz dafür, dass hier im Wirtshaus am Sportplatz viele Unternehmer sitzen, die nur einen kleinen Fuhrpark haben. In diesen Betrieben ist die Fluktuation nicht so groß, da überlegt man sich schon sehr genau, ob man eine Zusage gibt für die Einstellung neuer Fahrer. Sießmair, die neue Vorsitzende des Juniorenkreises, wie auch ihre beiden Stellvertreter, Robert Haydu, Geschäftsführer der Haydu Transporte in Türkheim, und Peter Lerchl, Geschäftsführer der Hermann Lerchl Transporte und Montagebau in Aichach, sind alle Chefs eher kleinerer Unternehmen. Gemeinsam bilden sie den Sprecherkreis, der mit Mager die Themen für die Juniorenkreise aussucht und den jährlichen Ausflug organisiert. Warum sie sich trotz knapp bemessener Zeit engagieren? Weil sie den Austausch unter den Kollegen für wertvoll erachten. Man kann sich über die Probleme im eigenen Betrieb unterhalten und erfährt, wie die Kollegen damit umgehen, sagen sie. Haydu und Lerchl kommen immerhin schon seit fast zehn Jahren zu den Treffen. Auch deshalb, um vom Verband besser unterrichtet zu werden. "Es ist halt ein Unterschied, ob man Infos beispielsweise zum Mindestlohn per E-Mail erhält oder direkt nachfragen kann und auch die Einschätzung von Kollegen dazu bekommt", sagt Lerchl. Vor allem Letzteres scheint ein wichtiger Anreiz für viele zu sein. Spät am Abend jedenfalls, als der offizielle Teil längst beendet ist und auch die Judokas ihre Kampfhandlungen eingestellt haben, sitzen immer noch einige Teilnehmer im Clubraum des Wirtshauses in Gersthofen zusammen.

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