Bremen. Das Geschäftsklima der deutschen Logistikwirtschaft hat sich im zweiten Quartal dieses Jahres stark eingetrübt. Das geht aus den monatlichen Erhebungen zum Logistik-Indikator hervor, die das Ifo-Institut im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik (BVL) im Rahmen seiner Konjunkturumfragen durchführt. Den Zahlen zufolge lag der Indikator mit 79,4 Punkten im Mai zwar wieder spürbar über dem Vormonat (72,9), allerdings markierte der Wert im April ein historisches Tief. Laut BVL verbesserten sich die Geschäftserwartungen im Mai und spiegeln so die allmähliche Lockerung der strikten Beschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie und die Hoffnung auf weitere Lockerungen in den kommenden Monaten wider. Mit einem Indikatorwert von 81,7 lagen sie allerdings nach wie vor weit im negativen Bereich. Die derzeitige Geschäftslage wurde hingegen erneut und somit den dritten Monat in Folge ungünstiger eingestuft. Lediglich auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise ab 2008 stellte sich die Situation – wenn auch nur marginal – weniger günstig dar.
Für Logistikdienstleister sei eine ganz ähnliche Entwicklung zu beobachten: Das Geschäftsklima verbessere sich aufgrund der weniger skeptischen Geschäftsperspektiven etwas. Der Indikatorwert lag jedoch mit 74,5 Punkten auf einem sehr niedrigen Niveau. Die aktuelle Geschäftssituation fiel nochmals ungünstiger aus und markierte den niedrigsten Wert in der für den Zeitraum ab 2005 vorliegenden Zeitreihe.
Im Bereich der Logistikanwender aus Handel und Industrie zeichnen die Umfrageergebnisse ein sehr ähnliches Bild. Auch hier verschlechterte sich der Geschäftsklimaindikator in den Monaten März und April massiv. Aufgrund des sinkenden Pessimismus mit Blick auf die Entwicklungen in den kommenden sechs Monaten verbesserte sich das Geschäftsklima im Mai wieder – dies allerdings weit im negativen Bereich. Die Geschäftssituation verschlechterte sich auch in diesem Bereich weiter.
Deutsche Wirtschaftsleistung 2020 schwächer als 2019
Sicher ist laut Logistik-Indikator, dass die Wirtschaftsleistung Deutschlands 2020 geringer als im Vorjahr ausfallen wird. Über die Stärke dieses Rückgangs bestehe allerdings nach wie vor hohe Unsicherheit, auch wenn einige der anfänglichen Setzungen bei den Konjunkturprognosen mittlerweile durch die Verfügbarkeit aktueller Indikatoren präzisiert werden konnten. So dürfte nach Schätzungen des Ifo-Instituts die Wirtschafsleistung während des staatlich verordneten Shutdowns im Schnitt um etwa 17 Prozent gedrosselt worden sein.
Seit Ende April zeichne sich eine allmähliche Lockerung der Shutdown-Maßnahmen und ein Wiederhochfahren der Produktion von Waren und Dienstleistungen ab. Unklar bleibe jedoch weiterhin, wie schnell sich die Wirtschaft erholen wird. Eine Auswertung der Ifo-Umfragen vom Mai 2020 kam zu dem Ergebnis, dass die deutschen Unternehmen eine Normalisierung ihrer Geschäftslage in den nächsten Monaten für den wahrscheinlichsten Fall halten.
Nach einem kräftigen Einbruch im zweiten Quartal 2020 um 12,4 Prozent dürfte sich damit die Konjunktur bis Mitte nächsten Jahres erholen. Die deutsche Wirtschaft dürfte dann im laufenden Jahr insgesamt um 6,6 Prozent schrumpfen und im kommenden Jahr von dem niedrigen Niveau aus um 10,2 Prozent wachsen. Neben der wahrscheinlichsten Dauer der Normalisierung machten die Unternehmen auch Angaben über die von ihnen erwartete Spannbreite. Im besten Fall gaben die Unternehmen an, dass die Normalisierung im Schnitt nur fünf Monate dauern könnte. Dann würde die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr nur um 3,9 Prozent schrumpfen, und das Wachstum im nächsten Jahr läge bei 7,4 Prozent. Im schlechtesten Fall mit einer durchschnittlichen Normalisierungsdauer von 16 Monaten würde die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 9,3 Prozent schrumpfen und im kommenden Jahr um 9,5 Prozent wachsen. Die Erholung würde sich dann bis weit in das Jahr 2022 hinziehen.
Weitere Unsicherheiten bleiben bestehen
Unsicherheit besteht schließlich weiterhin im Hinblick auf den weiteren Infektionsverlauf und die mittelfristigen Folgen der Corona-Krise. Die Prognosen des Ifo-Instituts wurden bislang unter der Annahme erstellt, dass das Coronavirus in den kommenden Monaten zwar nicht besiegt, seine Ausbreitung aber eingedämmt und eine zweite Infektionswelle vermieden werden kann. Ausgeschlossen wurde zudem eine Insolvenzwelle, sowohl in Deutschland als auch in seinen Absatz- und Beschaffungsmärkten, die zu Verwerfungen im Finanzsystem führen und die eine Neuausrichtung globaler Wertschöpfungsketten erfordern könnte. (ja)