Lieferkettengesetz: Wie fair ist das?

In Kürze Seit 1. Januar 2023 ist das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland in Kraft. Vorerst ist es nur für Unternehmen ab 3000 Mitarbeitern Pflicht; ab 1. Januar 2024 schon für Firmen ab 1000 Mitarbeitern. Was viele nicht wissen: Das Regelwerk gilt auch für Ad-hoc-Transporte im Spotmarkt. Immer wieder hatten Juristen darüber spekuliert, ob und in welcher Form das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das seit 1. Januar 2023 in Kraft ist, auch für den Spotmarkt gilt. Eine wichtige Frage für Auftraggeber, Transportbetriebe und Kraftwagenspeditionen, die zum Beispiel über Frachtenbörsen oder Ausschreibungsplattformen Ad-hoc-Transporte vergeben und befördern. Da rollt einiges auf die Unternehmen zu Doch jetzt herrscht Klarheit. Auf dem Online-Seminar der VerkehrsRundschau am 13. September 2023 stellte Norman Müller, Leiter des Referats 722 - Kontrolle der Sorgfaltspflichten 4 vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) jetzt klar: "Das LkSG unterscheidet nicht zwischen langjährigen Vertragspartnern und Ad-hoc-Geschäftspartnern." Sprich: "Unternehmen, die Transportaufträge, etwa über Frachtenbörsen und Ausschreibungsplattformen abwickeln, haben die gleichen Pflichten nach dem LkSG etwa in puncto Risikoanalyse, Dokumentationspflichten und Präventionsmaßnahmen", betonte Müller. Und damit rollt auf die Unternehmen einiges zu. Einen ersten Vorgeschmack darauf gaben in dem Webinar die Ausführungen von Rechtsanwältin Martina Farkas, LL.M., Partnerin der Anwaltskanzlei Linklaters LLP, und Nick Heine, Mitgründer und COO der Monitoring-Plattform IntegrityNext, die sich auf Nachhaltigkeit in Lieferketten spezialisiert hat. So sind mit dem LkSG Unternehmen verpflichtet, sich systematisch mit den menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken in ihren Lieferketten auseinanderzusetzen und möglichen Missständen angemessen zu begegnen. Zum Pflichtenkatalog der Unternehmen nach dem LkSG gehören unter anderem: die Errichtung eines Risikomanagements und die Durchführung von Risikoanalysen, die Verabschiedung einer unternehmenseigenen Grundsatzerklärung, das Ergreifen von Präventiv- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich der (drohenden) Verletzung geschützter Rechtspositionen, die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, die Dokumentation der Erfüllung der Sorgfaltspflichten und die Übermittlung eines jährlichen Berichts an das BAFA. Risiken proaktiv ermitteln und vermeiden Was vielen nicht bewusst ist. "Neben den Pflichten im eigenen Geschäftsbereich treffen Unternehmen, die unter das LkSG fallen, auch Pflichten im Hinblick auf die weiteren Glieder in der Lieferkette - wenngleich in einem unterschiedlichen Abstufungsverhältnis, was den Pflichtenkatalog betrifft", betonte Farkas. Sprich: Die Pflichten gehen im eigenen Unternehmen weiter als etwa im Umgang mit externen Dienstleistern. Wichtig dennoch: "Auftraggeber müssen nach dem LkSG zum Beispiel für jeden Frachtführer, den sie beauftragen, im Zuge einer Risikoanalyse proaktiv ermitteln, ob etwa das Risiko besteht, dass dieser Menschen- oder Umweltrechtsverletzungen begeht, und versuchen diese drohende oder schon eingetretene Verletzung durch geeignete Maßnahmen zu verhindern", so die Juristin. Das LkSG unterscheide hier nach "unmittelbaren" und "mittelbaren Zulieferern". Ein Auftraggeber hat laut Farkas in Bezug auf seine unmittelbaren Vertragspartner (zum Beispiel Frachtführer) also strengere Sorgfaltspflichten als in Bezug auf Firmen, mit denen er nur mittelbar über die Lieferkette verbunden ist, etwa Unterfrachtführer des Vertragspartners. Frachtführer und andere unmittelbare Vertragspartner von Auftraggebern, die unter das LkSG fallen, müssen daher davon ausgehen, dass sich ihre Auftraggeber von ihnen die Einhaltung der Sorgfaltspflichten im eigenen Unternehmen vertraglich zusichern lassen und entsprechende Kontrollmechanismen vereinbaren, etwa Audits. Plattformen können Firmen bei alledem unterstützen. So können sie über das Monitoring der Lieferanten und Dienstleister in den Lieferketten etwaige Risiken erkennen und dadurch verhindern helfen, erklärte Nick Heine, COO der Monitoring-Plattform IntegrityNext. Die Cloud-Plattform Integrity Next Integrity Next ist eine Cloud-Plattform, die Unternehmen unterstützen will, Risiken im Bereich Umwelt, Menschenrechte und CO2-Emissionen in ihrer Lieferkette zu entdecken und zu managen. Die Plattform liefert dazu Echtzeit Informationen über Unternehmen. Nach Angaben von Integrity Next monitoren die Analysetools mittlerweile über eine Million Unternehmen in 195 Ländern. Genutzt werden unter anderem öffentlich zugängliche Datenbanken, aber auch kritische Meldungen in Medien wie etwa Verstöße gegen das Arbeitsrecht und Umweltverstöße. eh Zuständigkeiten klären Zu Beginn ist für LkSG-pflichtige Unternehmen vor allem zweierlei wichtig. "Sie müssen erstens klären, wer in ihrer Firma für die Überwachung des Risikomanagements zuständig sein soll. Das kann eine Person oder eine Personengruppe sein", erläuterte BAFA-Referatsleiter Müller. Das Gesetz selbst spreche da von einem "Menschenrechtsbeauftragten". Es müsse aber kein neuer Mitarbeiter sein, es gebe ja oft Compliance- oder Rechts-Abteilungen in den Firmen, die die Überwachung des Risikomanagements nach LkSG übernehmen könnten. "Zweitens sind LkSG-pflichtige Betriebe dazu verpflichtet, einen funktionsfähigen Beschwerde-Mechanismus zu etablieren, bei dem sich zum Beispiel sowohl betroffene Mitarbeiter des eigenen Unternehmens als auch Zulieferer in den Lieferketten beschweren können, wenn es zu Verletzungen gekommen ist, oder wenn Risiken erkannt wurden, etwa in Bezug auf die Menschenrechte und Umweltbelange." Wichtig hierbei sei, erklärte Müller, dass die Beschwerdestelle unparteiisch, verschwiegen und unabhängig agiere. Klingt praktikabel. Doch wie so oft hakt es im Detail - auch beim LkSG. Was zum Beispiel, wenn die Zulieferer einer Firma, etwa aus dem europäischen Ausland, gegenüber dem Auftraggeber bestimmte Auskünfte verweigern, die dieser für die Umsetzung des LkSG benötigt? "Wichtig an dieser Stelle ist, sich zu bemühen und sauber zu dokumentieren", rät Müller. Qua LkSG hätten die Firmen ja eine "Bemühenspflicht", aber keine "Erfolgspflicht", um ihrer Risikoanalyse-Aufgabe nachzukommen. "Diese Bemühungen, etwa den Schriftwechsel mit dem ausländischen Zulieferer, sollten die Mitarbeiter dokumentieren, um diese gegenüber der BAFA im Kontrollfall nachweisen zu können." Wichtig ist auch die offene Kommunikation", weiß Heine. "Zulieferer aus dem Ausland kennen ja oft unser deutsches LkSG nicht. Andererseits transferieren wir das Gesetz über unsere Lieferketten auch in andere Länder und wenden es dort indirekt dann an." Wenn ein Auftraggeber seinen Zulieferern also offen und transparent seine Pflichten kommuniziere, erhöhe das meist deren Bereitschaft mitzuwirken. Lassen sich die Vorgaben des LkSG im Spot-Geschäft umsetzen? Professor Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung in Frankfurt/Main Unternehmen, die Transportaufträge, zum Beispiel über Frachtenbörsen abwickeln, haben nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz die gleichen Pflichten wie Firmen, die mit langjährigen Vertragspartnern arbeiten. Wie sinnvoll ist das aus Sicht des Transportgewerbes? Als Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) sehen wir den Ansatz, für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Wettbewerbsgleichheit zu sorgen, grundsätzlich sehr positiv. Gut gemeint ist aber nicht immer auch gut gemacht. Und so befürchten wir, dass mit diesem Gesetz allein ein Bürokratiemonster, aber kein wirksames Instrument für menschenwürdige Arbeitsbedingungen geschaffen wurde. Im Fokus müssen aus unserer Sicht vor allem effektive Kontrollen illegaler Praktiken stehen. Eine Verlagerung staatlicher Kontrollaufgaben auf die Wirtschaft durch zusätzliche Bürokratielasten hingegen wird das Problem nicht lösen. Lassen sich diese Vorgaben, etwa im Spot-Geschäft, in die Praxis umsetzen? Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass es in Frachtenbörsen einen Button geben wird, über den die Betriebe bestätigen müssen, dass sie LkSG-konform arbeiten. Oder sie müssen dort eine Proforma-Erklärung hochladen, in der die Betriebe versichern, nach den geforderten Standards zu arbeiten. Dies wird aber nichts an den tatsächlichen Arbeitsbedingungen in den Unternehmen verändern. eh Druck ausüben ist der falsche Weg "Als Auftraggeber hier Druck auf seine Zulieferer auszuüben, ist garantiert der falsche Weg. Das ist auch nicht im Sinne des LkSG", bestätigt Müller. Daher habe die BAFA die Handreichung "Zusammenarbeit in Lieferketten" herausgegeben. Denn die Behörde habe gerade von kleineren Betrieben erfahren, dass LkSG-pflichtige Auftraggeber ihre Pflichten aus diesem Gesetz ein gutes Stück auf diese abzuwälzen versuchen. "Natürlich müssten die Informationen innerhalb der Lieferkette geteilt werden", sagt dazu Müller. "Was aber nicht geht, dass man Fragebögen von sieben Seiten und mehr an seine Zulieferer versendet, ohne vorher eine Risikoabwägung in der Lieferkette durchgeführt zu haben, wo überhaupt in der Lieferkette etwaige Risiken in Bezug auf Menschen- oder Umweltrechte bestehen." Sinnvoller wäre es, appellierte er, wenn sich Firmen einer Branche zum Beispiel auf einen einheitlichen Branchenstandard im Sinne des LkSG verständigen. Sonst würden kleinere und mittlere Zulieferer durch die Vielzahl von Fragebögen seitens ihrer Auftraggeber überfordert. Die Reporting-Pflichten werden für Firmen künftig zunehmen, auch wegen der Vorgaben der EU in Sachen Nachhaltigkeit - Stichwort CSRD, stellte Heine klar. "Im Einkauf steht ein Paradigmenwechsel an." Früher seien ,Preis' und ,Qualität' bei der Auswahl von Dienstleistern und Lieferanten maßgeblich gewesen. "Heute spielt in diese Entscheidung zunehmend hinein, wie nachhaltig ein Dienstleister oder Lieferant arbeitet - das wird unabhängig vom LkSG stärker zum wichtigen Auswahlkriterium." Und entsprechend müssen Firmen die Nachhaltigkeit ihrer Aktivitäten monitoren und dokumentieren können. Aufgepasst: Hier gibt es wertvolle Infos Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) trifft mittelständische Transportbetriebe mehr als viele meinen. Alle Abonnenten der VerkehrsRundschau finden in der Playlist "Lieferkettengesetz" auf VR Plus weitere Informationen, unter anderem die Aufzeichnung des Online-Seminars: "Lieferkettengesetz - Neue Pflichten bei der Auswahl von Transportpartnern". eh www.verkehrsrundschau.de/plus/lieferkettengesetz

DKV Mobility und MFG: Neue Partnerschaft für ultraschnelles Laden in Großbritannien

KEYOU bringt schweren Wasserstoff-Lkw auf den Markt

Transformation des Straßengüterverkehrs: Aiwangers Plan für eine grüne Logistikzukunft

Umstrittenes Personal für neue EU-Kommission

Neue Auto-Strafen in Italien wegen verschärfter Straßenverkehrsordnung

Alle Schlagzeilen

Lieferkettengesetz: Wie fair ist das?

HASHTAG

#Lieferkettengesetz

Lieferkettengesetz: Die Pflichten im Spotmarkt

Habeck will Unternehmen bei Lieferkettengesetz entlasten

Online-Seminar: Lieferkettengesetz - Neue Pflichten bei der Auswahl von Transportpartnern

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

E-Rechnungspflicht in Deutschland: Was Unternehmen wissen müssen

STELLENANGEBOTE

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Area HR Business Partner

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

WEITERLESEN

NEWSLETTER