Ladungssicherung

Ladungssicherung Russisch Roulette Ungesicherte Fracht auf dem LKW stellt eine große Gefahr dar. Dennoch werden die rechtlichen Pflichten zur Ladungssicherung von Spediteuren, Fahrern und Verladern allzu oft missachtet – mit gravierenden praktischen und rechtlichen Folgen. Autobahn A 1 bei Bühren im April 2009: Gegen acht Uhr kippt ein holländischer, mit gepresstem Papier beladener Sattelzug bei der Auffahrt in Richtung Bremen um. Bis in den Abend hinein ist die Autobahn wegen Bergungsarbeiten halbseitig gesperrt, die Umleitungsstrecke hoffnungslos überlastet. Der niederländische Fahrer kann von der Feuerwehr leicht verletzt geborgen werden. Als Unfallursache ermittelt die Polizei, dass das Fahrzeug um fast 100 Prozent überladen und die Ladung noch dazu ungesichert war. Diese oder ähnliche Vorkommnisse ereignen sich immer wieder. Uwe Schieder vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft schätzt, dass etwa 70 Prozent der Transporte, die einer Ladungssicherung bedürfen, nicht ausreichend gesichert sind. „Zum einen mangelt es an der Ausbildung der Fahrer. Häufig haben aber auch die Verlader ihre Pflichten nicht erkannt oder versuchen, ihre Verantwortung auf den Frachtführer zu delegieren“, so Schieder. Und von Seiten der Fahrer und Spediteure heißt es nicht selten: „Wir machen das schon seit 15 Jahren so, da ist noch nie etwas passiert“ oder „Das ist so schwer, das kann doch gar nicht verrutschen.“ Eine Rechtfertigung kann das jedoch nicht sein. Denn laut Gesetz ist die Ladung „so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen“ kann. Das regelt eine der wichtigsten Normen zur Ladungssicherung, § 22 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Die Vorschrift nimmt zunächst den Fahrzeugführer, also den Fahrer, in die Pflicht. Er muss dafür sorgen, dass die Ladung keine Gefahr darstellt. § 23 StVO verpflichtet ihn außerdem, dafür zu sorgen, „dass das Fahrzeug, der Zug, das Gespann sowie die Ladung und die Besetzung vorschriftsmäßig sind und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung nicht leidet“. Entspricht das Fahrzeug nicht den Anforderungen, darf er gar nicht erst losfahren. Das bedeutet auch: Wenn er den LKW nicht selbst beladen hat, muss der Fahrer die Ladungssicherung überprüfen und den Transport gegebenenfalls ablehnen. Stellt er unterwegs fest, dass etwas nicht stimmt, muss er das Fahrzeug auf kürzestem Weg aus dem Verkehr ziehen. Mit anderen Worten: Er muss den LKW bei der nächsten sich bietenden Möglichkeit abstellen, und zwar so, dass dabei der Verkehr weder behindert noch gefährdet wird. Was in puncto Ladungssicherung konkret zu tun ist, sagt die StVO jedoch nicht. Sie verweist allerdings darauf, dass „die anerkannten Regeln der Technik“ zu beachten sind (§ 22 Absatz 1 Satz 2 StVO). Dazu zählen die DIN EN-Normen und die Ladungssicherungs-Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). So regelt die VDI-Richtlinie 2700 („Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen“) die Grundgebote für richtiges Verstauen und legt damit die allgemein gehaltenen Vorgaben der StVO verbindlich aus. Die VDI-Richtlinien werden als so genannte objektive Sachverständigengutachten herangezogen. Sie sind immer zu beachten, da sie den anerkannten Stand der Technik widerspiegeln. „Das bedeutet, dass sie von den Gerichten wie das Gutachten eines Sachverständigen gewertet werden, an ihnen wird im konkreten Fall beurteilt, ob die Ladung ordnungsgemäß gesichert war“, erklärt der Augsburger Rechtsanwalt Ulrich Standke. Für Verwirrung sorgt in diesem Zusammenhang gegenwärtig die Norm EN 12195-1:2010 der Europäischen Union. Inwieweit sie in Zukunft als anerkannte Regel der Technik Anwendung findet, ist derzeit noch offen (siehe Kasten). Leichtsinn mit tödlichen Folgen Welche Folgen ungesicherte Ladung haben kann, zeigt die Auswertung des Statistischen Bundesamtes über die Ursachen von Straßenverkehrsunfällen: Allein im Jahr 2009, dem letzten statistisch ausgewerteten Jahr, verunglückten 855 Personen aufgrund unzureichend gesicherter Ladung, 14 davon tödlich. Wegen Überladung kamen 310 Menschen zu Schaden, neun davon bezahlten den Leichtsinn mit ihrem Leben. Diese Zahlen machen deutlich, dass die Ladungssicherung bei den Verantwortlichen dringend einen höheren Stellenwert einnehmen muss. Nach Einschätzung von GDV-Experte Schieder liegen die Ursachen mangelnder Ladungssicherung vor allem in hohem Zeitdruck, einer unzureichenden Ausstattung der Fahrzeuge und der mangelhaften Ausbildung der Fahrer. Gerade die letzten beiden Gründe gehen nicht auf das Konto der Fahrer, sondern der Spediteure. Und das, obwohl der Gesetzgeber auch ihnen, nämlich als Fahrzeughalter, bei der Ladungssicherung erhebliche Pflichten auferlegt. Nach § 31 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) muss der Fahrzeughalter dem Frachtführer nämlich zunächst ein geeignetes Fahrzeug für den Transport zur Verfügung stellen. Außerdem darf er die Fahrt eines LKW nicht zulassen oder anordnen, wenn er weiß, dass die Ladung nicht vorschriftsmäßig ist oder die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung beeinträchtigt wird. In der Norm heißt es auch, dass der Halter in die Verantwortung genommen wird, wenn er weiß, dass der Fahrer nicht zur selbstständigen Leitung geeignet ist, er also den Transport nicht ordnungsgemäß durchführen kann. „Für den Spediteur bedeutet das, dass er ein für den konkreten Transport und die konkrete Verpackung geeignetes Fahrzeug und die geeigneten Sicherungsmittel zur Verfügung stellen muss“, erklärt Rechtsanwalt Standke. „Außerdem muss er das Fahrpersonal im Laden und Sichern regelmäßig schulen und kontrollieren. Erst wenn er das getan hat, ist er nach § 31 StVZO entschuldigt“, so der Experte. Dabei kann er die Verantwortung auch auf den Fuhrparkleiter übertragen, dieser muss allerdings ebenfalls entsprechend geschult sein und überwacht werden. Bei Verstößen drohen Bußgelder Wer sich als verantwortlicher Fahrzeughalter oder Fahrer nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält, hat mit erheblichen Konsequenzen zu rechnen. „So kann ein Fahrzeughalter, der etwa einen ungeeigneten Fahrer auf Tour schickt, bei einem Unfall mit einem Bußgeld von 225 Euro belegt werden, für unzureichend gesicherte Ladung drohen bei einem Crash sogar 390 Euro – verbunden mit Punkten im Flensburger Verkehrszentralregister“, weiß Standke. Der Fahrer selbst werde bei einer einfachen Kontrolle mit 50 Euro zur Kasse gebeten, komme es zu einer Gefährdung, sogar mit 75 Euro, zusätzlich gibt es ein bis drei Punkte in der Verkehrssünderkartei. Daneben drohen bei einem Unfall strafrechtliche Konsequenzen. Transportunternehmer müssen jedoch noch mit weiterem Ungemach rechnen: Gegen sie kann, wenn sie einen LKW überladen auf den Weg schicken, anstatt die Ladung auf zwei Fahrzeuge zu verteilen, ein so genanntes Verfallverfahren eingeleitet werden. Sie müssen dann den aus der Kos-tenersparnis erwirtschafteten Vorteil an den Staat abgeben. ❙❚■ Ina Reinsch Kann leicht kippen: Gerade übergroße Fracht muss ausreichend gesichert werden Schwerpunkt Ladungssicherung Diese Pflichten haben Verlader Beim Thema Ladungssicherung nimmt der Gesetzgeber auch den Verlader in die Verantwortung. Nach § 412 des Handelsgesetzbuches hat er das Gut „beförderungssicher zu laden, zu stauen und zu befestigen (verladen) sowie zu entladen“. Dazu zählt, dass das Transportgut ausreichend verpackt ist, so dass es selbst keinen Schaden nehmen kann und andere Güter nicht beschädigt. Außerdem muss es so befestigt werden, dass es nicht umfallen, verrutschen oder herabstürzen kann. Sollte der Fahrer selbst die Verladung vornehmen, muss der Verlader zumindest kontrollieren, ob alles passt. Bei Verstößen drohen dem Verantwortlichen je nach Schwere Geldbußen von 50 bis 110 Euro sowie ein bis drei Punkte in Flensburg. ir Nach welcher Norm Verantwortliche derzeit sichern müssen Ladung muss nach den anerkannten Regeln der Technik gesichert werden. Dazu zählt in erster Linie die VDI-Richtlinie 2700. Ob die neue Ladungssicherungsvorschrift EN 12195-1:2010 der Europäischen Union von den Gerichten als anerkannte Regel der Technik anerkannt werden wird, ist derzeit offen. Sie wurde entwickelt, um die Sicherheitsstandards an die Ladungssicherung europaweit zu harmonisieren. Dennoch erfährt sie nicht überall Zustimmung. Denn mit ihr werden die Anforderungen an die Sicherheitswerte für sicheres Laden zumindest aus deutscher Sicht erheblich reduziert. So lehnt etwa der Königsberger Ladungssicherungskreis (KLSK), ein Zusammenschluss von Ladungssicherungsexperten aus Polizei und Wirtschaft, die neue Norm ab. „Wonach nun in Zukunft gesichert werden soll, ist derzeit offen“, erklärt KLSK-Vorsitzender Manfred Sommer. Das Bundesverkehrsministerium hatte im Dezember 2010 das Bundesamt für Güterverkehr angewiesen, weiterhin nach der VDI 2700 zu kontrollieren. Wie lange dies allerdings noch gelten werde, sei unsicher, so Sommer. „Die Rechtslage ist derzeit unklar, die Leittragenden sind die Spediteure und die Fahrer.“ Das Bundesverkehrsministerium gibt zumindest vorerst Entwarnung: Zunächst werde weiter nach VDI 2700 kontrolliert, so ein Sprecher. Das Ministerium werde nun mit Hilfe der Bundesanstalt für Straßenwesen und unter Beteiligung der Länder der Frage der Tauglichkeit der EN 12195-1:2010 nachgehen. ir Verlorene Ladung – war sie richtig gesichert? VDI 2700 oder EN 12195-1:2010?

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