Kurz vor der Ablösung

Es tut sich was bei MAN. Unzählige Prototypen rollen aktuell über die Straßen und zeugen davon, dass sich in München langsam, aber sicher ein Nachfolger der TGX-Baureihe warm rollt. Bis zur Präsentation des Neuen - und gewiss noch darüber hinaus - muss der aktuelle TGX weiter ran, weshalb sich dieser in Form eines 18.460 noch mal im Verkehrs-Rundschau-Test beweisen muss. Mit 460 PS und der XLX-Kabine steht er für das Brot-und-Butter-Modell im TGX-Portfolio. Verzicht bedeutet das für den Fahrer aber nicht. Das mittelgroße Fahrerhaus bietet gegenüber der Top-Kabine XXL lediglich eine geringere Innenhöhe. Das Stauraumangebot fällt dagegen identisch aus und die kleinere Frontscheibe sowie die geringeren Nick- und Wankbewegungen des mittleren Fahrerhauses sind als Vorteil zu werten. Volles Drehmoment ab 930 Touren Auch mit der mittleren Einstellung des D26-Sechszylinders lässt sich gut leben. 2300 Newtonmeter Drehmoment sind für diese Klasse ein guter Wert, vor allem sind sie bereits ab 930/min voll nutzbar. Das schreit eigentlich nach einer lang übersetzten Hinterachse, die MAN bislang aber nicht im Portfolio hat. Die im Testfahrzeug verbaute 2,53er-Achse stellt aktuell das Maximum. Mit der liegen bei 85 km/h 1150 Touren an und damit deutlich mehr als bei vielen Wettbewerbern, die bei gleicher Geschwindigkeit nur noch bei knapp 1000/min arbeiten. Andere Spritsparer sind dagegen in Form des Efficient-Line-3-Paketes an Bord. Darin enthalten sind ein komplettes Spoilerpaket, ein bedarfsgerecht arbeitender Luftkompressor und - sehr löblich - ein Retarder. Zusätzlich verzichtet MAN hier auf die Sonnenblende und belässt es bei einem Höchsttempo 85 km/h. Nachweislich Sprit spart zusätzlich der im Paket enthaltene GPS-Tempomat, bei MAN "Efficient-Cruise" genannt, der einen hohen Reifegrad erreicht hat. Das liegt vor allem am von der Konzernschwester Scania stammenden Getriebe, das MAN weitreichendere Abstimmungsmöglichkeiten offenbart als bei den ZF-Getrieben. So kann Efficient Cruise wirkungsvoll mit der Topografie der Strecke spielen, wobei die vorgegebenen Hysteresen stets streng eingehalten werden. Auch das Zusammenspiel von Ecoroll und Schubabschaltung ist den MAN-Ingenieuren gut gelungen, gleiches gilt für das schnelle Wiedereinlegen der Fahrstufe nach dem Eco-Roll-Betrieb, wo das System auch in Steigungen kein Tempo liegen lässt. Was Efficient-Cruise aber fehlt, ist eine Angasfunktion, die vor Steigungen das Tempo automatisch um einige km/h erhöht. Das würde zahlreiche Rückschaltungen überflüssig machen. Allerdings meidet die Elektronik den Drehzahlkeller konsequent. Vielleicht weiß sie um die Brummgeräusche und Vibrationen, die der D26 unterhalb von 1000/min entwickelt - angesichts des früh anliegenden Drehmoments eine überraschende Erkenntnis. Bekannt ist dagegen das ausgewogene TGX-Fahrwerk, das zusammen mit der direkten Lenkung für einen gelungenen Kompromiss aus Komfort und "Sportlichkeit" sorgt. Zudem gehört der MAN weiterhin zu den leisesten Lkw am Markt. Hinreichend bekannt sind auch die TGX-Kritikpunkte, die MAN hoffentlich beim Nachfolger beseitigen wird. In keinem anderen Lastwagen sind die Sichtverhältnisse bei Kreiseleinfahrten aufgrund der riesigen und weit vorn an der A-Säule montierten Spiegelgehäuse schlechter. Zudem ist der Bordcomputer nicht mehr auf dem letzten Stand: Auf dem kleinen Display lassen sich vergleichsweise wenig Funktionen abrufen und die Elektronik vergisst nach jeder Pause das Tempomattempo. Und dann wären da noch die zahlreichen Lenkradtasten, die man beim Rangieren schnell mal ungewollt berührt und Radiosender oder Audiolautstärke ungewollt verstellt. Platzierung im vorderen Mittelfeld Wichtiger als das sind Verbrauch und Transportgeschwindigkeit. Für die Beförderung unseres 24 Tonnen schweren Krone-Testaufliegers stellt der 18.460 durchschnittlich 25,11 l/100 km in Rechnung, bei einem Reisetempo von knapp 79,4 km/h. Damit reiht sich der MAN im vorderen Mittelfeld unseres Verbrauchsrankings ein. Eine längere Achsübersetzung könnte helfen, den Verbrauch weiter nach unten zu korrigieren. Hoffentlich steht die ebenfalls im Pflichtenheft des Nachfolgemodells. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau-plus.de Der MAN TGX im TÜV-Urteil Wie bei jedem Profitest der VerkehrsRundschau begutachtete TÜV SÜD auch den MAN 18.460 in Sachen Service und Wartung. Im besten Fall darf der TGX bis zu 140.000 Kilometer weit rollen, bevor er zum Schmierstoffwechsel muss. Bei der Hinterachse und dem Getriebe wird alle 500.000 Kilometer ein Ölwechsel fällig. Damit liegt der Münchner auf Augenhöhe zu den Wettbewerbern. Ansonsten bescheinigt der TÜV SÜD dem MAN gute Wartungsfreundlichkeit. Für den Ölwechsel müssen keine Verkleidungen demontiert werden und auch der Dieselfilter sowie das Lenköl lassen sich einfach tauschen beziehungsweise nachfüllen. Motoröl, Kühl- und Scheibenwaschwasser werden hinter der Frontklappe ergänzt. Alle Flüssigkeitsstände überwacht der Bordcomputer. Löblich: Die Frontklappe muss entriegelt werden, was Langfingern ihre Tätigkeit erschwert. Ein nettes Gimmick ist die Teleskopstange zum Putzen der Fenster unter der Frontklappe, auch wenn wir bezweifeln, dass sie viele Fahrer nutzen.Wir testen mit Premium-Kraftstoffen von Shell. Kommentar Übersetzt ihn länger! Der aktuelle TGX präsentiert sich als ausgereifter Lkw, der bei Kleinigkeiten nicht mehr ganz auf dem Stand ist. Wer damit leben kann, macht mit dem MAN sicher ein Schnäppchen, bevor der Nachfolger kommt. In Sachen Verbrauch könnte der TGX mit einer längeren Hinterachsübersetzung sicher weiter vorn im Ranking landen.Jan Burgdorf VR-Testredakteurjan.burgdorf@springernature.com

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