Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klafft im Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung ein 60 Milliarden Euro großes Loch – und die Sorge in der Transport- und Logistikbranche um die Finanzierung wichtiger Zukunftsvorhaben ist groß. Was war passiert?
Am Mittwoch (15. November) hatten die Karlsruher Richter den Nachtragshaushalt 2021 für nichtig erklärt und der Bundesregierung damit untersagt, ursprünglich für die Bewältigung der Coronakrise vorgesehene Kreditermächtigungen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu übertragen.
BMDV prüft Priorisierung von Projekten
Welche Auswirkungen die KTF-Entscheidung konkret für den Hochlauf emissionsarmer Transportlogistik bedeuten könnte, insbesondere für den Füllstand der Fördertöpfe für Lkw mit alternativen Antrieben und die dazugehörige Tank- und Ladeinfrastruktur, ist derzeit noch unklar. „Von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind einige wichtige Projekte und Vorhaben im Ressort des BMDV betroffen“, bestätigte aber eine Sprecherin des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr auf Anfrage. Dazu gehörten vor allem Mittel für die Sanierung der Bahn, aber auch für Ladeinfrastruktur oder klimaschonende Nutzfahrzeuge.
„Wie diese nun entstandene finanzielle Lücke geschlossen werden kann, wird Gegenstand der gesamtstaatlichen Beratungen sein. Wir prüfen intensiv, welche Mittel in welcher Form verfügbar gemacht werden können – dazu gehört eine Priorisierung von Projekten sowie eine mögliche zeitliche Verschiebung“, so die Sprecherin. Es bestehe aber weiterhin der klare Wille, die Klimaneutralität im Verkehrssektor in Deutschland weiter voranzutreiben, betont sie. "Der Einzelplan des BMDV ist im Übrigen vom Urteil des BVerfG unberührt", so die Sprecherin.
DSLV: "Zumindest bestehende Förderzusagen absichern"
„Mit einem Schlag hat das Gericht die Klimaschatzkiste der Bundesregierung geleert“, beschreibt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, die aktuelle Situation und fordert: „Jetzt muss schnellstmöglich eine Lösung für den Haushalt her, mit der die Finanzierungslücke geschlossen werden kann.“ Die Klimaschutzförderung des Güterverkehrs sei angesichts der äußerst ambitionierten CO2-Einsparziele ohnehin unterdimensioniert, merkt Huster weiter an.
Es sei deshalb wichtig, dass die öffentliche Finanzierung nicht noch weiter abgesenkt wird, denn: „Sonst gerät das wichtige Projekt CO2-freie Logistik ins Stocken, bevor es richtig begonnen hat.“ Er fordert daher, dass zumindest bestehende Förderzusagen für privatwirtschaftliche Anschaffungsinvestitionen in die Antriebswende und in nachhaltige Logistikimmobilien finanziell abgesichert werden. Für die dringend notwendigen Investitionen in die Infrastrukturen sämtlicher Verkehrsträger einschließlich deren CO2-neutraler Energieversorgung brauche es jetzt „einen echten Deutschlandpakt“ zwischen Bundesregierung und Opposition, so Huster.
„Hier rächt sich, dass die Ampel den Klimaschutz auf derart wackelige Füße gestellt hat", teilte Prof. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, via soziale Medien mit. "Anstatt die Mehreinnahmen aus der CO2-Maut in die Schiene zu stecken, wären sie für Förderprogramme, Ladesäulenausbau aber auch für Anreize zum Einsatz alternativer Kraftstoffe sehr viel besser investiert gewesen", so Engelhardt. Jetzt gelte es, "diesen Fehler zu korrigieren, Gelder für Schienenprojekte in ferner Zukunft umzuschichten und auf Maßnahmen zu setzen, mit denen bis 2030 tatsächlich ein Mehrwert für das Klima erzielt werden kann."
Investitionen in die Schieneninfrastruktur massiv betroffen
Auch die dringend benötigten Investitionen in die Schieneninfrastruktur stehen nach dem KTF-Urteil auf wackligen Beinen. Udo Schiefner (SPD), Vorsitzender der Parlamentsgruppe Schienenverkehr im Deutschen Bundestag, äußerte sich bei dem vom Deutschen Verkehrsforum (DVF) ausgerichteten Parlamentarischen Abend der Parlamentsgruppe Schienenverkehr zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Demnach sei ungewiss, ob rund 12,5 Milliarden Euro, die in den kommenden Jahren für Schieneninvestitionen aus dem KTF finanziert werden sollten, in Zukunft zur Verfügung stehen. Für die kommenden Beratungen zur Umsetzung des Urteils zeigte Schiefner sich jedoch zuversichtlich, dass man es gemeinsam mit den betreffenden Bundesministerien schaffen werde, verlässliche Projekte aufzusetzen und weiterhin massiv in die Schiene zu investieren.
Dass das Urteil aus Karlsruhe so ausfalle, habe man nicht erwartet, räumte derweil Susanne Henckel, unter anderem für den Schienenverkehr zuständige Staatssekretärin im BMDV, ein, betonte aber: „Die Finanzierung der Schiene soll auch künftig eine möglichst langfristige und gesicherte Perspektive haben.“ Dabei habe sich zum Beispiel die mehrjährige Laufzeit der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) bewährt. Nun versuche man vor allem die Bestandsinvestitionen für die Schiene zu sichern. Zudem werde man Umpriorisierungen prüfen.
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Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 17. November, 16:20 überarbeitet (BGL-Statement)