Bremen/Hamburg. Mit den ersten hochseetauglichen Motorschiffen war weltweit das Ende der Windkraft in der kommerziellen Schifffahrt besiegelt. Segel wurden nur noch im Wassersport, bei der militärisch-seemännischen Ausbildung und bei nostalgischen Windjammer-Paraden gesetzt. Schweröl löste den Wind als Energiequelle für die stürmisch wachsende Schifffahrt ab. Doch nur knapp ein Jahrhundert nach der Premiere des Schiffsmotors erhält das Segel wieder eine Chance. Steigende Ölpreise machen die kostenlose Windkraft auch für die Frachtschifffahrt wieder interessant. An diesem Samstag wurde in Hamburg mit der „Beluga Skysails“ der Neubau eines Frachters getauft, der neben dem Schiffsdiesel auch ein Segel hat. Im Januar soll der 132 Meter lange Mehrzweck-Spezialfrachter auf seine Jungfernreise von Bremen nach Venezuela gehen. „Eine Punktlandung“, sagt der Bremer Reeder Niels Stolberg. Er hat dabei den Blick auf die hohen Preise am Rotterdamer Ölmarkt gerichtet. Der geschäftsführende Gesellschafter der Beluga Shipping GmbH, hat das Schiff „Beluga Skysails“ samt High-Tech-Segel bauen lassen. Allein das Segel schlägt nach Angaben des Reeders mit rund 500.000 Euro zu Buche. Wie die anderen Frachter seiner gut 50 Schiffe umfassenden Flotte, soll der neue ‚Motorsegler’ auf allen Weltmeeren fahren. An Bord Stück- und Sperrgut, welches nicht in Container passt. Darunter Anlagen für Industrie, Ölförderung und Hafenumschlag. Mit klassischer Takelage hat Skysails nichts gemeinsam. Eher mit den bauchigen Spinnakern auf Rennseglern. Die größte Ähnlichkeit hat das System mit den vom Surfen bekannten Kites. Mit Armkraft ist das 160 Quadratmeter große Kite der „Beluga Skysails“ allerdings nicht beherrschbar. Am Vorderteil des Schiffes ist der Zugdrachen mit einem starken Kunstfaserseil verankert. Unter dem Drachen schwebt eine Steuergondel mit Hochleistungsrechner. Er trimmt je nach Kurs, Windrichtung und Windstärke die Segelfläche. Den Schiffsdiesel ersetzen kann der vom Hamburger Ingenieur Stephan Wrage entwickelte Kite-Antrieb nicht. Kommt der Wind von vorn, bleibt das Segel in der Kiste. Dort wird es auch bei Windstärken von weniger als vier und mehr als acht Beaufort verstaut. Weht der Wind aber in der richtigen Stärke von hinten oder von der Seite, entfaltet das Schwebesegel seine volle Zugkraft. „Wir rechnen dann mit Treibstoffeinsparungen von bis zu 20 Prozent. Das können bei einem unserer Schiffe bis zu 2000 US-Dollar pro Tag sein“, sagt Stolberg. Abhängig ist der Einspareffekt nicht nur von Windrichtung und Windstärke. „Auch Kapitän und Mannschaft sind stärker gefordert als im herkömmlichen Betrieb“, sagt der Bremer Reeder. Damit sie unterwegs soviel kostenlose Windkraft wie möglich nutzen, werden sie nach Stolbergs Plänen am finanziellen Vorteil beteiligt: „20 Prozent der Einsparsumme bleibt bei der Crew“, verspricht der Chef. Getestet wurde das System in den vergangenen Jahren auf einem kleineren Frachter in der Ostsee. Jetzt steht ein Zwölf-Monate-Härtetest auf den Weltmeeren bevor. Wenn die Ergebnisse überzeugen, will Stolberg weitere Neubauten mit dem Kite ausrüsten - mit deutlich größeren Segelflächen. Unterstützung bekommt Stolberg von Umweltschützern. „Das ist eine gute Maßnahme zur Verringerung der Treibhausgase und eine interessante Anwendung regenerativer Energien“ lobt der Meeresexperte der Umweltstiftung WWF, Stephan Lutter. „Wir propagieren seit langem das Konzept des „clean ship" von der Abfallentsorgung bis zum Abwracken. Und das ist ein wichtiger Beitrag dazu“, lobt Lutter. (dpa/sb)
Kite-Segel soll Treibstoff sparen
Hoher Ölpreis gibt der Windkraft für Frachtschiffe neuen Schub: Schiffstaufe der „Beluga Skysails“