KEP: Sollen Subunternehmer verboten werden?

VR: Sie sind Gründer von Cycle Logistics in Berlin. Ihr Unternehmen stellt unter anderem für einen Paketdienst Pakete per Lastenrad zu. Warum haben Sie Ihr eigenes Unternehmen gegründet? Sie hätten auch als angestellter Zustellfahrer fahren können MS: Ich bin gerne mein eigener Herr. Und ich will selbst entscheiden, wie und mit wem ich arbeite. Außerdem habe ich in der Zustellung per Lastenrad einen Markt gesehen, den ich als selbständiger Unternehmer aktiv mitgestalten kann. Ich will nachhaltig unterwegs sein. Das ist meine Ambition. Und es gibt viele Kleinbetriebe wie mich. Die sind klein, wendig und flexibel. Die haben die Leidenschaft, die machen Fahrradlogistik. Und solche Betriebe braucht es in unserer Branche. Klar ist das manchmal mühsam, aber es gibt dafür einen Markt. Und da kann man auch etwas reißen und so manches Dieselfahrzeug ersetzen. Nun will die Gewerkschaft Verdi das Subunternehmer-Modell in der Kurier-, Express- und Paketbranche (KEP) verbieten. Was sagen Sie zum Verdi-Vorstoß? Verdi würde mir damit meine Geschäftsgrundlage entziehen – und zwar zu 95 Prozent. Die Forderung ist aus meiner Sicht an den Haaren herbeigezogen. Ich verstehe, dass eine Gewerkschaft möglichst viele Mitglieder gewinnen will, die sie vertreten darf. Denn je mehr Mitglieder eine Gewerkschaft hat, desto mehr Reichweite hat sie, desto mehr Mitgliedsbeiträge bekommt sie. Aber in der Sache kann ich der Begründung von Verdi nicht folgen. Und so wie ich denken viele meiner Branchenkollegen: Die halten den Vorstoß für Blödsinn. Das klingt für die nach Gewerkschafts-Polemik. Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis begründete den Vorstoß damit, dass „Ausbeutung und prekäre Beschäftigung mittlerweile ein unerträgliches Maß angenommen“ haben. Hat sich die Situation in der KEP-Branche tatsächlich so verschlechtert? Das ist eine völlig einseitige Diskussion, dass angeblich an jeder Ecke ausgebeutet wird. Wir haben zum Beispiel in unserem Radlogistik-Verband über die Themen Ausbeutung und Soziale Standards diskutiert. Fest steht: Alle unsere Mitgliedsunternehmen haben vernünftige Verträge, korrekt angemeldete Leute und einige sind sogar präqualifiziert. Die ZertBau ist eine unabhängige Zertifizierungsstelle und führt unter anderem die Zertifizierung von KEP-Unternehmen durch. Das sind genau die Betriebe, die Verdi nun verbieten will. Dabei haben die nichts zu verbergen, im Gegenteil. Regelmäßig überprüft die ZertBau uns in Audits und stellt sicher, dass wir alle Vorschriften einhalten. Ich selbst muss dort zum Beispiel alle drei Monate eine aktuelle Unbedenklichkeits-Bescheinigung aller Krankenkassen vorlegen, die in meinem Betrieb vertreten sind, und nachweisen, dass ich für mein Team die Sozialversicherungs-Beiträge abgeführt habe. ZertBau checkt das dann gegen. Das ist alles sehr transparent. Zusätzlich macht unser Auftraggeber selbst jedes Jahr ein Audit und kommt dafür zu uns ins Haus. Also die „Nachunternehmer-Haftung“ – Stichwort Paketbotenschutzgesetz – das ist alles ganz sauber. Gleichwohl zieht der Zoll immer wieder schwarze Schafe in der KEP-Branche heraus. Mag sein, dass es einige wenige schwarze Schafe gibt. Das sind aber Einzelfälle. Es kann aber nicht sein, dass in unserer Branche 99 Prozent aller Unternehmen unter einem solchen Verbot leiden müssen, nur weil es vielleicht zwei, drei schwarze Schafe gibt. Die Gewerkschaft Verdi greift da extrem in unseren Markt ein. Durch ein solches Verbot würde die Vielfalt in unserer KEP-Branche völlig verloren gehen. Da halte ich gar nichts davon. Was macht Ihr Unternehmen konkret? Wir stellen Pakete via Lastenrad in Berlin zu- Unser größter Auftraggeber ist die Hermes-Logistik-Gruppe, für wir in Berlin-Mitte ein Mikro-Depot mit rund 170 m2 Fläche betreiben, das wir gemietet haben. Von Montag bis Samstag liefert dort täglich um 8.30 Uhr ein Hermes-Lkw rund 1000 Pakete an, die uns vorab per EDV avisiert wurden. Diese scannen und sortieren wir nach Menge auf die jeweilige Tour, und unsere Fahrer stellen die Pakete dann ab zehn Uhr mit elektrisch unterstützten Lastenrädern zu. Wir verwenden unterschiedliche Fahrzeuge vom einspurigen Bullitt mit 240 Litern Ladevolumen bis hin zu drei-, vier- und sogar sechsrädrigen Schwerlasträdern mit bis zu 2 m³ Ladevolumen und einer Zuladung von 150 und mehr Kilogramm. Empfänger sind in der Regel Endverbraucher, Einzelhändler und Gewerbetreibende. Die Tourenplanung mache ich selbst. Wir bedienen für Hermes mehrere Postleitzahlen-Gebiete im Zentrum von Berlin. Wie viele Pakete stellen Sie eigentlich so täglich per Lastenrad zu und in welcher Zeit? Wie gesagt, ein Zustellfahrer beginnt bei uns um 10 Uhr und arbeitet regulär bis 18, maximal 19 Uhr. Und ein gut eingearbeiteter Zustellfahrer schafft bei uns rund 100 Pakete täglich. Wobei diese Menge extrem von der Tour, der Kundenstruktur und der Stopp-Dichte abhängt. Wie körperlich anstrengend ist das? Am Abend weiß man schon, was man am Tag gemacht hat (lacht). Vor allem wenn das Paket über 30 Kilogramm schwer ist und in den siebten Stock muss. Eine Kiste Wein, das ist schwere Arbeit; eine zierliche Zustellerin hätte da ihre Probleme. Schwere und größere Pakete lasse ich aber generell nicht von Frauen fahren. Wie werden Sie bezahlt: pro Stopp, pro ausgeliefertem Paket oder aber erhalten Sie eine Tagespauschale? Das ist Verhandlungssache; jeder Auftraggeber hat da sein eigenes Vergütungs-Modell. Im Grunde hängt unsere „Vergütung“ von der Produktivität einer Tour ab, und die hängt wiederum davon ab, ob wir an Gewerbliche Kunden oder aber an Endkunden ausliefern. Da fahren wir fallweise vergeblich hin oder suchen aufwändig einen Nachbarn, der die Sendung annehmen will. Wie hoch ist Ihr Jahresumsatz? Dazu möchte ich mich nicht öffentlich äußern. Bitte haben Sie dafür Verständnis. Sie sagten, dass Ihr Zustell-Job körperlich anstrengend sein kann – vor allem bei größeren Paketen. Was halten Sie also von dem Verdi-Vorschlag, das Gewicht von Paketen von derzeit maximal 31,5 Kilogramm auf 20 Kilogramm zu reduzieren? Gegenfrage: Wie kommt ein Paket, das über 20 Kilogramm wiegt, dann zu zum Kunden? Natürlich können Speditionen solche schwereren Pakete ausliefern. Die liefern aber immer „frei Bordsteinkante“, also nie bis in den besagten 7. Stock. Wenn Katzen-Liebhaber Katzen-Streu bestellen, müssten sie also die 35 oder 50 Kilogramm selbst nach oben schleppen. Das ist doch kein Kunden-Service! Es ist schon richtig, dass Pakete, die über 20 Kilogramm wiegen, eine andere Hausnummer sind als die Tüte mit einem T-Shirt darin. Was ich mich aber frage, warum ein solches Paket im Versand nur 3,99 kostet? Warum verlangt man für ein solches Paket zum Beispiel nicht zehn Euro? Die Paketpreise in Deutschland sind im internationalen Vergleich sowieso viel zu günstig und die gesamte Branche ächzt unter den knappen Preisen. Sehr wohl muss sichergestellt werden, dass am Ende der Kette – bei den Zustellern! – genug Lohn ankommt für die schwere Arbeit und für den Service, der geleistet wird. Das muss aber, meine ich, von den Kunden bezahlt werden. Mit den 10 Euro pro Paket könnte ein Paketzusteller, der schwere Pakete ausliefert, zum Beispiel mit 20 oder 30 Paketen seinen Tages-Umsatz erreichen und müsste nicht 100 Pakete ausliefern. Letzte Frage an Sie: Vorausgesetzt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil würde Sie fragen, wie er Ausbeutung in der KEP-Branche verhindern könnte. Was würden Sie ihm sagen? Es gibt bereits alle erforderlichen Gesetze und Regelungen. Um die vereinzelten schwarzen Schafe in unserer Branche zu identifizieren, braucht es kein neues Gesetz. Auch kein flächendeckendes Subunternehmer-Verbot. Konsequente Kontrollen würden vollkommen ausreichen. Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa

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