Kein Sprung ins kalte Wasser

Es passiert immer wieder: Eine neue Führungskraft kommt nicht richtig in Schwung, liefert nicht die gewünschten Ergebnisse, kann bei Partnern und Kunden nicht überzeugen oder das eigene Team nicht mitnehmen. "Gründe, warum Führungskräfte in ihrer neuen Position scheitern, gibt es viele. Nicht immer liegt dies an der Eignung der betreffenden Person", sagt Diplom-Pädagogin Gudula Brammer, Führungskräfte-Coach beim Machwürth Team International in Visselhövede. Zum Beispiel komme es vor, dass die Anforderungen und Erwartungen im Vorfeld nicht klar genug kommuniziert werden. Dass eine hohe Abweichung der neuen Rolle von denen im Auswahlprozess aufgebauten Erwartungen ein häufiger Kündigungsgrund ist, bestätigt eine Befragung der Talent- und Organisationsberatung Korn Ferry International unter 361 Fach- und mittleren Führungskräften. Trotz hoher Bezahlung würden 82 Prozent der Befragten bei Unzufriedenheit einen neuen Job suchen. Jeder Vierte würde das Unternehmen sogar verlassen, ohne einen neuen Vertrag in der Tasche zu haben. 14 Prozent fackeln nicht lange und kündigen, weil sie bereits in den ersten sechs Monaten zu erkennen glauben, sich in der neuen Rolle nicht weiterentwickeln zu können. Nur neun Prozent sagen, dass ihr Arbeitgeber sie vor allem mit Vergütung bei der Stange halten kann. Die deutliche Mehrheit, 70 Prozent, wünscht sich in erster Linie einen Job, der sie sowohl herausfordert als auch erfüllt und bereichert. 16 Prozent halten den persönlichen Entwicklungspfad für das wichtigste Kriterium, beim neuen Arbeitgeber zu bleiben. "Sinn und persönliches Wachsen stellen gerade in den westlichen Wohlstandsgesellschaften das reine Geldverdienen in den Schatten. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Geld auch heute mehr ist als der vielfach zitierte Hygienefaktor. Wer gute Mitarbeiter sucht und halten möchte, muss diese auch gut bezahlen", kommentiert Carsten Schaefer, Spezialist für die Rekrutierung von Fach- und Führungskräften bei Korn Ferry, die Umfrageergebnisse. Eine Strategie der überhöhten Bezahlung bei gleichzeitiger Frustration könne höchstens übergangsweise funktionieren, um zum Beispiel Spitzen abzubauen. Für langfristigen Erfolg sollten sich Unternehmen schon bei der Personalsuche so authentisch wie möglich präsentieren und das Bild nicht zu weit weg von der Wirklichkeit zeichnen, rät Schaefer. Um den passenden Kandidaten zu finden, sollten Unternehmer zunächst reflektieren, welche Eigenschaften für das Führen und Steuern einer Organisationseinheit besonders relevant sind. "Ist der oder die Neue eher als inspirierender und motivierender Visionär oder als die Mitarbeiter befähigende Führungskraft oder als Entscheidungen konsequent umsetzender Manager und Unternehmer gefragt? Und welche Erwartungen hinsichtlich Agilität, Gestaltungswillen oder Change-Kompetenz werden an ihn gestellt?", führt Personalexpertin Gudula Brammer aus. Sinn und Work-Life-Balance wichtiger Statt eines Sprungs ins kalte Wasser kann ein begleitendes Coaching Führungskräften helfen, ihre neue Position gut vorbereitet anzutreten. Denn auch die Führungsaufgaben an sich wandeln sich mit der Digitalisierung, die in den kommenden Jahren ganze Berufsgruppen stark verändern wird, massiv. Was früher gut funktionierte, muss in der neuen Position nicht zum Erfolg führen. "Unter Mitarbeitern nimmt die Bedeutung einer 'Höher, schneller, weiter'-Karriere ab, denn Sinn und Work-Life-Balance stehen für sie zunehmend im Vordergrund. Zugleich hat kaum noch jemand Lust darauf, Führungsverantwortung zu übernehmen, will aber auch künftig angemessen bezahlt und befördert werden. Nur eben nicht so klassisch mit Hierarchiestufen", erklärt Fabian Kienbaum, CEO der Kölner Personal- und Managementberatung Kienbaum Consultants International. Statt Ansagen "von oben" seien mehr Mitsprache, Gestaltungsspielraum und eigenverantwortliches Handeln im Job erwünscht. Um die Mitarbeiter vor diesem Hintergrund richtig zu motivieren, sei ein "dienendes Führen" (englisch: Servant-Leadership) gefragt. Aufrichtigkeit, Menschlichkeit und das Vertrauen in das Potenzial des Einzelnen stehen dabei im Fokus. "Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern Zeit und Raum für Experimente geben - inklusive Fehlern, denn die gehören dazu", ergänzt Fabian Kienbaum. Nötig ist also eine offene Unternehmenskultur, die konstruktive Kritik belohnt, statt sie abzustrafen. "Gerade in Zeiten der Digitalisierung brauchen Unternehmen Querdenker und Visionäre. Vielerorts prägen allerdings immer noch Gehorsam und Patriarchentum das Betriebsklima", berichtet Martin Beims, geschäftsführender Gesellschafter der Aschaffenburger Unternehmensberatung Aretas. Noch zu oft erwarten Führungskräfte ihm zufolge vom idealen Mitarbeiter ein eher angepasstes Verhalten. Hierbei bilden Verlässlichkeit, Produktivität und Loyalität die beliebtesten Eigenschaften. Unerwünscht seien dagegen Selbstbewusstsein, Unbelehrbarkeit und Abweichung von Firmentrends. "So fördern Verantwortliche eine Ja-Sager-Kultur, in der Fehlentwicklungen lieber verschwiegen als korrigiert werden. Man denke nur etwa an den neuen Berliner Flughafen und die Auswirkungen", unterstreicht Beims. Belohne die Führungsebene solches Verhalten mit Beförderungen, betoniere sie dieses Problem für Jahre. Feedbackkultur ermöglicht Agilität Vielfach liege das schmeichlerische Verhalten der Angestellten in einer mangelnden Feedbackkultur begründet. Die Kompetenzen dafür müssen Führungskräfte in der Regel erst lernen oder ausbauen, wenn sie eine neue Führungsposition übernehmen. "Auch das Abgeben von Rollen und Verantwortung an ihre Mitarbeiter wird von ihnen in Unternehmen, die agiler sein möchten, zunehmend erwartet; ebenso eine stärkenorientierte Verteilung der Aufgaben über Hierarchiegrenzen und Stellenbeschreibungen hinweg", berichtet Diplom-Pädagogin Gudula Brammer. Damit Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten können, sollte darüber hinaus das Thema Diversität in einem modernen Unternehmen mehr als ein Lippenbekenntnis sein. Mit Workshops zu Karriereplanung und -Coaching, Mentoring-Programmen und Frauen-Netzwerken will beispielsweise die Deutsche Post DHL Group (DPDHL) den Frauenanteil in Führungspositionen steigern. "Wir beziehen uns aber nicht nur auf die gleichen Chancen für Frauen und Männer. Verschiedene Nationen, Religionen, Generationen, Menschen mit und ohne Behinderung, Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und Identität - all das macht Vielfalt aus", betont Susanna Nezmeskal, Leiterin der Abteilung Diversity & Values. Konzernweit sind bei DPDHL aktuell 21,5 Prozent der Positionen im oberen und mittleren Management mit Frauen besetzt. Zum Vergleich: Weltweit liegt der Männeranteil in der Logistikbranche bei mehr als 79 Prozent. Beim Münchener Start-up Loadfox, das sich als Mitfahrzentrale für Fracht bezeichnet, besteht immerhin die Hälfte der Belegschaft aus Frauen. "Wir sind der Auffassung, gemischte Teams treffen bessere Entscheidungen", sagt Geschäftsführer Sebastian Sorger. Auch beim Gehalt macht sich dieser Trend zunehmend bemerkbar: Die bereinigte Lohnlücke zwischen Mann und Frau wird immer kleiner. Während sie im letzten Jahr noch bei 5,2 Prozent lag, sank sie in diesem auf 4,5 Prozent, geht aus einer Untersuchung der Hamburger Vergütungsberatung Compensation Partner unter knapp 220.000 Fachkräften hervor. Nicht unerheblich ist die Lücke trotzdem noch - auch hier sollten Unternehmer bei Beförderungen aufpassen. Denn das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), das seit dem 6. Juli 2017 in Kraft ist, soll die Schere langfristig schließen. Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten müssen demnach auf Anfrage darlegen, nach welchen Kriterien sie bezahlen. Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten sind laut der Regelung aufgefordert, regelmäßig die Einhaltung der Entgeltgleichheit zu überprüfen. Viel Wandel also, der sicher auch vor der Transport- und Logistikbranche nicht haltmachen wird. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Personalwesen www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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