Seit gut einem Jahr beschäftigen Sie sich für die FDP mit den Bereichen Güterverkehr und Logistik. Wie bewerten Sie die Arbeit der Bundesregierung bisher?
Ich habe den Eindruck, dass Union und SPD sich durchaus die richtigen Gedanken machen, was in diesem Sektor in Deutschland noch besser werden muss. Nur bei der Umsetzung braucht die große Koalition zu lange. Aus meiner Sicht verwaltet Bundeskanzlerin Angela Merkel mehr als sie gestaltet. Ein Beispiel ist der Kombinierte Verkehr zwischen Straße und Schiene, der sein Potenzial nicht ausschöpft, weil die Infrastruktur unzureichend ist. Unternehmen fehlt es an Gleisanschlüssen und es gibt zu wenige Umschlaganlagen. Und das 740-Meter-Netz muss ausgebaut werden.
Nach und nach kommen die Vorhaben aus dem Masterplan Schienengüterverkehr voran. Die Planung wichtiger Güterverkehrsprojekte sollte auch in anderen Güterverkehrsbereichen schneller ablaufen. Ein anderes Beispiel sind die seit Jahren personell unterbesetzten Kontrollbehörden, die die Regierung nicht mit ausreichend Geld ausstattet, um mehr Fachleute einzustellen.
Zuletzt haben sie immer häufiger auf Missstände hingewiesen. Liegt das daran, dass Sie sich zunehmend besser mit dem Transportsektor auskennen oder daran, dass vieles nicht nach FDP-Vorstellungen läuft?
Ich befasse mich seit der Bundestagswahl 2017 mit den Themen Güterverkehr und Logistik. Vorher hatte ich damit nur auf regionaler Ebene in meinem baden-württembergischen Wahlkreis zu tun. Mein Vorteil ist, dass ich noch nicht unter einer gewissen „Betriebsblindheit“ leide. Ich habe bemerkt, dass manche Missstände im Transportsektor zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Etwa die häufig unzureichend gesicherte Ladung von Lkw. Damit beschäftigt sich die Regierung zu wenig, obwohl es dadurch täglich schwere Unfälle gibt. Auch Sozialdumping und Manipulationen im Straßengüterverkehr beschäftigen mich.
Wollen Sie, dass die Regierung strenger gegen Unternehmen im Straßengüterverkehr vorgeht, die sich nicht an Gesetze und Vorschriften halten?
Bei den Lkw-Fahrern sehe ich eine Verelendung. Mich stört vor allem, dass die großen Probleme im Straßengüterverkehr nicht richtig gelöst werden und stattdessen lieber öffentlichkeitswirksame PR-Veranstaltungen – etwa zum Abbiegeassistenten – gemacht werden. Ich will die Zahl der Unfallopfer durch Lkw-Abbiegeunfälle nicht kleinreden. Aber es gibt darüber hinaus weitere Bereiche, denen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer mehr Aufmerksamkeit widmen sollte.
Sie meinen die BMVI-Aktion Abbiegeassistent, die Unternehmer dazu bewegen soll, ihre Lkw freiwillig mit der Sicherheitstechnik auszurüsten?
Ich mag es nicht, wenn Politiker große Fototermine veranstalten und danach wenig passiert. Scheuer muss für das neue Förderprogramm zu Lkw-Abbiegeassistenten mindestens 20 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stellen, wenn er es ernst meint mit der Verkehrssicherheit. Stattdessen war es vier Tage nach dem Antragsstart bereits überzeichnet. Und ich vermisse bei Abbiegeunfällen den ganzheitlichen Ansatz: Ich rate jedem Fahrradfahrer, Helm zu tragen und setze mich für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung ein, damit Radfahrer sich an Ampeln nicht mehr neben Lkw drängen. Ich schlage auch vor, mehr in die Verkehrserziehung zu investieren. Man könnte etwa die frühere TV-Serie „Der 7. Sinn“ als ein Internetformat in den Sozialen Medien reaktivieren
Welche Erfolge konnte die FDP in der Opposition verkehrspolitisch verbuchen?
Ich stelle fest, dass über bestimmte Themen aus den Bereichen Güterverkehr und Logistik mehr gesprochen wird, weil meine Partei und ich Druck machen. Zum Beispiel nach der Bahnhavarie bei Rastatt von 2017. Ich habe zudem einen Lösungsvorschlag für das Alkohol-Problem bei Fahrern gemacht, die Wochenenden im Lkw verbringen: die Alkolock-Pflicht für auffällige Fahrer. (ag)
Stefan Christodt