VerkehrsRundschau: Nach Jahren zweistelligen Wachstums wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in China nur noch um 6,9 Prozent. Dazu kommt, dass Chinas Export aufgrund des schwachen Euros schwächelt. Wie steht es um die chinesische Wirtschaft wirklich?
Stefan Schröder: In meiner Funktion spreche ich viel mit Logistikdienstleistern. Aus deren Sicht geht es der chinesischen Logistikwirtschaft gut. Es ist nicht so, dass es durch die Euro-Abwertung und die Börsenturbulenzen der vergangenen Monate wirklich Probleme gibt. Der lokale Markt in China ist so groß und wächst so stark, dass dies die Triebfeder für die wirtschaftliche Prosperität Chinas ist. Zudem ist der Yuan stark. Mit der Folge, dass in China nicht mehr die Exporte das Wachstum treiben, sondern der Import. Für chinesische Logistikdienstleister ist das gut, weil sie ihre Verkehre noch paariger gestalten können. Zudem sind sie in den letzten Jahren stark gewachsen und verfügen über viel Eigenkapital.
Die Finanzkraft ist also da. Wie werden die chinesischen Logistikunternehmen diese nutzen?
Da steht zweierlei an: Zum einen wissen die chinesischen KEP- und Logistikdienstleister, dass sie effizienter werden und ihre Kosten reduzieren müssen. Das Thema Automatisierung der Prozesse steht in der Logistik ganz oben auf der Agenda. Darüber hinaus investiert die Logistik stark in neue Standorte in neuen Märkten – auch und gerade in Europa. Treiber ist hier ganz klar der gigantische E-Commerce-Markt im B2C in China, der massiv wächst, weil immer mehr chinesische Endkunden online in Europa einkaufen.
Wie wichtig sind deshalb für chinesische KEP- und Logistikdienstleister Partner aus der deutschen KEP- und Logistikbranche?
Sehr wichtig! Wobei ich noch eines ergänzen will: Chinesische KEP- und Logistikdienstleister sind in der Regel Gemischtkonzerne. Sie erbringen also nicht nur Transport- und Logistikservices. Sie sind auch als Händler und Finanzdienstleister/Investoren tätig und bauen E-Commerce-Plattformen auf.
Sind diese chinesischen Anbieter eher auf der Suche nach Allianz-Partnern oder sind sie auf gezielter Einkaufstour in Europa?
In Europa streben die chinesischen KEP-Unternehmen zunächst eher Allianzen an. Vorrang hat für die meisten chinesischen KEP- und Logistikdienstleister zunächst einmal der Ausbau ihrer Logistiknetze in China und hier prioritär die räumliche Erschließung von Westchina. Deshalb streben viele Chinesen zunächst Partnerschaften in Europa an und erst im zweiten Schritt ein Invest. Wobei sich nichts an der grundsätzlichen Strategie der Chinesen geändert hat: Erst kooperieren sie, dann schließen sie ein Joint Venture und schließlich übernehmen sie ein Unternehmen ganz. Andererseits birgt eine Allianz auch für deutsche Mittelständler eine Chance: Immerhin erhalten sie so Zugang zum attraktiven chinesischen Markt.
Wie sollte ein deutscher KEP- und Logistikdienstleister aufgestellt sein, um für chinesische Anbieter als Partner attraktiv zu sein?
Für die Chinesen ist die Markterschließung relevant. Entscheidend für sie ist daher, wie gut ein Dienstleister an ein KEP- oder Sammelgut-Netz angebunden ist oder ob er gar über ein eigenes Netz verfügt. Ihr Ziel ist es, aus China im Nachtsprung Europa zu erreichen. Zudem suchen sie Partner, etwa aus dem 4PL-Bereich, mit denen sie gemeinsam Kontraktlogistikaufgaben abwickeln können.
Sind die Chinesen auch an der Zusammenarbeit mit Mittelständlern interessiert?
Gerade spezialisierte und kundenorientierte Mittelständler haben gute Karten! Vor allem, wenn sie über Mengen verfügen, die den chinesischen KEP- und Logistikdiensten helfen, ihre Import- und Exportverkehre paariger und damit effizienter zu gestalten. Gleichzeitig will man damit die „Seidenstraßen“-Projekte im Bereich der Bahn- sowie der See- und Luftfracht anschieben. Besonders attraktiv sind Logistikdienstleister im Food- und Aftersalesbereich und der Projektlogistik.
Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa