"In drei Jahren scheide ich aus"

Zum 1. August sind Sie Geschäftsführer in dem Unternehmen Ihres Vaters und werden in einigen Jahren Kube & Kubenz übernehmen. Wie fühlen Sie sich? Konstantin Kubenz: Die Vorfreude ist riesig. Klar, ist das auch eine sehr große Herausforderung. Immerhin geht damit eine unfassbare Verantwortung einher. Je mehr ich ins Tagesgeschäft eingebunden bin, desto stärker wird mir diese bewusst. Vorher habe ich Firmen beraten. Bald führe ich selbst ein Unternehmen, das 320 Mitarbeiter beschäftigt. Dahinter stehen über 300 Familien, die am Monatsende ihr Gehalt erwarten. Michael Kubenz: Vergiss nicht meine Rente. Auch die musst Du dann schultern (lacht)! War es immer schon Ihr Traum, ins Unternehmen Ihres Vaters einzusteigen, oder war der Wunsch Ihres Vaters eher die treibende Kraft? Konstantin Kubenz: Kennen Sie den Film Inception? Mir ging es ähnlich: mit fünf, sechs Jahren spielte ich mit den ersten Modell-Lkw, die mir mein Vater von der IAA Nutzfahrzeuge mitgebracht hat. Und mit meinem ersten Computerspiel Transport Tycoon musste ich eine Spedition aufbauen, und natürlich war ich immer auch im Unternehmen meines Vaters. Nach meinem Abitur, da war ich 18 Jahre alt, setzte sich mein Vater dann mit mir zusammen und wollte wissen, ob ich mir vorstellen könnte, einmal seine Firma zu übernehmen. Sie haben noch einen zweiten Sohn. Woher wussten Sie, dass Konstantin der Richtige ist, der Ihr Unternehmen fortführen soll? Michael Kubenz: Das hing ja nicht von mir ab. Ich wollte nie meine Söhne dazu zwingen, das Unternehmen zu übernehmen, das mein Vater im Jahr 1930 mit Harry Kube gegründet hat. Während Konstantin aber mit 18 Jahren wusste, dass er in die Firma will, war dies für meinen zweiten Sohn nicht klar. Er hatte damals keine klare berufliche Vorstellung, er wusste auch nicht, ob ihm betriebswirtschaftliche Themen überhaupt Freude machen. Ihm ist aber nichts verbaut. Wann immer er will, kann er im Unternehmen einsteigen. Wie schwer war es für Sie, dass Ihr zweiter Sohn nicht mitzog? Michael Kubenz: So eine Entscheidung muss man respektieren. Viele Eltern meinen, ihre Kinder immer gleich behandeln zu müssen. So etwas gelingt in der Praxis aber nur selten. Denn was der eine als gleich beziehungsweise gerecht empfindet, muss der andere nicht auch als gleich empfinden. Insofern wird man dem Anspruch, alles immer gleich und gerecht innerhalb der Familie zu verteilen, sowieso niemals gerecht. Trotzdem muss man zu einem gewissen Zeitpunkt eine Entscheidung treffen, wie es weitergeht. Und Konstantin wollte und will es machen, also macht er es. Und letztlich entscheidet er, ob er seinen Bruder dann in das Unternehmen aufnehmen will. Allerdings haben wir es so geregelt, dass Konstantin dann 74,5 Prozent der Anteile hält, während sein Bruder die 25,5 Prozent Anteile übertragen bekommt, die ich heute halte. Er wäre also Juniorpartner, was aber aus meiner Sicht gerecht ist, weil er nicht von Anfang an dabei war. Tut man sich als Vater eigentlich leicht die Potenziale seiner Kinder einzuschätzen, ob diese als Unternehmer taugen? Michael Kubenz: Ich weiß nicht, ob man als Vater die Fähigkeiten seiner Kinder wirklich einschätzen kann. Als Vater ist man emotional sehr befangen. Deshalb sollte man eine solche Entscheidung immer an einen Dritten delegieren. Auch wir haben uns sehr intensiv beraten lassen. Uns wurde die Entscheidung aber leicht gemacht. Denn Konstantin signalisierte schon mit 18 Jahren, dass er sich die Nachfolge vorstellen konnte. Und für mich passte das. Das war vor elf Jahren. Da waren Sie 49 Jahre und Ihr Sohn 18 Jahre alt. Erstaunlich frühzeitig. Inwieweit spielt da Ihre eigene Familiengeschichte rein? Michael Kubenz: Sehr viel. Mein Vater Walter Kubenz verstarb 1968, also viel früher als erwartet. Er war damals 60 Jahre alt und ich 11 Jahre: Meine Mutter hat unser Unternehmen dann von 1968 bis 1979 weitergeführt, starb aber selbst sehr früh mit 67 Jahren. Da war ich 22 Jahre. Das war natürlich alles nicht geplant. Entsprechend unorganisiert lief bei uns die Nachfolge ab. Ich hatte immer nur einen Gedanken im Hinterkopf: Du musst das Unternehmen jetzt übernehmen. Ich frage mich nur, kann man es der nachrückenden Generation wirklich zumuten, etwas tun zu müssen? Ich denke, eher nein. Besser ist es, wenn ein eigener Wille dahintersteht und sich ein Mensch mit dem identifiziert, was er tut. Dann ist man auch gut darin. Das gilt gerade in unserer Branche, die für einen Unternehmer im Grunde einen 24-Stunden-Job bedeutet. Alles das hat mich in meinem Beschluss bestärkt, meine eigene Nachfolge besser zu planen. Wie haben Sie sich auf Ihre neue Rolle fachlich und persönlich vorbereitet? Konstantin Kubenz: Mich hat vor allem ein Satz meines Vaters geprägt. Als ich 18 Jahre alt war, sagte er zu mir: "Dieses Unternehmen wird dir nicht geschenkt, sondern du musst es dir erarbeiten und dich dafür qualifizieren." Und auf dieser Basis haben wir die Roadmap ausgearbeitet, wie ich mich auf meine Aufgabe vorbereiten sollte. Das begann klassisch mit neun Monaten Wehrdienst und einem dualen BWL-Studium mit Bachelor-Abschluss. Ganz wichtig war für mich die Zeit bei Kühne + Nagel in England, das Unternehmen ist nun einmal der Benchmark in unserer Branche, sowie mein Master-Abschluss in Logistik & Supply Chain Management in England. Zudem war ich einige Jahre Unternehmensberater. Michael Kubenz: Eigentlich solltest du das noch länger machen, um viele Firmen kennenzulernen. Das war zumindest der Plan. Mein bisheriger Geschäftsführer, mit dem ich lange Jahre eng zusammengearbeitet hatte, erkrankte aber so schwer, dass ich Konstantin schon vor einem Jahr zu uns holte. Zunächst als Prokurist und zum 1. August 2018 ist er Geschäftsführer. Das war zwar nicht von Anfang so geplant. Es zeigt sich aber, dass der Weg so richtig ist. Was war auf diesem Weg für Sie die größte Herausforderung? Michael Kubenz: Krankheit und Tod - das sind alles Themen, die emotional sehr belastend sind. Ich gestehe: Bis ich meine Patientenverfügung ausgefüllt hatte, habe ich eine Flasche Rotwein ausgetrunken (lacht). Trotzdem sollte sich aus meiner Sicht jeder Unternehmer frühzeitig mit solchen Themen auseinandersetzen und sich hier extern beraten lassen. Da ist man in der Pflicht - man hat ja seinen Mitarbeitern und Kunden gegenüber Verantwortung. Welche rechtlichen und steuerrechtlichen Fragen waren für Sie ein absolutes Muss, um eine saubere Betriebsübergabe hinzubekommen? Michael Kubenz: Testament, Gesellschaftervertrag und Vollmachten - da kam einiges zusammen. Wir haben einen richtigen Masterplan erarbeitet und uns von externen Beratern unterstützen lassen. Eines der ersten Dinge war die Schaffung eines sogenannten Notfallkonzeptes. Eigentlich sollte das jeder Unternehmer in der Schublade haben. Denn jedem kann etwas zustoßen, was ihn entscheidungsunfähig macht. Eben für diesen Fall gibt es ein Notfallkonzept, in dem genau geregelt wird, wie dann verfahren wird. Wir haben uns für die Beirats-Variante entschieden, also einen Beirat bestellt, der im Notfall die Eigentümerfunktion übernehmen könnte. Sollte ich ausfallen, könnte/müsste sich Konstantin mit unserem Beirat austauschen. Weiteres wichtiges Thema bei der Übergabe, neben vielen anderen Fragen, ist natürlich die Erbschaftssteuer. Die muss ja der Erbe schultern. Und das kann für ihn teuer werden. Um das zu vermeiden, habe ich Konstantin schon vor drei Jahren 74,5 Prozent meiner Unternehmensanteile durch Schenkung übertragen - bewusst vor der Erbschaftssteuerreform. Zudem haben wir uns im Zuge der Nachfolge-Regelung für eine neue Rechtsform entschieden, was recht komplex war, weil wir Niederlassungen im Ausland haben. Haben Sie auch einen externen Berater hinzugezogen, mit dem Sie Ihre gemeinsame Unternehmensstrategie erarbeitet haben? Michael Kubenz: Das machen wir schon selbst (lacht). Und wohin soll mal Kube & Kubenz? Konstantin Kubenz: Unsere Firma geht aktuell in die dritte Generation und soll in 30, 40 Jahren in die vierte Generation gehen. Fest steht auch, wir werden Kube & Kubenz nicht als reinen Sofaspediteur positionieren. Es gibt nun einmal die latente Gefahr, als Spediteur von einem digitalen Player überrollt zu werden. Deren Geschäftsmodell ist aber meist non-Asset-based. Und solange das Beamen nicht erfunden ist, muss einer Güter von A nach B fahren. Wir verfügen aktuell über 250 eigene Tanklastzüge und über 1000 eigene Container im Kombinierten Verkehr. Unsere Stärke sind die eigenen Assets. Sie sind für uns die Möglichkeit, um als Mittelständler im Markt zu bleiben. Michael Kubenz: Und natürlich müssen wir wachsen! Kube & Kubenz macht im Moment rund 50 Millionen Euro Umsatz. Im Vergleich zu unseren Wettbewerbern sind wir in unserem Segment ein eher kleiner Mittelständler. In den kommenden zehn Jahren wollen wir, das ist die Strategie, ganz klar in die Umsatzliga von 200 Millionen Euro vorstoßen. Wir kaufen deshalb auch zu. Im Fokus stehen für uns insbesondere kleinere Chemielogistik-Betriebe mit fünf bis zehn Millionen Euro Umsatz im In- und Ausland, die beispielsweise ihre Nachfolge nicht gelöst haben und nicht an Finanzinvestoren verkaufen wollen. Denkbar wäre aber auch die gezielte Kooperation mit anderen Firmen, damit wir künftig bestimmte Länder abdecken zu können, etwa Spanien. Für welche Aufgaben sind Sie verantwortlich und für welche Aufgaben Ihr Vater? Konstantin Kubenz: In den ersten sechs Monaten haben wir alles gemeinsam erledigt. Das war recht arbeitsintensiv, aber ein für mich notwendiger Lernprozess, damit ich alle handelnden Personen sowie Prozesse und Abläufe kennenlernen konnte. Um den Jahreswechsel 2017/18 haben wir die Aufgaben ganz pragmatisch aufgeteilt: Alles, was nach außen geht, vertrete ich. Alles, was nach innen geht, ist Aufgabe meines Vaters. Mein Vater macht also Innendienst und verantwortet das Personal und Rechnungswesen, während ich den Vertrieb, die Operative, das Qualitätsmanagement und die Lkw-Fahrer-Koordination verantworte. Michael Kubenz: Meinen Senator-Status bei Lufthansa habe ich also schon abgegeben, weil ich die Meilen nicht mehr zusammenbekomme (lacht). Wie wichtig sind solche klaren Absprachen zwischen Seniorchef und dem Nachfolger? Konstantin Kubenz: Wenn es im Büro des Vaters nicht funktioniert, probiert man es im Büro des Sohns - in der Hoffnung, dass sich beide nicht abgestimmt haben (lacht). In diese Situation wollten wir beide nicht geraten. Wir wollten nicht, dass einer von uns beiden über den Kopf des andern hinwegentscheidet. Deshalb haben wir festgelegt, wo mein Vater das letzte Wort hat und umgekehrt. Deshalb entschieden wir uns auch für die klare Aufgabenteilung - natürlich mit gegenseitiger Information. Mindestens zwei Tage in der Woche versuchen wir daher gleichzeitig im Büro zu sein. Wie ist es eigentlich, den eigenen Vater als Chef neben sich zu haben? In welchen Fällen hilft das, in welchen Fällen bremst das? Konstantin Kubenz: Spannende Frage. Ich versuche das professionell zu lösen. Geschäft ist nun einmal Geschäft. Deshalb lasse ich Emotionen möglichst aus dem Spiel. Sonst macht man Fehler. Was unterscheidet Ihren Führungsstil? Konstantin Kubenz: Du hast unser Unternehmen stets sehr straff und recht hierarchisch geführt. Ich bin eher Verfechter des partizipativen Führungsstils. Ich denke, dass dieser Ansatz in der heutigen Zeit zielführender und erfolgversprechender ist. Mitarbeiter müssen zusammenarbeiten, sich gegenseitig unterstützen, aber auch ein gutes Stück Gesamtverantwortung dafür übernehmen, was im Unternehmen passiert. Ich habe daher einen neuen Leitungskreis mit Führungskräften aus den unterschiedlichen Betriebsbereichen gegründet, der sich alle zwei Wochen in einer Telefonkonferenz abstimmt, wo wir - Stichwort Knowledge Sharing - alle Entscheidungen gemeinsam treffen. Zugegeben, das ist ein neuer Stil, der anfangs nicht jedem geschmeckt hat. Michael Kubenz: Stimmt. Unsere Mitarbeiter waren das ja nicht von mir gewohnt. Früher gab ich die Anweisung, und sie haben diese ausgeführt. Jetzt arbeiten sie in Projektteams und müssen eigenverantwortlich entscheiden. Mittlerweile hat sich das aber toll etabliert. Das Ganze war aber ein gutes Stück Lernerfahrung für Konstantin. Da hast du gelernt, denke ich, dass man eine Organisation nicht auf Knopfdruck verändern kann. Denn jeder reagiert auf Neuerungen anders. Die einen sind offen dafür, andere sind damit überfordert, andere vielleicht auch verunsichert. Werden Sie loslassen? Michael Kubenz: Das Ganze ist ja ein Prozess. Wie ich sagte, kümmert sich Konstantin verstärkt um unsere Kunden. Anfangs war ich dabei. Inzwischen macht er das selbst, die Kunden schätzen ihn. Das macht es mir leicht. Denn es ist eine Sache, ob ich ihn für solche Aufgaben befähigt halte und er sich dazu in der Lage sieht. Entscheidend ist, dass ihn unsere Mitarbeiter und Kunden in dieser Rolle schätzen. Das ist so, und das macht mir das Loslassen leicht. In drei Jahren, so der Plan, scheide ich als geschäftsführender Gesellschafter aus. Mehr zum Thema im Dossier "Unternehmensführung" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten & Fakten Kube & KubenzMichael Kubenz ist seit 1979 geschäftsführender Gesellschafter des Speditionsunternehmens Kube & Kubenz in Hamburg, das sein Vater Walter Kubenz 1930 mit Harry Kube gegründet hat. Kubenz ist ehrenamtlich stark engagiert, unter anderem war er Präsident beziehungsweise Vizepräsident im Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Zum 1. August 2018 wird sein Sohn Konstantin Kubenz in dritter Generation Geschäftsführer des Unternehmens. Kube & Kubenz hat sich auf den Transport von flüssigen Gefahrgütern und Chemikalien spezialisiert. Die Spedition beschäftigt derzeit nach eigenen Angaben insgesamt über 300 Mitarbeiter in Worms, Bergheim, Antwerpen/Belgien, Dordrecht/Holland, Lainate/Italien sowie in Lyon/Frankreich und erwirtschaftet rund 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. eh Die Serie So gelingt die Firmenübergabe- Teil 1: Warum Logistikdienstleister die Weichen für die Übergabe frühzeitig stellen müssen- Teil 2: Die vorbildliche Übergabe von Michael Kubenz, Kube & Kubenz, an seinen Sohn Konstantin- Teil 3: Welche Fördermittel es gibt, um die Nachfolge sauber zu lösen- Teil 4: Familienstiftung, Verkauf oder Schließung - welche Option sich mangels Nachfolger am besten eignet

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