Lissabon. Die Luftfahrtindustrie und die IATA sollen eine weitere Abwanderung von Kunden aus der Pharmabranche hin zum Seetransport aufgrund dessen höherer Verlässlichkeit verhindern, sagen Spediteure und Versender laut dem Londoner Loadstar. Ein Bericht der amerikanischen Beraterfirma Seabury consultants besagt, dass der Anteil des globalen pharmazeutischen Luftfrachttransports von 17 Prozent im Jahr 2000 auf elf Prozent heute gefallen ist, da Seefracht verlässlicher ist. „Seefracht ist einfach sicherer. Man versiegelt den Kühlcontainer und es kann losgehen. Es ist eine sehr sichere Dienstleistung“, sagte der Vizepräsident für globale Luftfrachtlogistik Marcel Fujike des Schweizer Logistikers Kuehne + Nagel auf der Air Cargo Handling-Konferenz in Lissabon. „Im Luftfrachtbereich existiert durchweg ein Mangel an Fähigkeiten, Training und Standards in der Kühlkettenlogistik. Zudem gibt es keine Standard-Arbeitsanweisungen oder Arbeitsanleitungen“, fügte er an. Ein anderes Problem besteht laut Fujike in der fehlenden Kooperation und Kommunikation in der gesamten Logistikkette inklusive der Versender.
Verwundbare Punkte in der Lufttransportkette bestehen beim Handling, der Verladung und auf dem Flugfeld - der gefahrenreichste Phase - sowie bei der Zollfreigabe. „Wir brauchen einen Wandel, wenn wir künftig eine Rolle im Pharmahandling spielen wollen“, sagte er. Gemäß Fujike tätigen renommierte Pharmaunternehmen nur Geschäfte mit Partner, die sie zuvor sorgsam geprüft und bewertet haben. Er forderte Fluglinien, Frachthandler und Flughäfen dazu auf, in Infrastruktur und Ausrüstung wie zum Beispiel die Lagerhaltung, Kühlfahrzeuge für das Flugfeld und Kühldecken zu investieren.
Einheitliche Standards statt Insellösungen
Viele Spediteure, Fluglinien und Flughäfen behaupten, Dienstleistungen für Pharmaprodukte bereitzustellen, „aber wenn man sich das genauer ansieht, gibt es einige, die investiert haben und andere, die nur auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind“, sagte er. Der britische Verband für Kühlketten (Cool Chain Association, CCA) forderte nun Standards für die Kühlkettenlogistik vergleichbar der Good Distribution Practice (GDP) im pharmazeutischen Bereich. „Die International Air Transport Association (IATA) muss die Entwicklung des GDP-Standards im Luftfrachtbereich anführen. Ich verstehe nicht, warum es bisher nicht passiert ist. Meine Frage an die IATA und die Fluglinien ist: Sind Sie wirklich bereit?“ Fujike fügte an: „Große Pharmalogistik-Dienstleister wie Kuehne + Nagel und DHL tätigen bereits ihre eigenen Investitionen. Dies führt zu verschiedenen Standards und Systemen. Die Bodenabfertiger sind dann gezwungen, verschiedene Systeme und Prozeduren einzuführen, was zu einem Chaos führt. Und die IATA schläft!“ Der Leiter der Frachtsparte der IATA, Des Vertannes, erwiderte, dass der Luftfrachtbereich nach fünf Jahren der wirtschaftlichen Stagnation keine Investitionen erhält. „Die Fluglinien sehen keine Prioritätsbehandlung für dringliche Fracht vor. Es gibt keine breite Akzeptanz der erforderlichen Maßnahmen. Doch wenn wir Beweise für die modale Verlagerung haben und die Versender dem Seefrachttransport mehr vertrauen, als dem teuren Luftfrachttransport, dann müssen wir alle handeln.“ Er fügte an, dass die Cargo Operations Advisory Group (COAG) der IATA ein Programm für die Klassifizierung von Einrichtungen empfiehlt, das einige der von Fujike genannten Punkte behandelt. (rup)