Hamburg sticht Bremerhaven aus

Ab Mitte Januar 2019 will Hapag-Lloyd vier der fünf Nordatlantikdienste, die bislang ab Bremerhaven verkehren, in Hamburg starten. Inwieweit Speditionskunden von dieser Maßnahme profitieren, hängt nicht zuletzt von deren Unternehmensstandort ab. "Für Auftraggeber mit Schienenverkehren ab Bayern und Ostdeutschland eröffnet das Vorteile", sagt Michael Bleschke, Seefrachtleiter von Ipsen Logistics Deutschland. "Sie profitieren von kürzeren Wegen und sparen Kosten." Rund 70 Prozent der Tonnage transportiert der Logistikdienstleister auf der Schiene. Auch viele Verlader an Rhein und Ruhr nutzen diesen Verkehrsträger. "Als Folge der längeren Anfahrtswege werden sie alternative Routen nach Antwerpen oder Rotterdam prüfen", ist der Marktkenner überzeugt. Weil alle vier Linienverkehre von Hapag-Lloyd in einem der beiden Häfen Zwischenstation machen, müssen solche Kunden nicht einmal auf andere Dienste ausweichen. Das passt zur Strategie vieler Reedereien und ihrer Allianzpartner, möglichst zahlreiche Linienverkehre auf einzelne Hafenstandorte zu konzentrieren. Von solchen kostensparenden Maßnahmen profitieren auch die Speditionen, wenn sie Hinterlandverkehre verkürzen oder bündeln können. Häufig nutzen sie am neuen Hafenstandort Terminals, an denen die Reedereien selbst Anteile halten. Solche Beteiligungen waren ein zusätzlicher Grund für die Standortverlagerungen der vergangenen Jahre, vor allem in den Westhäfen. So bündelte Maersk nach der Eröffnung von Maasvlakte II im Jahr 2013 mehrere Dienste in den konzerneigenen APM-Anlagen in Rotterdam. Die MSC-Gruppe zieht seit 2016 ihren Containerumschlag am linken Scheldeufer in Antwerpen zusammen. Auch die Großreederei Cosco und ihr Allianzpartner CMA CGM ("Ocean Alliance") halten seit Kurzem Terminalbeteiligungen in Zeebrügge und wollen hier Containerverkehre konzentrieren. Hapag-Lloyd hat sich mit ihren "The Alliance"-Partnern Ocean Network Express und Yang Min abgestimmt, um das Containerterminal Altenwerder (CTA), an dem sie 25,1 Prozent Anteile hält, besser auszulasten. Den Preis dafür zahlt das Eurogate-Terminal in Bremerhaven, das ein Jahresvolumen von rund 500.000 TEU verliert. Für den Bremer Terminalbetreiber kommt der Schritt der Hamburger Reederei nicht völlig überraschend. "Wir verfolgen die Entwicklung der Schiffsgrößen im internationalen Containerverkehr und deren Auswirkungen auf die europäischen Häfen sehr genau", sagt Michael Blach, Vorstandsvorsitzender von Eurogate. "Das Beispiel CTA zeigt, dass manche Anlagen von größten Containerschiffklassen nur noch eingeschränkt angefahren werden können." CTA: Hochburg kleinerer Schiffsklassen Blach spielt auf die Köhlbrandbrücke an, die den Hamburger Hafen auf 3618 Metern überquert. Weil sie trotz 53 Meter Höhe über mittlerem Tidehochwasser von Ultra Large Container Ships (ULCS), die bis zu 22.000 TEU transportieren können, bei voller Ladung offenbar nicht in jedem Fall unterfahren werden kann, baut Hapag-Lloyd den CTA zur Hochburg von kleineren Klassen aus. Auf den Atlantikrouten werden nämlich häufig höchstens 6000 TEU transportiert. Ohnehin starten von Hamburg aus fast alle Hapag-Lloyd-Linienverkehre nach Afrika, Asien und Südamerika. In Bremerhaven hingegen hat die Reederei bislang fast ausschließlich Nordamerika-Verkehre abgewickelt. Jetzt versprechen die Hamburger ihren Kunden vielfältige Synergieeffekte. "Mit der Verlegung können wir diese Ladungen noch flexibler transportieren und zwischen unterschiedlichen Zielgebieten einfacher kombinieren", versichert Hapag-Lloyd-Sprecher Christian Denso. "Außerdem wird Hamburg zum zentralen Hub für Skandinavien und das Baltikum", hofft er auf neue Zubringerverkehre in die Ostsee. Dank der hervorragenden Hinterlandverbindungen nach Süddeutschland, Österreich, Tschechien und in andere Länder können operationelle Abläufe noch effizienter gestaltet werden. "Aber auch für Ladungen von und nach Bremen müssen Speditionen und Verlader künftig nur mit einem leicht höheren Zeitaufwand kalkulieren", versichert Denso. Solche Überlegungen werden auch von der Bremer Logistikwirtschaft nicht in Abrede gestellt. "Für viele Spediteure macht es keinen großen Unterschied, ob sie Ladungen nach Bremerhaven oder nach Hamburg transportieren", erklärt Robert Völkl, Geschäftsführer des Vereins Bremer Spediteure. Die meisten Dienstleister fahren ohnehin beide Häfen an. Für Truckdienstleister steckt der Teufel jedoch im Detail. "Wir können Feederverkehre wegen der ungleichen Volumina, die in den Häfen entladen werden, immer schwieriger organisieren", stellt Reinhold Döhle, Geschäftsführer von EKB Containerlogistik, fest. "Im schlimmsten Fall steigen die Leerchassisfahrten weiter." Heute bereits berechnen manche Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) für Bremerhaven-Verkehre Aufschläge, weil sie die Kosten für die Leercontainerlogistik weitergeben wollen. Auch deshalb werden viele Hapag-Lloyd-Kunden mit der Verlegung hochzufrieden sein. In der Hamburger Logistikwirtschaft überwiegt naturgemäß die Genugtuung. "Wir haben 2019 endlich wieder eine Chance auf veritable Umsatzzuwächse", sagt Ingo Zemelka, Geschäftsführer von TCO Transcargo. Für den Containerdienstleister kehren lediglich Verkehre zurück, die ohnehin nach Hamburg gehören. Auf einen solchen Effekt hofft jetzt auch Bremerhaven. Mitarbeiter sollen Standorte wechseln Ausdrücklich tritt Eurogate Spekulationen entgegen, dass Mitarbeiter des örtlichen Terminals jetzt Kurzarbeit oder gar Entlassungen befürchten müssen. Gegebenenfalls müssten diese an anderen Standorten beschäftigt werden. "Wir haben 2018 Neugeschäft gehabt", macht ein Sprecher Mut. Allerdings fand dieses in Hamburg und im JadeWeserPort (JWP) statt. In Bremerhaven ist der Containerumschlag seit 2012 (6,1 Millionen TEU) fast jedes Jahr zurückgegangen und betrug 2017 nur noch 5,4 Millionen TEU. "Mit leistungsfähigen Terminals und Hinterlandverbindungen ist der Hafen jedoch weiterhin gut aufgestellt", glaubt Ullrich Hautau, Verkehrsexperte der Handelskammer. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Seefracht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Jadeweserport Wachstum an der InnenjadeWilhelmshaven wächst weiter. Mittlerweile fahren wöchentlich acht Liniendienste den JadeWeserPort (JWP) an, hinzu kommen zahlreiche ungeplante Verkehre."Für 2018 erwarten wir dort einen Zuwachs von rund zehn Prozent", sagt ein Eurogate-Sprecher. Die Umschlagsmengen würden dann erstmals deutlich über 600.000 TEU betragen. Hoffnungen auf weiteres Wachstum macht ausgerechnet Hapag-Lloyd."Wir beobachten mit unseren Allianzpartnern laufend JWP", sagt Reedereisprecher Christian Denso. Auch als Standort für nachgeordnete Logistikdienstleistungen überzeugt der Tiefwasserhafen an der Innenjade: Im Oktober eröffnete VW ein neues Verpackungszentrum für Autoteile, welche nach Übersee verschickt werden. bot