Haftung im Frachtrecht: Vorrang für Energie

Der Vorrang gilt nur, wenn der "unterbrechungsfreie Betrieb" von Anlagen wie Kraftwerken, Raffinerien oder Tanklagern gefährdet ist. Diese Verordnung ist seit dem 29. August in Kraft und gilt für sechs Monate. Von der Energiesicherungstransportverordnung sind nur bestimmte Strecken betroffen, auf denen ein Transport zum Beispiel von einem Hafen zu einem Kohlekraftwerk stattfindet. Diese sind festgelegt in einem "Energiekorridor-Netz": rund 400 Trassen im Zusammenhang mit Öltransporten und rund 40 bezüglich Kohle und anderer Energieträger. Die Trassenanmeldung für einen Energievorrang von Kohle oder Öl muss zum Beispiel ein Kraftwerksbetreiber, Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), Verlader oder Spediteur spätestens zehn Tage vorher bei einem Eisenbahninfrastrukturbetreiber wie DB Netz anmelden. Als letzte Möglichkeit könnten Kapazitätszuweisungen anderer Unternehmen gekündigt werden. "Sicherlich vor Gericht wird der Versuch landen, berechtigte Schadenersatzansprüche von Zugbetreibern auszuschließen, deren bestehende Nutzungsverträge durch DB Netz zugunsten von Energiezügen gekündigt werden", so Peter Westenberger, Sprecher des Verbands Die Güterbahnen, in einem Statement. Nach Paragraf 5 der Verordnung sind Schadenersatzansprüche gegen "Betreiber von Eisenbahnanlagen" und "Betreiber von Serviceeinrichtungen" von der Haftung ausgeschlossen, es sei denn, sie handeln grob fahrlässig oder verletzen vorsätzlich Pflichten der Verordnung. Eine Entschädigung könne nach Paragraf 11 und 12 Energiesicherungsgesetz (EnSiG) erfolgen, heißt es in der Verordnungsbegründung. Demnach kann der Begünstigte für Schäden haftbar gemacht werden. "Wenn hier keine klare Zuordnung möglich ist, haftet subsidiär der Bund, ist dieser nicht zuständig, dann die Länder", erläutert Stephan Rieß, Leiter Verkehrshaftung bei Schunck. Es müsse im konkreten Fall - notfalls vor Gericht - geprüft werden, ob eine Entschädigung aufgrund einer Enteignung vorliege und wer diese leisten muss. Grundsätzlich gelte es in diesem Zusammenhang zwischen den öffentlich-rechtlichen Ansprüchen nach dem EnSiG und der etwaigen verkehrsvertraglichen Haftung von durch das EnSiG betroffenen Logistikdienstleistern zu unterscheiden. Letztere ist im Landfrachtrecht geregelt, für innerdeutsche nationale Transporte im Handelsgesetzbuch (HGB). Wäre ein grenzüberschreitender Transport von Verspätung betroffen, würde das Internationale Eisenbahnfrachtrecht (CIM) angewendet. "Die Haftung eines Frachtführers gegen Verspätungsschäden ist durch unsere entsprechenden Verkehrshaftungspolicen versichert", erklärt Rieß. Liege zum Beispiel ein Fracht- oder ein Speditionsvertrag vor, den der Spediteur geschlossen habe, und ergebe sich daraus eine Haftung, dann hat dieser einen entsprechenden Deckungsschutz. Kommunikation in der Lieferkette Von der Übernahme bis zur Ablieferung, in diesem Obhutszeitraum haftet der Transportdienstleister. "Er hat in dieser Phase alles zu tun, was von ihm erwartet werden kann, um seinen Auftrag zu erfüllen. Aber es ist keine Garantiehaftung, sondern es gibt Fälle des unabwendbaren Ereignisses wie höhere Gewalt. Dann greift ein Haftungsausschluss im Frachtrecht nach Paragraf 426 HGB." Eine Verspätung der Fracht durch Vorrang eines Energiegüterzuges könne durchaus als höhere Gewalt gewertet werden, so Rieß. "Allerdings ist dies kein Automatismus. Es kommt auf verschiedene Faktoren an und ist immer eine Einzelfallbetrachtung. Im schlimmsten Fall muss die Frage der Haftung vor Gericht geklärt werden." Es hänge zum Beispiel davon ab, wie kurzfristig die Beeinträchtigung des Transportes durch den Vorrang aufgekommen ist, inwieweit der Spediteur sich Weisung bei seinem Auftraggeber eingeholt hat und ob er alternative Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Durch den Gesetzgeber sind entsprechende Informations- und Kommunikationspflichten in Paragraf 419 HGB geregelt. Als Spediteur biete es sich zudem an, sich rechtzeitig mit den Auftraggebern in Verbindung zu setzen, um etwaige Exit-Strategien zu besprechen. "Ich würde dem Spediteur empfehlen, mit dem Verlader in Kommunikation zu treten und nicht nur auf die Karte zu setzen, es wird schon gutgehen." Letztendlich sei es aber auch ein Blick in die Glaskugel: "Zuerst muss ein entsprechender Energiemangel, ein Bedarf nach Vorrang angemeldet werden. Wenn dieser nicht angemeldet wird, wird diese Verordnung in der Schublade liegen." Die, die davon betroffen sind, müssten sich mit Augenmaß mit dem Thema beschäftigen, so Rieß, auch die Verlader. "Hier ist nicht nur der Spediteur gefordert, hier sind alle in der Lieferkette angesprochen." Mehr zum Thema finden Sie unter #Versicherungen www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Ob der Vorrang für Energietransporte im Fall einer Energiekrise wirklich benötigt wird, steht nicht fest. Sollte anderen Zügen deswegen ihre Trasse gekündigt werden, ist eine Haftung von DB Netz durch die Verordnung ausgeschlossen. Zudem ist die Kommunikation zwischen allen Beteiligten wichtig.

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