Hacker aussperren

Ein Mitarbeiter ist im Stress und öffnet hastig eine E-Mail. Ohne hinzusehen, klickt er auf den Anhang. Kurz blitzt eine Dialogbox auf, danach läuft der PC weiter wie immer. Erst mal - denn nach einiger Zeit häufen sich die Störungen: Daten fließen nur noch stockend durchs Netzwerk, Programme melden Fehler. Der Mitarbeiter bekommt ein schlechtes Gewissen und meldet den Vorfall der IT-Abteilung. Die findet schnell heraus: Der PC wurde gehackt. Das ist kein Einzelfall: Gut jedes fünfte deutsche Unternehmen ist schon einmal Opfer einer Cyberattacke geworden, sagt eine Umfrage der Wirtschaftsprüfer PwC. Doch was ist in diesem Fall zu tun? Und wie sind künftige Attacken abzuwehren? Was die Sofortmaßnahme angeht, sind sich die Experten einig. "Nicht einfach den Stecker am Gerät ziehen", rät Frank Rustemeyer von der Firma Hi-Solutions. Rustemeyer arbeitet als Computerforensiker, das heißt, er klärt Cyberangriffe auf. Sein Team rückt in solchen Fällen sofort aus und sichert vor Ort die Spuren. Sein Rat: Aus dem betroffenen PC sollte zwar das Netzwerkkabel gezogen werden - aber das Gerät sollte angeschaltet bleiben. "Nur so lassen sich Spuren im Hauptspeicher sichern", erklärt Rustemeyer. Aufklären statt nur den PC tauschen Schritt zwei: den Hackingfall möglichst vollständig aufklären, am besten mithilfe von externen Profis. Der typische System-Administrator sei nicht dafür ausgebildet, Ursachen und Herkunft einer Cyberattacke komplett zu untersuchen. Doch eine lückenlose Aufklärung passiere zu selten. "Häufig wird ein neuer Rechner hingestellt - und nicht geklärt, woher der Angriff kam", bedauert Rustemeyer. Wer so handelt, bleibt gefährdet. Schließlich ist die Schwachstelle unter Umständen noch vorhanden - und kann vom nächsten Hacker wieder genutzt werden. Damit Cyberangreifer erst gar keine Chance haben, bleiben technische Gegenmaßnahmen das A und O: Firewall und Virenschutz sind ein Muss, E-Mail-Programme und Internet-Browser sollten auf dem neuesten Stand gehalten werden - vor allem auch Zusatzprogramme wie Adobe Flash, die sogenannten Plug-Ins. "Das ist wie der Gurt im Auto", sagt Martin Dombrowski von der IT-Sicherheitsfirma Imperva. Solche technischen Hürden halten allerdings nur Angreifer draußen, die nach dem Gießkannen-Prinzip vorgehen, das heißt, die mit automatisierter Software wahllos bei Firmenrechnern anklopfen und nach Schwachstellen suchen. Live-Hacking zeigt, wie einfach es ist Viel gefährlicher jedoch sind gezielte Angriffe, bei denen ein Unternehmen oder einzelne Personen ins Visier geraten. Dabei passen die Kriminellen ihre Schadsoftware so an, dass sie vom Virenscanner nicht erkannt wird. Gegen solche Bedrohungen hilft nur eine Mischung aus technischen und organisatorischen Maßnahmen. "Die Mitarbeiter müssen für die Gefahren sensibilisiert werden", betont Computerforensiker Rustemeyer. Das übliche Schulungsformat: Die Belegschaft besucht einmal pro Jahr einen Kurs, in dem ein Experte erklärt, wie Cyberkriminelle vorgehen. Sie erfahren, dass einzelne Mitarbeiter mitunter gezielt angesprochen werden, zum Beispiel über Social Media (siehe Kasten Seite 39 oben). Besonders wirkungsvoll sind Vorführungen, bei denen Experten zeigen, wie leicht ein IT-Einbruch gelingen kann (Live-Hacking). Außerdem sollten die Kenntnisse der Mitarbeiter regelmäßig überprüft werden, zum Beispiel durch ein Online-Quiz, das im Firmennetz veranstaltet wird. Neben Schulungen spielen Regeln zur IT-Nutzung eine wichtige Rolle. Alle Mitarbeiter sollten - schon bei Einstellung - einen entsprechenden Katalog unterschreiben. Verboten sollte es zum Beispiel sein, dienstliche E-Mails an private Postfächer weiterzuleiten (und umgekehrt). Auch der Gebrauch von USB-Sticks - ein gefährliches Einfallstor für Computerschädlinge - muss zumindest geregelt oder gleich ganz untersagt werden. Einige Firmen gehen sogar so weit, dass sie die Anschlüsse an den Büro-PCs physisch versiegeln. Und schließlich müssen Mitarbeiter auf den Ernstfall vorbereitet werden. "Es sollte klar werden, dass man den 'komischen Computerfehler' ernst nehmen muss", resümiert Rustemeyer. Der optimale Ablauf: Jede Person im Betrieb meldet sich sofort bei der Hilfe-Hotline, sobald etwas Auffälliges passiert. Und die IT-Abteilung nimmt jeden Fall nüchtern auf - ganz gleich, wie ungeschickt sich ein Nutzer im Vorfeld angestellt haben mag. Gerade mit letzterem Punkt tun sich Computerprofis manchmal schwer. Ein Cyberangriff kostet 70.000 Euro Eine weitere Gegenmaßnahme betrifft den Umgang mit den sensiblen Daten selbst: "Sie müssen nicht nur einen Safe anschaffen, sondern auch nachschauen, was darin passiert", erklärt Experte Dombrowski. Will sagen: Unternehmen sollten genau verfolgen, was mit ihrem Datenschatz passiert, und den Zugriff stärker regulieren. Das kann bedeuten, dass alle Anfragen an die Kundendatenbank genau unter die Lupe genommen werden: Welcher Mitarbeiter fragt an? Gehören die Daten zu seiner Region? Halten sich die abgefragten Mengen im üblichen Rahmen? Spezielle Software, wie sie zum Beispiel Imperva anbietet, behält all das im Blick und blockiert den Zugriff, sobald zum Beispiel in einem kurzen Zeitraum ungewöhnlich viele Kundendaten abgerufen werden. Haben alle Abwehrmaßnahmen nicht gefruchtet, sollte der IT-Zwischenfall transparent aufgeklärt werden - auch nach außen. Das passiert jedoch kaum. Die meisten Fälle von Cyberkriminalität werden unter den Teppich gekehrt - darüber spricht man lieber nicht. Doch was viele nicht wissen: Diese Vogel-Strauß-Strategie ist illegal. Wenn zum Beispiel die Kundendatei gestohlen wird, muss das Unternehmen alle Betroffenen darüber informieren, so will es das Datenschutzgesetz. Die Infokampagne kann hohe Kosten verursachen, alleine für den nötigen Briefverkehr. Im Schnitt beträgt der wirtschaftliche Schaden, den ein Cyberangriff bei einem mittelständischen Betrieb anrichtet, 70.000 Euro, hat die Sicherheitsfirma Kasperky Lab ermittelt. Für 700 Euro gegen die Folgen versichern Gegen diese Risiken können sich Betriebe versichern: Im Ernstfall übernimmt dann die Versicherung die Kosten für die Informationsarbeit, stellt einen Computerforensiker, der den Vorfall untersucht, sowie einen Krisenmanager, um bei der Aufarbeitung der Panne zu helfen. Die Kosten für eine Police richten sich nach dem Umsatz des Unternehmens, der abzudeckenden Schadenssumme sowie der Art der Daten. Beim Anbieter Hiscox lässt sich eine Schadenssumme von 250.000 Euro für 600 bis 700 Euro pro Jahr versichern. Ein guter Anlaufpunkt für Unternehmen, die mehr gegen Datenklau tun wollen, ist die Allianz für Cybersicherheit (www.allianz-fuer-cybersicherheit.de). Risiko Web 2.0 Facebook und Co. können schnell zum gefährlichen Datenleck mutieren In letzter Zeit werden Betriebe zunehmend von einem neuen IT-Risiko bedroht - und zwar von den eigenen Mitarbeitern, die auf Facebook, Xing & Co allzu sorglos mit vertraulichen Informationen umgehen. Soziale Netzwerke sind eine Goldmine für Angreifer. Selbst scheinbar harmlose Statusmeldungen können für Kriminelle Geld wert sein. Ein LKW-Fahrer zum Beispiel verkündet auf Facebook, dass er sich gleich mit einer Ladung Smartphones auf den Weg macht und erwähnt auch noch, auf welcher Autobahn. Es gab bereits Fälle, in denen Diebe solche Informationen zur Vorbereitung von Überfällen genutzt haben. Oder ein Vertriebler twittert ein Foto vom Parkplatz des Kunden - und verrät so ungewollt, um welches Unternehmen es sich handelt. Denn viele Smartphones speichern dank GPS zusammen mit dem Foto die geografische Position ab. So kann schon der Computerlaie mit wenigen Klicks herausfinden, welche Firma der Vertriebsmitarbeiter besucht hat. Gegen all diese Fehltritte helfen nur sogenannte Social-Media-Guidelines, die alle Mitarbeiter bei Einstellung unterschreiben müssen, und die klar machen: Dienstliche Informationen haben im Web 2.0 nichts zu suchen. cg Tipps für mehr IT-Sicherheit So sperren Sie Hacker aus ihrem Betrieb aus - Setzen Sie Abwehrtechnik ein: Firewall und Virenschutz bleiben Pflicht, außerdem sollten E-Mail-Programme und Browser ständig aktualisiert werden. Vorsicht bei selbstentwickelten Web-Anwendungen, hier werden Sicherheitslücken oft nicht zeitnah geschlossen.- Erfassen Sie alle Angriffsversuche: Halten Sie Ihre Mitarbeiter dazu an, alle IT-Probleme und -Auffälligkeiten umgehend bei einer zentralen Stelle zu melden. Diese Berichte über reale Sicherheitspannen geben Ihnen Hinweise, um künftige Angriffe abzuwehren.- Stellen Sie Verhaltensregeln für den Notfall auf: Und lassen Sie jede Sicherheitspanne von einem Computerforensiker aufklären. Nicht einfach nur ein neues Gerät hinstellen. So bleibt die Sicherheitslücke unter Umständen bestehen.- Stellen Sie Leitlinien für die IT-Nutzung auf: Dienstliche E-Mails nicht an private E-Mail-Konten weiterleiten und umgekehrt, keine dienstlichen Daten auf USB-Sticks speichern, keine eigenen Programme auf dem Büro-PC installieren.- Schulen Sie Ihre Mitarbeiter: Weisen Sie ihre Belegeschaft einmal jährlich in einem Seminar auf IT-Risiken hin.- Passen Sie auf die Hardware auf: Viele Datenlecks haben ihren Ursprung in der Offline-Welt - Beispiel: Laptop am Flughafen liegen lassen. Schließen Sie Server immer ein, behalten Sie einen Überblick über im Umlauf befindliche Laptops.- Versichern Sie sich gegen finanzielle Folgeschäden: Cyberangriffe ziehen hohe Kosten nach sich. Darunter sind Ausgaben für einen Forensiker, Krisenmanager, PR-Unterstützung, Information der Kunden.- Regeln Sie den Zugriff auf sensible Daten: Sind Kundeninformationen auf einem zentralen Rechner gespeichert, sollten nur Mitarbeiter, die diese auch benötigen, darauf zugreifen können. Behalten Sie das Volumen der abgerufenen Daten im Blick - unerwartete Spitzen deuten auf Missbrauch hin. cg

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