Stuttgart. Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg akzeptiert das Gutachten zum Stresstest für Stuttgart 21, streitet aber weiter über den Sinn des Milliarden-Bahnprojekts. Ministerpräsident Winfried Kretschmann machte am Freitag trotz der grundsätzlichen Einigung mit der SPD keinen Hehl daraus, dass aus Sicht der Grünen das Kosten-Nutzen-Verhältnis für den Tiefbahnhof nicht stimmt.
„In quantitativer Hinsicht ist der Stresstest bestanden, in qualitativer unserer Ansicht nach nicht", sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. Finanzminister Nils Schmid (SPD) sagte dagegen, die SPD sei mit der festgestellten „wirtschaftlich optimalen Betriebsqualität" zufrieden.
Die Grünen fordern jedoch „Premium-Qualität". „Das kann man wohl von einem modernen Bahnhof, der soviel kostet, erwarten", sagte der Regierungschef. Die Kunden erwarteten viel weniger verspätete Züge. Aus Sicht von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) ist Stuttgart 21 beim Stresstest sogar durchgefallen. Dennoch wollen Grüne und SPD nun die Weichen für den für Herbst geplanten Volksentscheid stellen.
Dass die Projektgegner das Bahnvorhaben mit Hilfe des Plebiszits noch kippen können, gilt als unwahrscheinlich. Da das Quorum für das Referendum bei 33 Prozent liegt, müssten sich nicht nur die Mehrheit der Teilnehmer gegen das Projekt aussprechen, sondern es müssten auch mindestens rund 2,5 Millionen Wahlberechtigte mitmachen. Die Grünen erreichten bei der Landtagswahl im März 1,2 Millionen Stimmen.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) forderte von Grünen und Bürgern ein Ende des Widerstands. „Ich bitte die Projektgegner, jetzt nicht den schlechten Verlierer zu geben", sagte der CSU-Politiker in Bad Staffelstein. Ramsauer warnte Kretschmann, bei Vertragsbruch drohten Schadenersatzzahlungen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bedauerte in Berlin, dass das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 die Präsentation des Stresstests am nächsten Dienstag boykottieren will. Selbst Kretschmann fordert das Aktionsbündnis auf, doch noch an der Präsentation teilzunehmen. „Ich sehe keine Gründe, die das rechtfertigen, dies nicht zu machen."
Die Opposition im Landtag aus CDU und FDP geht davon aus, dass der Zeitplan für die Beratung des Ausstiegsgesetzes und die Volksabstimmung nicht zu halten ist. „Realistisch gesehen ist in diesem Jahr mit einer Verabschiedung des Gesetzes nicht zu rechnen", sagte CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke kündigte eine Klage gegen das Gesetz an. (dpa)