Gibt es 2019 einen Versorgungsengpass?

Wie viele offene Fahrerstellen gibt es in Ihrem Unternehmen? Derzeit würden wir etwa fünf neue Fahrer einstellen. Aktuell sieht es etwas besser aus und alle Fahrzeuge rollen. Im Frühjahr 2018 standen bei uns wegen fehlender Fahrer jedoch schon mal sechs bis acht Lkw. Warum klagen Sie derzeit nicht über Fahrermangel? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Aber wir haben monetär einiges verändert. Wir haben die Gehälter im letzten Jahr um 15 Prozent angehoben, davor das Jahr in etwa gleicher Größenordnung. Ist zu befürchten, dass es angesichts des Fahrermangels 2019 in Deutschland einen Versorgungsengpass geben wird? Wir haben das im 2018 zeitweise schon erlebt, besonders in den kurzen Wochen, wenn der Lebensmittelbereich boomt. Da gab es Kunden, die hätten gerne zehn Lkw gehabt, wir hatten aber nur acht zur Verfügung. Dieser Engpass wird sich 2019 verschärfen. Das registrieren auch die Verlader. Der Logistikleiter eines großen Kunden hat mir vor Kurzem gesagt, er habe seiner Unternehmensleitung bereits signalisiert: 2019 werde er noch Lkw-Kapazitäten finden können, aber wenn das Unternehmen weiter wächst, sieht er für 2020 Probleme, dass die Ware pünktlich ausgeliefert wird. Die Lage verschlimmert sich von Jahr zu Jahr. Warum? Es scheiden jedes Jahr über 60.000 Fahrer altersbedingt aus. Es gibt kaum einen Beruf, in dem so viele Berufstätige über 50 Jahre sind wie bei den Lkw-Fahrern. Wenn die letzten Jahre Fahrer fehlten, konnten immer noch Fahrer aus dem Osten einspringen. Gilt diese Regel nicht mehr? Nur noch sehr eingeschränkt. In Polen und Tschechien ist das Problem des Fahrermangels mittlerweile auch angekommen. Ich bezweifle auch, dass die jüngere Generation in Bulgarien und Rumänien bereit ist, vier Wochen in Europa Lkw zu fahren und dann erst in ihre Heimat zurückzukehren. Zudem soll das EU-Mobilitätspaket dieses Nomadentum verringern. Das ist zu begrüßen, verschärft aber den Fahrermangel weiter. Der BGL und weitere Verbände haben der Politik einen Plan übergeben zur Bekämpfung des Fahrermangels. Wo sehen Sie Handlungsbedarf? Man könnte den Beruf attraktiver machen. Ich wäre dafür, die Verbringung der wöchentlichen Ruhezeit in der Fahrerkabine, für die derzeit 45 Stunden geplant sind, auf 24 Stunden zu verringern. Für die Fahrer sind die 45 Stunden verschwendete Zeit. Warum kann man diesen Tag nicht an die Ausgleichstage anhängen, die der Fahrer zu Hause verbringen kann? Welche Rolle zur Lösung des Fahrerengpasses spielt die verladende Wirtschaft? Die muss unbedingt mitwirken. Dort ist ein Umdenken zu erkennen. Verlader und Empfänger der Ware müssen wieder attraktiv sein für Fahrer. Das fängt bei den Wartezeiten an, geht weiter mit sanitären Anlagen und hört beim freundlichen Umgangston nicht auf. Ein weiteres Problem sind die Zeitfenster. Man kann nicht dem Lkw ein Zeitfenster vorgeben und darum herum müssen Touren geplant werden. Mittelfristig geht es in die andere Richtung, dass man die Ankunft der Lkw avisiert und dann die Be- oder Entladung plant. Wird das Thema Fahrermangel aus Speditionssicht das Thema des Jahres 2019? Nicht nur 2019, sondern auch darüber hinaus. Das Thema wird in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Fünf-Punkte-Plan gegen Fahrermangel Eine Initiative verschiedener Verbände aus Transport, Logistik, Industrie und Handel hat einen Fünf-Punkte-Plan gegen Logistikengpässe und Fahrermangel im Straßengüterverkehr aufgestellt und diesen an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer übergeben. Die Initiative repräsentiert nach eigenen Angaben 60 Prozent der Wirtschaftsleistung Deutschlands und will mit dem Papier auf einen drohenden Versorgungskollaps aufmerksam machen. cd