Gesetzgeber erschwert bundesweit Fahrverbote

Bundestag und Bundesrat wollen Diesel-Fahrverbote verhindern. Sie haben jetzt entschieden, dass Sperrungen für ältere Diesel in der Regel nur in Städten mit relativ deutlicher Überschreitung der Grenzwerte für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) als verhältnismäßig gelten sollen. Unverhältnismäßig sollen Verbote in der Regel sein, wenn die NO2-Belastung im Jahresmittel 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreitet. Die Begründung: Der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft könne auch mit anderen Maßnahmen erreicht werden. Ob das wirklich Fahrverbote verhindert, dürften Gerichtsurteile zeigen - Kritiker bezweifeln es.Mit der Neuregelung nimmt die Bundesregierung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in das Bundes-Immissionsschutzgesetz auf. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass Verkehrsbeschränkungen im Einzelfall zulässig und geboten sein können - sofern sie verhältnismäßig sind. Durch die neue Gesetzesgrundlage müssen die Städte, die den EU-Grenzwert inzwischen nur noch geringfügig überschreiten, nämlich bis zu 50 Mikrogramm, nicht mehr zwingend Fahrverbote verhängen. Betroffene können sich umgekehrt darauf berufen und gegen Städte klagen.Freie Fahrt für bestimmte NutzfahrzeugeZudem regelte der Gesetzgeber kürzlich, welche Fahrzeuge bundesweit von Fahrverboten ausgenommen sind: Das betrifft Euro-6-Diesel ebenso wie Euro-4- und -5-Diesel, wenn sie unter 270 Milligramm Stickstoffoxid pro Kilometer ausstoßen. Mit Hardware nachgerüstete Pkw können also auch dort fahren, wo Fahrverbote bestehen. Davon ausgenommen sind auch Nutzfahrzeuge, vor allem die, bei denen die Nachrüstung mit öffentlichen Geldern gefördert wurde. Etwa Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,8 Tonnen und Lkw privater Entsorgungsbetriebe ab 3,5 Tonnen.Überwacht werden sollen Diesel-Fahrverbote künftig nur stichprobenartig mit mobilen Geräten und einer relativ kurzen Datenspeicherung von zwei Wochen. Auf eine entsprechende Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes einigten sich Union und SPD nach heftiger Kritik bezüglich des Datenschutzes. Am 1. April 2019 sollten die Gesetzesänderungen in Kraft treten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geht davon aus, dass es keine weiteren Diesel-Fahrverbote mehr geben wird, wenn die Kommunen ihre Luftreinhaltungspläne auf den neuesten Stand bringen und Förderangebote nutzen. Die deutsche Umwelthilfe hingegen hält die Sperrungen nach wie vor für möglich und kritisierte die vorgenommene Grenzwerterhöhung.Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Luftschadstoffe www.verkehrsrundschau.de/dossiersFörderprogrammStaatlicher Zuschuss für Hardware-Nachrüstung von LieferwagenSeit 1. Januar 2019 stellt das Bundesverkehrsministerium rund 333 Millionen Euro für Hardware-Nachrüstungen von leichten und schweren Handwerker- und Lieferfahrzeugen bereit, um besonders von NO2-Grenzwertüberschreitungen betroffene Städte zu unterstützen.Förderberechtigt sind:- Fahrzeughalter mit gewerblich genutzten Fahrzeugen der Klassen Nl und N2 mit einer zulässigen Gesamtmasse von 2,8 bis 7,5 Tonnen der Schadstoffklassen Euro 1, 2, 3, 4, 5 und EEV,- die ihren Sitz in einer der 65 von NO2-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Städte oder in den angrenzenden Landkreisen mit einem Stickstoffdioxid-Jahresmittelwert von mehr als 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft haben- sowie gewerbliche Fahrzeughalter, deren Firma nennenswerte Aufträge in der Stadt hat (25 Prozent oder mehr der Aufträge pro Jahr beziehungsweise 25 Prozent oder mehr des Umsatzes).Für die Förderung muss eine allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) des Kraftfahrt-Bundesamtes für die Nachrüstsysteme nachgewiesen werden. Der Umfang des staatlichen Investitionszuschusses beträgt zwischen 40 und 60 Prozent der Systemkosten und externen Einbaukosten - abhängig von der Unternehmensgröße. Wer das Geld bis 31. Mai 2019 beantragt, erhält pro Fahrzeug unter 3,5 Tonnen maximal 3800 Euro und bei Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen jeweils bis zu 5000 Euro. Wer ab 1. Juni 2019 einen Antrag stellt, für den gelten reduzierte Höchstbeträge von 3000 Euro beziehungsweise 4000 Euro. agDiesel-Fahrverbote im ÜberblickHamburg und Stuttgart könnten bis zu 35 weitere Städte folgenIn Hamburg und Stuttgart gibt es bereits Fahrverbote für ältere Diesel wegen der schlechten Luftqualität. Weitere könnten bald folgen. Daten der Landesumweltbehörden zeigen, dass in vielen deutschen Städten der NO2-Grenzwert noch immer deutlich überschritten ist, es laufen mehrere Gerichtsverfahren nach Klagen der deutschen Umwelthilfe (DUH).- Hamburg: Auf Abschnitten der Stresemannstraße und der Max-Brauer-Allee gelten seit 31. Mai 2018 Durchfahrtsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge bis zur Euro-5-Norm. Beide sind auch für Lkw ab 3,5 Tonnen tabu. Nicht betroffen ist der Lieferverkehr.- Stuttgart: Im gesamten Stadtgebiet gelten seit 1. Januar 2019 Fahrverbote für Diesel der Euro-4-Norm und schlechter. Wenn die Luft nicht schnell deutlich sauberer wird, drohen sie auch für Euro-5-Diesel. Gewerbliche Lieferverkehre sind ausgenommen.- In Bonn, Darmstadt, Essen, Frankfurt, Gelsenkirchen und Köln sind Diesel-Fahrverbote in den kommenden Monaten teils auf einzelnen Straßen, teils auch großflächiger wahrscheinlich. Auf 15 Berliner Straßenabschnitten könnte ab dem 1. Juli 2019 ein Fahrverbot für viele Diesel-Pkw und Lkw bis zur Euro-5-Norm gelten. In Essen könnte sogar ein Autobahnabschnitt betroffen sein. Einige der Urteile sind allerdings noch nicht rechtskräftig. In Mainz müssen voraussichtlich Fahrverbote angeordnet werden, wenn die Grenzwerte in der ersten Jahreshälfte dieses Jahres nicht eingehalten werden. Die DUH klagt nach eigenen Angaben derzeit in 35 Städten für Diesel-Fahrverbote. ag/dpa

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