Gereift wie ein guter Rotwein

Testberichte über den DAF XF beginnen momentan fast immer gleich - mit dem Hinweis auf eine Kabine, deren Rohbau aus dem Jahr 1987 stammt. Und die Niederländer werden nicht müde darauf zu verweisen, dass seit dieser Zeit (fast) kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Recht haben sie, denn mit den aktuellen Modellen holt DAF die Moderne ins Auto und setzt auf einen neuen GPS-Tempomaten (PCC=Predictive Cruise Control), eine optimierte Eco-Roll-Funktion sowie den seit 1. November 2015 nötigen Notbremsassistenten. Auch in den Motorenbau investierten die Eindhovener, passten die Common-Rail-Einspritzung an, änderten die Kolben und verbesserten das SCR-System. Lohn der Mühe: Der Antrieb ist für einen 510 PS starken 13-Liter-Motor sparsam und der XF ein Performer mit sehr guter Durchschnittsgeschwindigkeit. Der MX-Motor läuft angenehm ruhig Trotz variablem Turbolader spricht der Motor nicht sehr spontan an. Andererseits hatte der MX-Motor früher eine derart scharfe Leistungscharakteristik, dass man beim Anfahren Angst um Kardanwelle und Reifen hatte. Jetzt zeigt der Antrieb eine mildere und harmonischere Leistungsabgabe. Generell bevorzugt der Vierventiler niedrige Drehzahlen und ist mit langer Achsübersetzung auf kaum mehr als 1200 Touren bei Marschtempo konfiguriert. Das von ZF zugelieferte, automatisierte AS-Tronic-Getriebe haben die Niederländer gut im Griff. Die Anfahrregelung mit optimiertem Kupplungsschlupf klappt gut. Die an Steigungen fälligen Rückschaltungen erledigt "Speed Shift" sehr zackig - und macht ein Doppelkupplungsgetriebe fast überflüssig. Das Hochschalten an der Kuppe dauert dafür etwas länger. Eco-Roll bedarf der Feinabstimmung Eco-Roll könnte DAF noch etwas optimieren. Zumindest auf der VR-Testrunde gibt es Passagen, an denen man länger ohne eingelegten Gang rollen könnte. Andererseits funktioniert es so gut, dass Neutral wirklich nur geschaltet wird, wenn keine Gefahr besteht, dass der Lkw zu schnell wird. Der GPS-Tempomat arbeitet akkurat. Der Fahrer kann drei Strategien vorwählen: -4, -7 oder -10 km/h. Soll heißen: PCC nimmt das Gas vor Kuppen so frühzeitig weg, dass es mit den genannten Untergeschwindigkeiten über den Berg geht. -7 km/h haben sich im Test als guter Kompromiss herausgestellt, um Kraftstoff zu sparen und trotzdem nicht zu viel Tempo zu verlieren. Eine Funktion, die nicht bei allen gut ankommt, ist "Soft-Cruise". Bei gesetzten 85 km/h lässt der Tempomat das Tempo nach Rollphasen bis auf 82 km/h fallen und zieht dann mit einem kurzen Gasstoß wieder hoch. Spart Diesel, nervt aber durch Tempoverlust und Geräuscherhöhung beim Gasgeben. Auch bei leistungsbetonter Fahrweise ist die Antriebsstrang-Regelung bemüht, das Drehzahlniveau nicht über 1500 Touren klettern zu lassen. Wenigstens dreht das Aggregat in der kleinen Gruppe weiter aus, um Schaltsprünge zu ermöglichen. In der großen Gruppe wird fast zwanghaft am Ende des grünen Bereichs der nächste Gang eingelegt. Die im Test-Lkw integrierten Assistenzsysteme arbeiten gut. Für den Abstandstempomat lassen sich mehrere Stufen festlegen. In der für den größten Abstand regelt ACC sauber, ohne große Brems- und Beschleunigungsmanöver und damit optimiert auf niedrigen Verbrauch. Die VSC genannte Stabilitätskontrolle (ESP) greift spät und sanft ein. Wer ein gutes Gefühl fürs Fahrzeug hat, kann damit leidlich zügig und dennoch sicher Kurven umrunden. Auch der Frontkollisionswarner erkennt Gefahren rechtzeitig, warnt erst - und gibt damit dem Fahrer ausreichend Zeit, selbst zu reagieren, ehe er dann bei nicht abgewendeter Gefahr selbsttätig "in die Eisen geht". Federung und Lenkung sind gut Voll wie leer überzeugt der XF durch hohen Federungskomfort. Auch mit Super Space Cab und hohem Schwerpunkt zeigt die Kabine kaum Nick- oder Schaukeltendenzen und geht eine harmonische Verbindung mit der Zweiblatt-Parabelfederung an der Vorderachse ein. Die Lenkung gefällt durch ihre direkte Abstimmung, arbeitet zielgenau, mit akzeptablen Lenkkräften. Abgesehen davon garantiert der hohe Lenkeinschlag gute Wendigkeit. Die schnell arbeitende Luftfederung mit respektabler Hubhöhe sorgt für schnelles Auf- und Absatteln. Dass DAF eine sehr schöne Lösung gefunden hat, die Brems- und Elektro-Leitungen bei Solo-Fahrten an der Kabinenrückwand zu befestigen, begeistert zumindest die Fahrer. Dem Alter der Kabine geschuldet ist die allenfalls durchschnittliche Übersichtlichkeit. Die Spiegel bieten nicht den erwartet guten Rückblick, den ihre massigen Gehäuse versprechen. Stattdessen sorgen sie beim Blick nach rechts und links vorne in Kombination mit den nicht eben schlanken A-Säulen für eine Vergrößerung des toten Winkels. Wenigstens lassen sich sowohl Standard- als auch Weitwinkelspiegel elektrisch verstellen und beheizen. Wer seinen Fahrern eine Freude machen will, greift zum Super Space Cab. 180 Liter mehr Stauraum (gesamt: 870 l), mehr Kopffreiheit in den Betten (unten 81, oben 63 Zentimeter) sowie 2,1 Meter Stehhöhe über dem kleinen Motortunnel sorgen für ein tolles Raumgefühl und viel Platz fürs Gepäck. Die Betten gehören zu den größten, die man im Lkw finden kann. Federfinger-Bettroste und dicke Matratzen sorgen für Schlafkomfort. Innen merkt man das Alter des DAF XF Die aufpreispflichtigen, Leder bezogenen Klimasitze bieten hohen Sitzkomfort - wobei die Tierhaut sicher nicht sein muss. Die Höhenarretierung des oberen Bettes ist gleichzeitig Handtuchhalter. Was noch immer fehlt, sind passable Tassen- und Dosenhalter am Fahrerplatz. Das graue Interieur sieht nicht so ansprechend aus. Die silbernen Plastik-Intarsien wirken billig. Die Instrumentierung kann man bei seitlicher Sonneneinstrahlung kaum noch ablesen. Nachts muss man sie stark dimmen, um die Instrumente nicht im Spiegel zu sehen. Ambiente-Innenlicht und LED-Scheinwerfer sind verzichtbar. Das Innenlichtkonzept erfüllt Grundanforderungen. Die großen Drehschalter der Klimaanlage sind gut bedienbar, verstecken sich aber weit unten im Armaturenbrett - ebenso wie der Drehschalter fürs Menü des Bordcomputers. Ein Trost: Mit der aufpreispflichtigen Klimatronic genügt einmaliges Einstellen vor der Fahrt. Dann hält das System wunderbar die Temperatur, sorgt für zugfreie Belüftung sowie eine ordentliche Luftverteilung. Selbst das Gebläse bleibt in der höchsten Stufe relativ leise. Nicht wirklich leise ist es im XF bei höherem Tempo, bei dem Spiegel und Sonnenblende deutliche Windgeräusche produzieren. Wenigstens hat DAF den Strömungslauf so optimiert, dass der XF bei Schmuddelwetter wenig Verschmutzung der Spiegel und Seitenscheiben zeigt. Wer das lange Serviceintervall von 150.000 Kilometer nutzen will, muss teures Synthetik-Öl einfüllen. Der Ölfilter lässt sich ohne große Tropfmengen tauschen. Nachgefüllt wird über eine große, gut erreichbare Einfüllöffnung unter der unversperrten Frontklappe. Der Ölpeilstab sitzt direkt am Motor. Ein Diagnosesystem prüft so gut wie alle Flüssigkeitsstände. Nicht so gut: Zum Lenköl nachfüllen muss man das Fahrerhaus in Wartungsposition bringen - wie auch zum Wechsel des Luftfilters. Das Fahrgestell des Holländers ist wartungsarm. Mit AS-Tronic entfällt die Kupplungshydraulik. Eine gute Idee: 2x7- und 1x15-polige Anschlüsse erleichtern das Koppeln verschiedener Trailer. Bis auf ein paar Kilo Übergewicht gibt es am Ende kaum Kritik am XF. Der technische Sprung, den DAF mit dem aktuellen Modell macht, ist gelungen. Mit modernen Assistenzsystemen ausgestattet muss sich das Flaggschiff aus Eindhoven nicht mal vor aktuelleren Konkurrenten verstecken - hat sogar bei einigen Punkten die Nase vorne. Wer weit fährt, legt mehr Wert auf Platz und Komfort als auf Aerodynamik und technische Gimmicks. Alle Tests und Fahrberichte für Premium-Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Die VR fährt CO2-neutral Verantwortung zeigen! Die VerkehrsRundschau gleicht das bei den Lkw-Tests anfallende CO2 durch Emissionsminderungszertifikate aus. Unsere Beiträge fließen in ein Windenergieprojekt in Bandirma/Türkei, das höchste Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt. Uns unterstützt dabei der Anbieter ClimatePartner. Über den QR-Code lässt sich die Kompensation nachvollziehen. Der DAF XF510 im TÜV-Urteil Wartung und ServiceServiceintervall (max. 100) 83Abfahrtskontrolle (max. 90) 79Servicearbeiten (max. 80) 74Fahrerfreundlichkeit (max. 90) 78Kleinreparaturen (max. 70) 64Gesamtpunkte: (max. 430) 378Detaillierte Ergebnisse unter www.verkehrsrundschau.deIn der Servicebewertung schneidet der DAF XF gut ab. Das liegt an seiner hohen Fahrerfreundlichkeit, wenn es um kleinere Service- und Wartungsarbeiten geht. Aber auch an einem durchdachten Wartungskonzept, das im Lauf der Jahre hohe Reife erreicht hat. DAF bietet außerdem die Möglichkeit, durch Verwendung hochwertiger Motoröle das Serviceintervall auf 150.000 km zu erweitern. Sinn macht das nur, wenn der schwere Niederländer tatsächlich im Mehrschichteinsatz unterwegs ist, denn ansonsten muss er trotz teuren Öls einmal im Jahr zum Service. Wartungsfreundlich zeigt sich der DAF auch wegen der pneumatischen Kupplungsbetätigung, seinem wartungsarmen Chassis sowie der einfachen Kontroll- und Nachfüllmöglichkeit der meisten Betriebsflüssigkeiten. Falls nötig lassen sich die Seitenverkleidungen schnell abnehmen, ebenso wie der Fahrer unproblematisch an den Reifenfüllanschluss kommt. Für geringe Wartungskosten sorgen außerdem LED-Tagfahrlichter und Frontscheinwerfer, deren Leuchtmittel der Fahrer ohne großen Aufwand tauschen kann. gg

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