Moosburg an der Isar. Es ist das Jahr 1936. In drei Jahren wird der Zweite Weltkrieg beginnen, in Berlin finden umstrittene Olympische Spiele statt und Deutschland spürt noch die Nachwehen der Wirtschaftskrise der 20er-Jahre. Trotz widriger Umstände ist es auch die Zeit, in der Josef Heinz aus dem bayerischen Buchhofen sein eigenes Fuhrunternehmen gründet. Die ersten Transporte von Sand und Holz führt er mit Pferdefuhrwerken durch. Drei Jahre später zieht Heinz mit seiner Familie nach Moosburg an die Isar und meldet – aus finanziellen Gründen über seine Ehefrau – offiziell seinen Fuhrwerksbetrieb mit Pferdegespann an. Die Vierbeiner werden bald gegen vier Räder ausgetauscht und der „Blitz“ kommt zum Einsatz, ein Lkw von Opel.
Vom Krieg nicht aufzuhalten
Damit legt der Großvater des heutigen Geschäftsführers Otto Heinz junior den Grundstein für die Erfolgsgeschichte der Heinz Gruppe aus Moosburg. Unbeirrt vom Krieg konnte Josef Heinz den Weg für das Unternehmen ebnen, das es heute ist: ein großer Familienbetrieb mit 550 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 100 Millionen Euro (s. Kasten). Von Pferdefuhrwerken weit entfernt, umfasst der Fuhrpark von Heinz im Jahr 2021 über 170 Spezialfahrzeuge in der Entsorgung und fünf Lkw in der Spedition.
An dieser Verteilung ist die aktuelle Gewichtung der Geschäftsfelder bei Heinz gut erkennbar: Weg vom ehemals klassischen Speditions- und Transportunternehmen, wird heute der größte Teil des Umsatzes im Bereich Entsorgung und Recycling generiert. Ein Drittel entfällt auf Spedition und Logistik, wobei Heinz hier inzwischen vorrangig im Bereich Lager und Umschlag tätig ist. „Wir bilden das ganze Spektrum der Logistik ab“, betont der geschäftsführende Gesellschafter Otto Heinz junior (51). Gemeinsam mit seinen beiden Cousins Eduard (51) und Josef (46) leitet er seit 2009 den Familienbetrieb. Vier bundesweit verteilte Standorte im Bereich Logistik sowie 13 regionale Standorte rund um Moosburg gehören inzwischen zum Unternehmen.
Vom Transport zur Lagerei
Doch bis dahin war es ein langer Weg. Im Zeitraum von 1936 bis 1966 war Heinz ausschließlich im Speditionsgeschäft tätig. „Als ich 1939 in das damalige Unternehmen meines Vaters einstieg, war ich erst mal ein paar Jahre als Berufskraftfahrer tätig“, erinnert sich Otto Heinz senior, der Vater des aktuellen Geschäftsführers. Zunächst fuhr er Tankwagen – zu einer Zeit, in der Raffinerien in Städten noch nicht üblich waren. „In Gelsenkirchen gab es damals die größte Raffinerie in Deutschland. Wenn der Rhein zu wenig Wasser hatte, kam das Benzin mit den Schiffen nicht mehr nach Bayern. Wir mussten es dann Tag und Nacht herunterfahren, um die Tankstellen zu beliefern“, erzählt er.
Später transportierte Otto Heinz senior vor allem Getreide von Hamburg zur ehemaligen Tivoli-Mühle nach München. „Das kam aus den USA und diente der hiesigen Mehlversorgung, denn wir hatten nach dem Krieg ja nichts mehr“. Auch privat eine herausfordernde Zeit für die Familie Heinz, betont der Senior: „Wir waren damals immerhin acht Kinder, die versorgt werden mussten“. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Kunden hinzu. 1965 nahm Heinz das erste Kühlhaus in Betrieb – auch diese Entscheidung war geprägt von den Umständen der damaligen Zeit. „Während des Eisernen Vorhangs wollte man mindestens ein halbes Jahr vorsorgen können, falls etwas passiert“, sagt der 82-Jährige. Gelagert wurden vor allem Butter und Fleisch. Nach und nach kristallisierte sich heraus, dass die Lagerung gegenüber der Spedition das bessere Geschäft bedeutete.
Entsorgung als neues Geschäftsfeld
Zwischen den Jahren 1965 und 1970 kam ein neues Geschäftsfeld hinzu: die Entsorgung. „Die Gemeinde war uns gegenüber anfangs noch recht ablehnend – nach dem Motto: ‚Unser Dreck geht euch einen Dreck an“. Doch das änderte sich bald und die Müllentsorgung entwickelte sich zu einem vielversprechenden Business. Ein Potenzial, das Firmengründer Josef Heinz schnell erkannte. „Mein Vater war immer offen für neue Entwicklungen“, sagt Otto Heinz senior. 1969 stirbt Josef Heinz senior und eine neue Generation übernimmt die Verantwortung im Familienunternehmen: Sohn Otto senior und vier seiner Geschwister werden Geschäftsführer. Im Laufe der Zeit verlassen zwei von ihnen den Betrieb. In den vergangenen 15 Jahren bestand die Geschäftsführung immer aus drei Familienmitgliedern.
Ab 1980 geht es dann richtig los mit der Abfallentsorgung bei Heinz. 1991 führt Bayern das sogenannte „bessere Müllkonzept“ mit getrennten Systemen ein. Biotonne, gelber Sack und Co. gehen an den Start. Zeitgleich fand die zunehmende Öffnung Europas statt. „Damit stieg auch der wirtschaftliche Druck durch das osteuropäische Ausland im Speditions- und Fernverkehrsbereich“, erinnert sich Otto Heinz junior. Sein Vater und dessen Geschwister entscheiden sich deshalb, nahezu komplett auf Entsorgungsdienstleistungen zu setzen – 97 Prozent des Umsatzes entfällt damals auf diesen Bereich.
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
1996 tritt Otto Heinz junior in das Unternehmen ein. In den Folgejahren kommen auch seine beiden Cousins hinzu. Als Anfang 2009 der zweite Generationenwechsel offiziell vollzogen ist, wollen Otto und Josef junior dem Speditions- und Logistikbereich neues Leben einhauchen. „Wir standen vor der Entscheidung: ganz aufgeben oder noch mal versuchen? Und als Geschäftsmann gibt man nichts auf, bevor man da nicht noch mal volle Power hineingesteckt hat“, so Otto Heinz junior. Mit Erfolg: Der Anteil von Spedition und Logistik ist wieder auf ein Drittel des Gesamtumsatzes gewachsen.
Heute muss sich die Heinz Gruppe den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen. Dazu gehören Digitalisierung, Umweltschutz und Personalmangel. Für die Auftragsentwicklung etwa verwendet der Betrieb digitale Systeme, außerdem werden Apps genutzt – beispielsweise für die interne Mitarbeiterkommunikation.
Wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, diskutiert der Chef auch mal mit Fridays-for-Future-Aktivisten persönlich. „Heute meint jeder, er ist ein Klimaschützer, weil er auf die Straße geht und die Hand hebt. Wir tun es tatsächlich“, so der 51-Jährige. Der Hauptbeitrag des Unternehmens sei das hochwertige Verwerten des Mülls. Dabei achte man darauf, die Abfälle in regionale Anlagen zu liefern. Im kommenden Jahr will Heinz außerdem zwei vollelektrisch betriebene Müllfahrzeuge in Betrieb nehmen. Dem Personalmangel begegnet Heinz mit der Ausbildung eigener Nachwuchskräfte. Vier gingen Anfang September an den Start – darunter jedoch keine Berufskraftfahrer. Die würde das Unternehmen zwar ebenfalls ausbilden, findet aber keine geeigneten Bewerber. Wie bei vielen anderen Betrieben herrscht auch bei der Besetzung ausgebildeter Fahrer Flaute.
Nächste Generation steht in den Startlöchern
Allerdings wird einiges unternommen, um an Personal zu kommen. „Neben der Schaltung klassischer Stellenanzeigen in Tageszeitungen sind wir auch auf Social Media aktiv“, sagt Gloria Heinz. „Außerdem nehmen wir an Berufsinfotagen in Schulen teil“. Die Tochter von Otto Heinz junior ist auch bereits im Unternehmen und für den Bereich Marketing & Kommunikation verantwortlich. Instagram, LinkedIn, Facebook und Twitter sind ihr Terrain. Ob sie sich auch mal die Geschäftsführung zutrauen würde? „Das ist natürlich eine große Aufgabe. Ich schnuppere erst mal in alle Bereiche hinein und mal sehen, was die Zukunft so bringt“, antwortet die 27-Jährige. Die Verantwortung müsste sie jedenfalls nicht zwingend alleine schultern. Neben ihrem jüngeren Bruder Otto gibt es auch zwei Cousins im Teenageralter, die einen möglichen neuen Generationenwechsel bei der Heinz Gruppe einleiten könnten. Es besteht also Hoffnung, dass das Unternehmen auch noch die nächsten 85 Jahre im Familienbesitz bleibt. (sn)