Gehaltspfändungen

Gehaltspfändungen Kuckuck auf demLohnkonto Gehaltspfändungen bei Mitarbeitern kosten Zeit, Geld und Nerven. Denn die Berechnung des pfändbaren Betrages ist knifflig und auf den Arbeitgeber lauern zahlreiche Haftungsrisiken.Wenn der Gerichtsvollzieher klingelt, läuten bei Speditions- und Logistikunternehmern die Alarmglocken. Doch vielfach hat der unangenehme Besuch nichts mit ihnen zu tun, sondern er gilt einem Mitarbeiter: Ein Fahrer hat die Raten für sein Auto nicht bezahlt, im Internet mehr bestellt, als er bezahlen kann oder schuldet seiner geschiedenen Frau und den Kindern Unterhalt. Der Gläubiger erwirkt einen vollstreckbaren Titel und lässt das Gehalt pfänden. Dabei würde sich der Arbeitgeber aus den Schuldenangelegenheiten seiner Mitarbeiter gern heraushalten. Doch das Gesetz zwingt ihn zur Mitarbeit.Denn mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch den Gerichtsvollzieher darf der Arbeitgeber den pfändbaren Lohnbestandteil nicht mehr an den Arbeitnehmer auszahlen, der Betrag ist mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beschlagnahmt. Der Gläubiger des Arbeitnehmers kann den Arbeitgeber verklagen, wenn dieser nicht an ihn zahlt. „Arbeitgeber sollten daher einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nie ignorieren“, warnt Rechtsanwalt Michael Henn aus der Stuttgarter Kanzlei Dr. Gaupp & Coll. „Sie laufen sonst Gefahr, zwei Mal zu zahlen, nämlich einmal an den Mitarbeiter und ein weiteres Mal an den Gläubiger.“Im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird der Arbeitgeber aufgefordert, binnen zwei Wochen eine sogenannte Drittschuldnererklärung abzugeben. In dieser muss er erklären, ob er die Gehaltspfändung eines Mitarbeiters als begründet anerkennt und zur Zahlung bereit ist,ob und welche Ansprüche andere Personen an der Forderung geltend machen,ob bereits andere Gläubiger das Gehalt gepfändet haben.Auch hier lauern für den Arbeitgeber Risiken: „Gibt er die Drittschuldnererklärung nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist ab oder macht er unvollständige oder falsche Angaben, kann er sich schadensersatzpflichtig machen“, weiß Henn. „Der Gläubiger wird den Arbeitgeber auf Auskunft verklagen. Selbst wenn es tatsächlich nichts zu pfänden gibt, hat der Arbeitgeber das Nachsehen, denn er muss dem Gläubiger die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten erstatten.“Mit der Abgabe der Drittschuldnererklärung hat die Arbeit für den Unternehmer aber erst begonnen. Er muss sich an die Berechnung des pfändbaren Bruttoarbeitseinkommens machen. Das bedeutet in der Praxis erheblichen Verwaltungsaufwand und viele Probleme. Denn nicht alles, was der Arbeitnehmer verdient, ist pfändbar. „Zum pfändbaren Bruttoeinkommen gehören etwa der regelmäßige Arbeitslohn, Provisionen und Prämien sowie Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit“, erklärt Stefan Heiden, Justiziar bei der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg. Nicht hinzugerechnet werden dürften unter anderem Spesen, Leistungen zur betrieblichen Altersvorsorge, das Urlaubsgeld und Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen. „Mehrarbeitsvergütungen werden hälftig angerechnet, das Weihnachtsgeld ist bis zur Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens jedoch bis 500 Euro, pfändungsfrei“, so der Experte.Es gilt das PrioritätsprinzipIm zweiten Schritt muss der Arbeitgeber das daraus pfändbare Nettoeinkommen ermitteln, also Lohn- und Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, Sozialversicherungsbeiträge und eventuelle Beiträge zur privaten Krankenversicherung abziehen. Von diesem Nettoeinkommen muss er im letzten Schritt die Pfändungsfreibeträge abziehen. Diese werden vom Gesetzgeber in der amtlichen Tabelle zu § 850c der Zivilprozessordnung (ZPO) festgelegt. Dort kann anhand des Nettolohns und der Anzahl der gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen der jeweils pfändbare Betrag abgelesen werden.So ergibt sich beispielsweise bei einem Nettolohn von 1400 Euro und keinen unterhaltspflichtigen Personen ein pfändbarer Betrag von 290,40 Euro. Diesen muss der Arbeitgeber an den im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss genannten Gläubiger auszahlen. Der übrige Betrag dient dem Arbeitnehmer zur Existenzsicherung und darf nicht gepfändet werden. Die Krux an der Rechnerei ist allerdings: Der Arbeitgeber muss den Pfändungsbetrag korrekt ermitteln. Zweigt er zu viel vom Gehalt ab, macht er sich gegenüber dem Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig, überweist er dem Gläubiger zu wenig, kann dieser von ihm Schadensersatz fordern. Henn rät Unternehmern daher, bei Lohn- und Gehaltspfändungen einen Steuerberater einzuschalten. Manche Mitarbeiter sind so verschuldet, dass dem Arbeitgeber gleich mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ins Haus flattern. Hier gilt das Prioritätsprinzip. „Der Beschluss, den das Gericht zuerst zustellt, muss zuerst bedient werden“, so Heiden. Knifflig könne es allerdings werden, wenn der Gerichtsvollzieher mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gleichzeitig bringt, weiß der Justiziar. Er empfiehlt in diesem Fall, den Gerichtsvollzieher die Reihenfolge festlegen zu lassen oder den Zugang im Posteingang durchzunummerieren. Verstößt der Arbeitgeber gegen den Prioritätsgrundsatz und zahlt versehentlich aufgrund einer nachrangigen Forderung, wird er gegenüber dem vorrangigen Gläubiger nicht von seiner Zahlungspflicht befreit. Er muss also an diesen nochmals bezahlen, hat allerdings gegen den nachrangigen Vollstreckungsgläubiger einen Rückzahlungsanspruch. Heiden rät: „Ist sich der Arbeitgeber bei mehreren Pfändungen nicht sicher, an wen er zahlen soll, kann er den pfändbaren Betrag beim Vollstreckungsgericht hinterlegen und diesem die Verteilung des Erlöses übertragen.“Von einer Lohnpfändung betroffene Arbeitnehmer versuchen manchmal, die Pfändung durch Tricks zu unterlaufen. So kann es durchaus passieren, dass der Mitarbeiter den Chef bittet, sein Gehalt zu senken und den Differenzbetrag in bar auszubezahlen oder das Arbeitsverhältnis kurz zu beenden, um es dann wieder fortzusetzen. Davor kann allerdings nur gewarnt werden. Rechtsanwalt Henn sagt: „Solche Tricks sind illegal. Der Arbeitgeber kann sich sogar strafbar machen. Und er läuft auch hier wieder Gefahr, doppelt zu zahlen.“ Einer Kündigung und Wiedereinstellung hat sogar der Gesetzgeber vorgebaut: „Nach § 833 ZPO ist der vorhandene Lohnpfändungsbeschluss weiterhin gültig, wenn das Arbeitsverhältnis beendet und innerhalb von neun Monaten mit dem gleichen Arbeitgeber neu vereinbart wurde“, so der Anwalt. Der Verwaltungsaufwand, der dem Arbeitgeber durch eine Lohn- und Gehaltspfändung entsteht, kann beachtlich sein. „Die Kosten können jedoch prinzipiell weder vom Arbeitnehmer noch vomGläubiger zurückverlangt werden“, sagt Heiden von der IHK. Das sorgt schnell für schlechte Stimmung. Daher empfiehlt etwa die IHK Ostbrandenburg, im Arbeitsvertrag eine Klausel aufzunehmen, die regelt, dass der Arbeitnehmer die Kosten in gewissem Umfang selbst zu tragen hat (siehe auch Kasten unten). Und Anwalt Henn fügt hinzu: „Eine solche Klausel ist auch in einem vorformulierten Arbeitsvertrag wirksam, wenn der Chef dem Arbeitnehmer darin die Möglichkeit einräumt, eventuell geringere Kosten zu beweisen.“ 10 bis 20 Euro pro Berechnung hält der Experte dabei für angemessen.Wer sich über die Kosten der Lohnpfändung ärgert oder darüber, dass der Mitarbeiter seine finanziellen Angelegenheiten nicht im Griff hat, wird bisweilen auch über eine Kündigung nachdenken. „Eine Lohnpfändung berechtigt jedoch grundsätzlich nicht zur Kündigung“, erklärt Henn. Selbst wenn der Mitarbeiter eine besondere Vertrauensstellung innehat, beispielsweise als Prokurist oder Kassierer, ist aus Sicht des Anwalts eine Kündigung nicht zulässig. „Allein die Tatsache, dass sich der Mitarbeiter in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, sagt nichts über seine Zuverlässigkeit aus – denn das kann auch seriöse Gründe haben.“ ❙❚■ Ina Reinsch, freie JournalistinArbeitgeber dürfen keine Fehler machen, wenn das Gehalt von Mitarbeitern gepfändet wirdGehaltspfändungenWer ist wer? Schuldner: der ArbeitnehmerDrittschuldner: der ArbeitgeberGläubiger: derjenige, dem der Schuldner (Arbeitnehmer) Geld schuldet irGlossarSo formulieren Sie eine Kostenerstattungsklausel im Arbeitsvertrag„Der Arbeitnehmer hat die durch eventuelle Lohnpfändungen und -abtretungen beim Arbeitgeber verursachten Mehrkosten zu tragen. Je notwendigem Schreiben oder je Überweisung an den Neu- beziehungsweise Pfändungsgläubiger betragen diese Mehrkosten pauschal zehn Euro. Der Arbeitnehmer kann den Nachweis führen, dass dem Arbeitgeber keine oder geringere Kosten entstanden sind. Der Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer gilt als jeweils vor der Pfändung oder Abtretung entstanden und fällig geworden.“Quelle: IHK Ostbrandenburg

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